Gemäß § 912 BGB hat der Nachbar einen Überbau dann zu dulden, wenn der Eigentümer eines Grundstückes bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze baut, ohne dass ihm insoweit Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Geschieht die Grenzüberschreitung jedoch vorsätzlich im Sinne von bewusst oder grob fahrlässig, so kann auch bei einem fehlenden Widerspruch die Beseitigung nach § 1004 Abs. 1 BGB, zumindest aber die Herausgabe verlangt werden.
Der Eigentümer handelt im Sinne des § 912 BGB vorsätzlich, wenn er weiß, dass er die Grenze überschreitet und sich dabei bewusst ist, hierzu keine Befugnis zu haben.
Kommt der Widerspruch des Nachbarn ersichtlich zu spät, so ist dieser zur Duldung des Überbaus verpflichtet.
Der Widerspruch muss vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung erhoben werden. Der Widerspruch muss danach so rechtzeitig erhoben werden, dass die bereits überbauten Gebäudeteile ohne erhebliche Zerstörung wieder beseitigt können werden. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Nicht entscheidend ist, ob dem Widerspruchsberechtigten ein schuldhaftes Zögern zur Last fällt. Entscheidend ist allein, ob noch so zeitig widersprochen wurde, dass eine erhebliche Zerstörung vermieden werden kann. Der Widerspruch kann daher auch dann verspätet sein, wenn der Nachbar den Überbau weder kannte noch kennen musste. Der Widerspruchsberechtigte trägt die Darlegungs- und Beweislast für den rechtzeitigen Widerspruch.
Die Frage der Rechtzeitigkeit des Widerspruchs beantwortet sich nach dem Zweckgedanken der Überbauvorschriften: ohne Not sollen keine wirtschaftlichen Werte zerschlagen werden.