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Verfassungsbeschwerde bzgl infektionsschutzbedingter Einreisebeschränkungen aus Drittstaaten

Reiserecht | Lesezeit: ca. 27 Minuten

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Gründe

A.

Die 2018 geborenen deutschen Beschwerdeführer zu 1. und 2. sind Kinder der deutschen Beschwerdeführerin zu 3. Die im Iran lebende iranische Beschwerdeführerin zu 4. ist ihre Mutter beziehungsweise Großmutter; sie ist im Besitz eines bis zum 14. Dezember 2021 gültigen Schengen-Visums. Für den ursprünglich für den 29./30. März 2021 gebuchten Flug der Beschwerdeführerin zu 4. nach Deutschland verweigerte ihr die Fluggesellschaft die Beförderung. Vor den Verwaltungsgerichten blieb der Eilantrag der Beschwerdeführer, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, der Beschwerdeführerin zu 4. die Einreise zu gewähren und dies gegenüber den zuständigen Bundespolizeibehörden und gegenüber der Fluggesellschaft zu erklären, ohne Erfolg. Im Anschluss hieran hat die Beschwerdeführerin zu 4. am 28. März 2021 ihren Flug auf den 5. April 2021 umgebucht. Am 31. März 2021 haben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

I.

1. Mit Schreiben vom 2. März 2021 wandte sich der Ehegatte der Beschwerdeführerin zu 3. und Vater der Beschwerdeführer zu 1. und 2. (nachfolgend: Vater) an den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat. Nachdem das Ministerium ihm auf Anfrage mitgeteilt habe, dass eine Einreise der iranischen Schwiegereltern "auf Grundlage des Beschlusses des EU-Ministerrats vom 30. Juni 2020 sowie eines 'Umsetzungsbeschlusses' des Bundeskabinetts vom 1. Juli 2020" trotz gültigem Visums auf unbestimmte Zeit nicht möglich sei, weise er darauf hin, dass die im Zusammenhang mit "Corona" geltenden Einreisebeschränkungen Kinder mit Großeltern aus Drittstaaten unverhältnismäßig in ihren Grundrechten beschränkten.

Am 15. März 2021 erwarb der Vater für die Beschwerdeführerin zu 4. für einen Familienbesuch in Deutschland ein Flugticket bei Qatar Airways (nachfolgend: Fluggesellschaft) nach Frankfurt für den 29./30. März 2021. Nach einem E-Mail-Wechsel zwischen der Fluggesellschaft und der Beschwerdeführerin zu 3. teilte die Fluggesellschaft mit E-Mail vom 18. März 2021 mit, dass die Beschwerdeführerin zu 4. nicht befördert werde, da die Betreuung eines zweieinhalbjährigen Kindes kein Grund für eine Einreise sei.

Mit weiterem Schreiben an den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat vom 18. März 2021 beantragte der Vater, "verbindlich, d.h. in rechtsmittelfähiger Weise, zu erklären, dass die oben beschriebene Einreise stattfinden darf".

2. Mit Eilantrag vom 24. März 2021 begehrten die Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht Berlin, die Bundesrepublik Deutschland im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Beschwerdeführerin zu 4. am 30. März 2021 die Einreise zu gewähren und dies sowohl gegenüber der zuständigen Bundespolizei als auch gegenüber der Fluggesellschaft zu erklären. Zur Begründung führten sie aus, dass den Beschwerdeführern ein förmlicher Verwaltungsakt nicht erteilt worden sei. Auch liege keine förmliche Einreiseverweigerung im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex, nachfolgend: SGK) vor. Die Einreise solle "vielmehr rein praktisch verhindert werden unter Hinweis auf 'Corona'". Das Verwaltungshandeln stehe nicht in Einklang mit der Verordnung zum Schutz vor einreisebedingten Infektionsgefahren in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag vom 13. Januar 2021 (nachfolgend: CoronaEinreiseV). Hiernach sei allenfalls ein Negativtest bei Einreise vorzuweisen. Eine generelle Einreiseverweigerung gestatte die Verordnung nicht. Die Anweisungen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zur Einreise (gemeint sind die auf der Homepage des Ministeriums veröffentlichten "Fragen und Antworten zum Coronavirus", hier: "Welche Besonderheiten gelten für die Einreise von Familienangehörigen aus Drittstaaten, die nicht auf der 'Positivliste' stehen?") stünden nicht im Einklang mit der CoronaEinreiseV. Zudem sei die dem Text der Internetseite entsprechende Dienstanweisung als Verschlusssache klassifiziert. Den ausländerrechtlichen Regelungen "rund um Art. 6 Abs. 1 Buchstabe e) SGK" zufolge müssten für eine Einreiseverweigerung die Grenzbehörden den Beweis einer konkreten Gefährdung durch das einreisende Individuum erbringen. Eine gesunde, negativ getestete Person müsse einreisen dürfen. Eine Verweigerung verletze die Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und 3 GG sowie aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Grundrechtseinschränkungen seien angesichts effektiver Optionen mit weit milderem Charakter unverhältnismäßig.

Mit Beschluss vom 24. März 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Eilantrag ab. Ungeachtet der Erfolgsaussichten einer noch zu erhebenden Klage hätten die Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen schwere und unzumutbare Nachteile drohten, die nachträglich nicht mehr beseitigt werden könnten. Der Wunsch, die nach eigenen Angaben innige Beziehung der Beschwerdeführerin zu 4. zu den Beschwerdeführern zu 1. bis 3. durch einen persönlichen Umgang zu pflegen, sei nachvollziehbar, begründe aber keine Unzumutbarkeit. Dies gelte auch für die möglicherweise von der Beschwerdeführerin zu 4. zu tragenden Kosten in Höhe von 518 US-Dollar für die in Kenntnis der veröffentlichten Einreisebeschränkungen am 15. März 2021 gebuchten Flüge. Dabei werde nicht verkannt, dass die weitere räumliche Trennung der Beschwerdeführerin zu 4., die zuletzt im Sommer 2019 nach Deutschland eingereist sei, von den knapp dreijährigen Beschwerdeführern zu 1. und 2. eine Belastung der familiären Fernbeziehung bedeuten könne, wenn die geltend gemachte Einreiseverweigerung über mehrere Monate unterstellt werde und wegen der Pandemie auch kein Treffen in Drittstaaten möglich sein sollte. Aber selbst für diesen Fall seien hierdurch keine unzumutbaren Nachteile glaubhaft gemacht, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigten.

3. Hiergegen legten die Beschwerdeführer am 26. März 2021 Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus dem Umstand des sich in dem Lebensalter der Beschwerdeführer zu 1. und 2. schnell und unwiederbringlich schließenden Entwicklungsfensters.

Mit Beschluss vom 28. März 2021 wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde zurück. Ein schwerwiegender und unzumutbarer Nachteil, der die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könne, sei weiterhin nicht glaubhaft gemacht, und zwar auch nicht mit dem Hinweis auf entwicklungspsychologische Erkenntnisse beziehungsweise auf besondere kulturelle Umstände. Ein konkretes familiäres Ereignis, das eine Anwesenheit der Beschwerdeführerin zu 4. im Bundesgebiet mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gerade jetzt zwingend erfordere, weil die Einreise zu einem späteren Zeitpunkt sinnlos wäre, werde nicht genannt. Da die beanstandete Einreiseverweigerung und das luftrechtliche Beförderungsverbot auf der von der Bundesregierung umgesetzten Empfehlung des Rates (EU) 2020/912 zur vorübergehenden Beschränkung nicht notwendiger Reisen in die Europäische Union vom 30. Juni 2020, zuletzt aktualisiert durch Empfehlung des Rates (EU) 2021/132 vom 2. Februar 2021, beruhten und nicht offensichtlich rechtswidrig seien, sei es den Beschwerdeführern derzeit zumutbar, die weitere Entwicklung der Pandemie und etwaige Aufhebungen der aktuellen Beschränkungen abzuwarten. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass das der Beschwerdeführerin zu 4. erteilte Schengen-Visum noch bis Dezember 2021 gültig sei.

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