Rechtsfrage klären? Wir beraten per   E-Mail  -   Video  -   Telefon  -   WhatsAppBewertung: - bereits 395.357 Anfragen

COVInsAG und die Rückzahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenkasse nach Insolvenzanfechtung

Sozialrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Der Kläger nimmt die Beklagte, eine gesetzliche Krankenkasse und Körperschaft des öffentlichen Rechts, auf Rückzahlung nach Insolvenzanfechtung bei streitiger Anwendbarkeit von § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG auf nach Antragstellung erfolgte (Beitrags-)Zahlungen in Anspruch.

Der Kläger ist Sachwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. M. GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin). Auf den Eigenantrag der Insolvenzschuldnerin vom 21.12.2020 ordnete das Amtsgericht C. mit Beschluss vom 27.05.2021 ein vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung an und bestellte den Kläger zum Sachwalter.

Mit per Telefax übersandtem Schreiben vom 23.12.2020, bei der Beklagten eingegangen am gleichen Tag, informierte die Insolvenzschuldnerin die Beklagte über den Insolvenzantrag.

Danach nahm die Insolvenzschuldnerin zwischen dem 23.12.2020 und dem 28.04.2021 noch 10 Zahlungen an die Beklagte zu Lasten ihres bei der P.bank, Niederlassung der D. Bank AG, geführten Kontos in Höhe von € 5.431,03 vor, deren Rückzahlung der Kläger bis 02.07.2021 forderte.

Der Kläger beantragt mit der am 30.08.2021 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 23.09.2021 zugestellten Klage,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 5.431,02 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 02.07.2021 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Zahlungen seien gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG nicht anfechtbar.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der zehn im Zeitraum vom 23.12.2020 bis 28.04.2021 durch die Insolvenzschuldnerin an die Beklagte geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt € 5.431,02 gem. § 143 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Die Zahlungen der Insolvenzschuldnerin gingen gem. § 129 Abs. 1 i.V.m. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO nach Insolvenzantragstellung vom 21.12.2020, in Kenntnis der Beklagten von diesem Insolvenzantrag aufgrund der Telefaxmitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 23.12.2020 sowie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 27.05.2021 bei der Beklagten ein.

Die Zahlungen sind auch anfechtbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG der Anfechtung dieser Zahlungen nicht entgegen, da diese die Anfechtung ausschließende Vorschrift auf die hier nach Antragstellung erfolgten Zahlungen keine Anwendung findet.

Zum einen sind die streitgegenständlichen Anfechtungen nicht in einem „späteren“ Insolvenzverfahren erklärt worden, da zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen der Insolvenzantrag vom 21.12.2020 bereits gestellt war.

Zum anderen ist § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG auf den hier vorliegenden Fall der Anfechtung von Zahlungen, die nach Stellung des Insolvenzantrags geleistet wurden, nicht anwendbar. Ziel des COVInsAG ist, wie die Gesetzgebungsmaterialien zeigen, Unternehmen davor zu bewahren, frühzeitig in ein Insolvenzverfahren zu geraten. Das Ziel kann nach erfolgter Antragstellung nicht mehr erreicht werden. So heißt es im allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzeswortlautes zum COVInsAG wie folgt: „Auf diese Weise erhalten die Unternehmen Gelegenheit, die Insolvenz, insbesondere unter Inanspruchnahme der bereitzustellenden Hilfe, ggf. aber auch im Zuge von Sanierungs- und Finanzierungsvereinbarungen abzuwenden (Deutscher Bundestag - Drucksache 19/18110 vom 24.03.2020, S. 19).“

Der besondere Teil der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG zeigt, dass mit dem Begriff der „Insolvenz“ die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemeint ist. Denn dort heißt es wie folgt: „Sie sollen nicht befürchten müssen, zur Rückgewähr zwischenzeitlicher Leistungen verpflichtet zu werden oder den Zugriff auf die bei der Vergabe der neuen Kredite gewährten Sicherheiten zu verlieren, wenn die Bemühungen um die Rettung des Unternehmens der Kreditnehmerin oder des Kreditnehmers scheitern und deshalb doch ein Insolvenzverfahren eröffnet wird (Deutscher Bundestag - Drucksache 19/18110 vom 24.03.2020, Seite 23).“

Sobald dieses Ziel - die Verhinderung eines Insolvenzverfahrens - nicht mehr erreichbar ist, kann § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG so nicht mehr anwendbar sein. So bringen auch § 1 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. COVInsAG sowie § 1 Abs. 3 Satz 3, 2. Alt. COVInsAG klar zum Ausdruck, dass das COVInsAG in seiner Gesamtheit nur dann anwendbar sein soll, wenn noch die Möglichkeit besteht, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu verhindern. Nach dem Telos des COVInsAG muss also die Nichtstellung eines Antrages auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in § 2 COVInsAG mit hineingelesen werden. Die Insolvenzanfechtung ist nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 COVInsAG ausgeschlossen, da der Ausschlusstatbestand aufgrund der gebotenen restriktiven teleologischen Auslegung auf einen solchen Fall nicht anzuwenden ist.


LG Hamburg, 13.06.2022 - Az: 303 O 149/21

ECLI:DE:LGHH:2022:0613.303O149.21.00

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen vom ZDF (heute und heute.de)

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.240 Bewertungen) - Bereits 395.357 Beratungsanfragen

Ich hätte nicht gedacht, das mein Problem so schnell und so faktenbasiert, bearbeitet und beantwortet werden würde! Ich bin mehr als beeindruckt und ...

Verifizierter Mandant

War eine tolle und schnelle Abwicklung und hat mir sehr geholfen.

Verifizierter Mandant