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Zulässigkeit der Haltung von Minipigs in einem Allgemeinen Wohngebiet

Mietrecht | Lesezeit: ca. 39 Minuten

Eine Haltung von Minipigs im Freien kann insbesondere dann unzulässig sein, wenn das Grundstück kleinflächig und von dichter Wohnbebauung umgeben ist, sodass die Nutzung nicht mehr der Eigenart des allgemeinen Wohngebiets entspricht.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der mit dem Zulassungsantrag geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) liegt nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der sich die Kläger gegen eine von dem Beklagten mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 29. November 2023 verfügte Nutzungsuntersagung und eine jeweils damit verbundene Zwangsgeldandrohung wenden, abgewiesen. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, zwar genüge grundsätzlich für den Erlass einer Nutzungsuntersagung nach § 81 Satz 1 2. Alt. Landesbauordnung – LBauO – die formelle Illegalität eines Vorhabens. Vorliegend habe die Bauaufsichtsbehörde die Nutzungsuntersagung allein auf die materielle Baurechtswidrigkeit gestützt. Deshalb komme es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf die materielle Rechtslage an. Die Nutzungsuntersagung sei materiell rechtmäßig. Sie sei bei vernünftiger Auslegung so zu verstehen, dass den Klägern die Nutzung der auf ihrem Grundstück Flurstück-Nr. … in H. vorhandenen baulichen Anlagen und sonstigen Einrichtungen zur Tierhaltung (konkret einer Hütte samt Freigehege) insoweit untersagt werde, als sie dort zwei Minischweine hielten. Diese Nutzung erweise sich als materiell baurechtswidrig, weil sie gegen Bauplanungsrecht verstoße. Das von den Klägern bewohnte Grundstück liege in einem durch den Bebauungsplan „N., III. Änderung“ ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet (§ 4 Abs. 1 Baunutzungsverordnung – BauNVO –). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO seien außer den in den in § 4 BauNVO genannten Anlagen auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienten und die seiner Eigenart nicht widersprächen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gehörten zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Die Tierhaltung dürfe lediglich ein Annex zur Hauptnutzung – hier der Wohnnutzung – sein. Die legale Kleintierhaltung finde in allgemeinen Wohngebieten ihre Grenze dort, wo die Schwelle der „Wohnakzessorietät“ überschritten werde.

Kleintiere seien mit Blick auf den städtebaulichen Zweck der Vorschrift solche Tiere, deren Haltung in den Baugebieten typischerweise üblich und ungefährlich sei und, soweit es um Wohngebiete oder durch Wohnen mitgeprägte Gebiete gehe, typischerweise einer im Rahmen der Wohnnutzung liegenden Freizeitbetätigung diene; die Verkehrsüblichkeit einer Kleintierhaltung als Freizeitbetätigung im Rahmen einer Wohnnutzung könne sich nach den örtlichen oder regionalen Gewohnheiten richten. Letztlich beurteile sich die Frage, ob Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung als Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der Eigenart des Baugebiets nicht widersprächen, nach der örtlichen Situation im jeweiligen Einzelfall. Nicht unter den Begriff des Kleintiers fielen große Tiere, wie Kühe, Pferde oder Ponys und zum anderen unabhängig von ihrer Größe Tiere, die dem Menschen gefährlich werden könnten, wie etwa Pumas, Tiger oder Ozelote.

Esel, Ziegen und Schweine seien unabhängig von ihrer Einstufung als Groß- oder Kleintiere typischerweise nicht in den durch Wohnnutzung geprägten Baugebieten zu erwarten; ihre Haltung liege nicht im Rahmen einer typischerweise der Wohnnutzung dienenden Freizeitbetätigung. Im Rahmen der typisierenden Betrachtung sei neben der Art der in den Nebenanlagen gehaltenen Tiere auch deren Anzahl und das mit ihnen jeweils verbundene Störpotenzial zu berücksichtigen. Die Haltung von Schweinen in einem allgemeinen Wohngebiet führe typischerweise zu Geräusch- und Geruchsbelästigungen, die in Wohngebieten nicht üblich seien. Von Schweinen, die sich ganzjährig rund um die Uhr hauptsächlich im Freien aufhielten, gingen ungefilterte Gerüche und Geräusche aus, die unmittelbar die Umgebung belasteten. Diese seien typischerweise anderer Art, als sie etwa von Hunden, Katzen, Kaninchen oder Vögeln ausgingen und die in Wohngebieten üblicherweise gehalten würden. Aufgrund ihrer Größe und Anzahl komme es bei Schweinen zudem zu nicht unerheblichen Ausscheidungen, die gebietsuntypische Gerüche verbreiteten. Ob die Haltung der Schweine durch die Kläger tatsächlich zu einer Belästigung der Nachbarn durch Gerüche führe, sei insoweit unerheblich.

Die Kläger könnten auch nicht mit Erfolg einwenden, bei den von ihnen in ihrem Garten gehaltenen Tieren handele es sich nicht um übliche Hausschweine, sondern lediglich um sog. „Minischweine“, die problemlos als Haustiere gehalten werden könnten. Der Ausdruck „Minischwein“ sei ein Sammelbegriff für diverse kleinwüchsige Schweinerassen. In die Kategorie „Minischweine“ würden alle Schweine kleinwüchsiger Rassen und Kreuzungen aus diesen Rassen eingeordnet, die zu Hobbyzwecken gezüchtet oder gehalten würden. Zwar sei das Minischwein im Gewicht wesentlich leichter als ein „normales“ Schwein, das über 300 kg wiegen könne. Dennoch sei das Minischwein weit entfernt vom „Handtaschenformat“, das durch Abbildungen sehr junger Tiere suggeriert werde. Denn Minischweine erreichten je nach Rasse 50 cm Schulterhöhe, würden bis zu einem Meter lang und wögen ausgewachsen zwischen 65 kg und 150 Kilo. Damit erreichten die sog. Minischweine ein höheres Gewicht als Hängebauchschweine, die im Allgemeinen bis zu 70 kg schwer würden. Ebenso wie bei normalen Hausschweinen seien bei der Haltung von Minischweinen neben den Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung auch tierseuchenrechtliche Vorgaben zu beachten. Daraus folge, dass bauplanungsrechtlich keine unterschiedliche Behandlung zwischen üblichen Hausschweinen, Hängebauchschweinen und Minischweinen erfolge. Die Haltung der beiden 70 kg schweren Minischweine der Kläger in deren Garten liege daher nicht mehr im Rahmen einer typischerweise der Wohnnutzung dienenden Freizeitbetätigung.

Hieran ändere auch nichts, dass die Gemeinde H. mit dem Spruch „Größtes Dorf in Rheinland-Pfalz“ werbe. Das streitgegenständliche Grundstück liege nicht in einem Dorfgebiet nach § 5 BauNVO oder einem dörflichen Wohngebiet nach § 5a BauNVO – in welchen nicht gewerbliche Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung zulässig seien – sondern vielmehr in einem durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO. Im Übrigen zeichne sich die unmittelbare Umgebung des Grundstücks der Kläger – auf welches es im vorliegenden Fall allein ankomme – durch eine eng aufeinander folgende überwiegende Wohnnutzung aus. Vergleichbare Nutzungen seien in der Nachbarschaft nicht vorhanden.

Es handele es sich auch nicht um einen besonders gelagerten Einzelfall, in dem die im Wohngebiet unübliche Schweinehaltung der Eigenart des Wohngebiets aufgrund besonderer Umstände nicht widerspreche. Vorliegend grenze die Haltung der beiden Schweine der Kläger nicht direkt an Weideflächen im Außenbereich an. Das Grundstück der Kläger liege vielmehr zentral im Ort; es sei umschlossen von weiteren mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken. Das Grundstück der Kläger sei daher nicht geeignet für eine nachbarverträglich ausgestaltete Schweinehaltung.

Die Nutzungsuntersagung sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO rechtfertige in der Regel das bauaufsichtliche Einschreiten mit der Folge, dass nur geringe Anforderungen an die Begründung nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG zu stellen seien. Etwas Anderes gelte allerdings dann, wenn ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorliege. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Soweit die Kläger im Klageverfahren geltend gemacht hätten, die Schweine seien als Therapietiere für die schwerbehinderte Tochter der Klägerin zu 2) zwingend notwendig, könnten sie damit nicht gehört werden. Zum einen hätten die Kläger schon nicht dargetan, dass es sich bei den beiden Schweinen um ausgebildete Therapietiere handele. Zum anderen ergebe sich aus dem Umstand, dass das öffentliche Baurecht grundstücksbezogen sei, dass eine bauaufsichtliche Verfügung nicht deshalb ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig sei, weil die Bauaufsichtsbehörde persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen in die Ermessensentscheidung nicht eingestellt habe. Der Beklagte habe sein Auswahlermessen hinsichtlich des Adressaten der Verfügung nicht deshalb fehlerhaft ausgeübt, indem er gegen beide Kläger eine Nutzungsuntersagungsverfügung erlassen habe und nicht lediglich gegen einen der Kläger vorgegangen sei. Bei einer Personenmehrheit könne die Bauaufsichtsbehörde – wie hier – auch gegen jeden Einzelnen gleichzeitig vorgehen.

Die auf der Grundlage der §§ 66, 64 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG – ergangene Androhung eines Zwangsgeldes in Ziffer 2 der Bescheide sei ebenfalls rechtmäßig. Insbesondere sei das Zwangsgeld in Höhe von 2.500 € je Schwein hinreichend bestimmt im Sinne des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 VwVfG. Der Beklagte habe den Klägern auch eine nach § 66 Abs. 1 Satz 3 LVwVG angemessene Frist gesetzt. Zwar habe der Beklagte die Frist nicht im Rahmen der Zwangsgeldandrohung formuliert, sondern schon in der Grundverfügung. Dies sei aber unschädlich. Denn dem Fristsetzungserfordernis sei auch dann Genüge getan, wenn die Frist nicht als vollstreckungsrechtliche Frist (s. § 66 Abs. 1 Satz 2 LVwVG), sondern als materiell-rechtliche Frist als Teil der Grundverfügung formuliert sei. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Frist von vier Wochen nach Bestandskraft der Verfügung unangemessen sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte den Klägern bereits vor Erlass der Verfügung mitgeteilt habe, dass mit einer Entfernung der Schweine vom Grundstück gerechnet werden müsse. Innerhalb von vier Wochen nach Bestandskraft des Verwaltungsaktes erscheine es möglich, die Schweine, auch gegen Geld, an einem anderen Ort als auf dem streitgegenständlichen Grundstück unterzubringen. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 2.500 € pro Schwein sei nicht zu beanstanden. Denn es handele sich um eine wichtige baunachbarrechtliche Angelegenheit; es gehe u.a. um die effektive Durchsetzung des Gebietserhaltungsanspruchs der Nachbarn.

Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

Der im zulässigen Antrag auf Zulassung der Berufung allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach (richtigerweise) § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

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