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Rückerstattung einer Anzahlung nach Rücktritt wegen der Corona-Pandemie

Reiserecht | Lesezeit: ca. 8 Minuten

Nach einem Rücktritt vom Reisevertrag durch den Reisenden vor Reisebeginn hat der Reiseveranstalter nach § 651 h Abs. 1 S. 1, 2 BGB den Reisepreis an den Reisenden zurückzuzahlen (§ 346 Abs. 1 BGB). Der Reiseveranstalter kann jedoch grundsätzlich nach § 651 h Abs. 1 S. 3 BGB eine Entschädigungsleistung verlangen, mit der er aufrechnen kann. Dieser Anspruch ist nur dann nach § 651 h Abs. 3 S. 1 BGB ausgeschlossen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich im Sinne dieses Untertitels, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären (§ 651 h Abs. 3 S. 2 BGB).

Es ist zwar anerkannt, dass auch Naturkatastrophen und Krankheitsausbrüche unvermeidbare und außergewöhnlichen Umstände im Sinne des § 651 h BGB darstellen (können). Dies ergibt sich auch aus der vollharmonisierenden Pauschalreiserechtsrichtlinie bzw. dessen Erwägungsgrund 31, der gerade Krankheiten ausdrücklich benennt. Der Ausbruch der Corona-Pandemie führte ohne Zweifel im Jahr 2020 zu einer nahezu weltweiten Abschottung, zu Grenzschließungen und zu einer vollständigen Einstellung des internationalen Flugverkehrs. Die Corona-Pandemie kann mithin einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand im Sinne des § 651 h Abs. 3 BGB darstellen. Sie genügt aber allein nicht, um per se auch erhebliche Beeinträchtigungen der Durchführung der Pauschalreise oder der Beförderungen der Reisenden an den Bestimmungsort daraus abzuleiten.

Ob solche erheblichen Beeinträchtigungen vorliegen, ist anhand des Einzelfalles dahingehend zu bewerten, also etwa der Reisezweck vereitelt wird. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit dieser Erheblichkeit dürfen in Anbetracht der wertungsmäßig hohen Schutzgüter des Lebens oder der Gesundheit nicht zu hoch angesetzt werden, wobei die Frage, von welchem konkreten Gefährdungsgrad an eine erhebliche Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, nicht in Form einer festen Größe, sondern nur fallweise unter Berücksichtigung des konkreten Reisevertrages beantwortet werden kann. Je weiter im Voraus der Reisende den Rücktritt erklärt, desto unwahrscheinlicher wird es jedoch in der Regel sein, entsprechende Prognosetatsachen oder jedenfalls -indizien darzulegen und ggf. zu beweisen bzw. eine Akzeptanz des Reiseveranstalters herbeizuführen.

Bei der Frage nach einer hinreichenden Prognosegrundlage kommt einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes eine starke Indizwirkung zu. Eine Warnung der WHO kann hingegen allein nicht ausschlaggebend sein.

Außerhalb der Indizwirkung eine Reisewarnung kann der Reisende gesetzliche Regelungen der Verantwortlichen am Bestimmungsort als gewichtige Indizien anführen, die als Folge der außergewöhnlichen Umstände auf erhebliche Beeinträchtigungen der reisevertraglich vereinbarten Leistungen zum Reisezeitpunkt schließen lassen. Dazu gehören beispielsweise Ausgangsbeschränkungen, Quarantänepflichten oder hoheitliche Schließungsverfügungen. Zudem kann es, je nach den Umständen des Einzelfalles und dem Zeitpunkt der Rücktrittserklärung, ausreichend sein, wenn ein Reisender darlegt, dass es, prognostisch, am Bestimmungsort oder auf dem Weg dorthin (etwa bei Zwischenstopps) eine erheblich erhöhte Infektionsrate gibt oder geben wird und es insoweit eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer erhöhten Infektionsgefahr gibt oder geben wird.

Zum Teil wird in Literatur und Rechtsprechung überdies die Ansicht vertreten, dass eine im Vergleich zum Wohnort erheblich erhöhte Infektionsrate ein Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen könne, da dann eine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehe reisevertragliche Relevanz bzw. ein Bezug zu den vertraglichen Pflichten bestehe. Nicht ausreichend ist es hingegen, das Alter, eine gewisse körperliche Konstitution oder allgemein eine Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe vorzutragen. Auch eine pauschale Einschätzung des RKI genügt nicht. Ebenfalls nicht ausreichend sind Ängste oder andere Rücktrittsmotive. Würde man solche subjektiven Umstände losgelöst von dem Vertrag ausreichen lassen, würde ein Lösungsrecht contra legem eingeführt.

Für die ausschließliche Anknüpfung an objektive Umstände streitet der Wortlaut des § 651 h Abs. 3 BGB und Erwägungsgrund 31 der Pauschalreiserichtlinie.

Es würde zudem bei unterstellter Berücksichtigung solcher Umstände dazu kommen, dass „jüngere“ und „gesunde“ Reisende nicht, „ältere“ und gesundheitlich angeschlagene Reisende demgegenüber mit Erfolg und ohne Belastung mit einer Stornokostenpauschale zurücktreten könnten. Eine solche Ungleichbehandlung ist weder im Gesetz, noch in der Richtlinie angelegt oder wäre zu rechtfertigen.

Es mag einerseits richtig sein, dass es zum Zeitpunkt des Rücktritts vom Reisevertrag weder Medikamente, Impfungen oder abseits von Hygienemaßnahmen keine Möglichkeiten des effektiven Schutzes gegen eine Erkrankung mit dem Virus gab.

Auf der anderen Seite war es zum Zeitpunkt des Rücktritts des Klägers bereits allgemein bekannt, dass die weltweite Pandemie überall in sog. „Wellen“ verlief und jeweils durchaus Zeiträume vorhanden waren, in denen auch für vulnerablen Gruppen aufgrund sehr geringer Inzidenzen kaum ein erhöhtes Ansteckungsrisiko bestand.


LG Frankfurt/Main, 24.02.2022 - Az: 2-24 S 176/21

ECLI:DE:LGFFM:2022:0224.2.24S176.21.00

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