Die sogenannte Fehlbelegungsabgabe, die juristisch korrekt meist als Fehlsubventionierungsabgabe oder Ausgleichszahlung bezeichnet wird, stellt im Wohnraummietrecht ein Instrument dar, das bei öffentlich gefördertem Wohnraum (Sozialwohnungen) zur Anwendung kommen kann. Es handelt sich um eine Zahlung, die Mieter von Sozialwohnungen an die zuständige Gemeinde oder Stadt entrichten müssen, wenn ihr Haushaltseinkommen die für den Bezug einer solchen Wohnung maßgeblichen Einkommensgrenzen deutlich übersteigt.
Der Hintergrund dieser Regelung liegt in der Natur der sozialen Wohnraumförderung. Die Berechtigung zum Bezug einer Sozialwohnung, nachgewiesen durch einen Wohnberechtigungsschein (WBS), wird grundsätzlich nur bei Mietbeginn geprüft. Verbessern sich die finanziellen Verhältnisse der Mieter im Laufe des Mietverhältnisses, etwa durch Gehaltserhöhungen, führt dies nicht automatisch zum Verlust der Wohnung. Die Mieter müssen nicht ausziehen und zahlen weiterhin nur die subventionierte, vergleichsweise niedrige Kostenmiete.
Hierdurch entsteht eine sogenannte Fehlsubventionierung oder Fehlförderung: Der Mieter nimmt eine staatliche Subvention in Anspruch, obwohl er diese aufgrund seines gestiegenen Einkommens nicht mehr benötigen würde. Gleichzeitig müssen andere Haushalte, deren Einkommen die Grenzen einhält und die dringend auf preisgünstigen Wohnraum angewiesen wären, sich auf dem teureren, freifinanzierten Wohnungsmarkt versorgen. Die Fehlbelegungsabgabe dient als ordnungsrechtliches Instrument dazu, diesen ungerechtfertigten Mietvorteil zumindest teilweise abzuschöpfen und die freiwerdenden Mittel dem sozialen Wohnungsbau wieder zuzuführen.
Gesetzliche Grundlagen und die Föderalismusreform
Historisch basierte die Möglichkeit zur Erhebung dieser Abgabe auf dem Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (AFWoG) des Bundes aus dem Jahr 1981. Dieses Bundesgesetz gab den Ländern die Möglichkeit, entsprechende Regelungen zu erlassen.
Eine Wende brachte die Föderalismusreform im Jahr 2006. Durch diese Reform erhielten die Bundesländer die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der sozialen Wohnraumförderung und der Wohnungsbindung. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich nun maßgeblich im
Wohnraumförderungsgesetz (WoFG), insbesondere in dessen
§ 11. Infolgedessen sind die Regelungen zur Fehlbelegungsabgabe nicht mehr bundeseinheitlich, sondern eine Angelegenheit der jeweiligen Landesgesetzgebung.
Die (fast) flächendeckende Abschaffung der Abgabe
Nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder entschied sich die überwiegende Mehrheit der Bundesländer dazu, die Fehlbelegungsabgabe abzuschaffen. Zu den Ländern, die diese Abgabe nicht mehr erheben, gehören unter anderem Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein.
Die Gründe für diese weitreichende Abschaffung waren vielschichtig. Zum einen wurde der hohe administrative Aufwand für die Einkommensüberprüfung und die Verwaltung der Abgabe im Verhältnis zu den erzielten Einnahmen oft als unwirtschaftlich angesehen. Zum anderen verfolgte die Abschaffung auch ein soziales Ziel: Es sollte eine bessere soziale Durchmischung in den Wohnvierteln gefördert werden. Die Fehlbelegungsabgabe hatte in der Praxis oft dazu geführt, dass Mieter mit gestiegenem Einkommen aus den Sozialwohnungen wegzogen, um der Abgabe zu entgehen. Dies konnte die Entstehung von sozial homogenen Wohnquartieren und „Brennpunkten“ begünstigen.
Trotz dieses klaren Trends ist die Fehlbelegungsabgabe nicht vollständig verschwunden. Einige wenige Bundesländer erheben sie weiterhin oder haben sie sogar, entgegen dem Trend, wieder eingeführt.
Das prominenteste Beispiel hierfür ist Hessen. Dort wurde die Abgabe zunächst 2011 abgeschafft, jedoch zum 1. Juli 2016 wieder eingeführt. Die Rechtsgrundlage bildet das hessische Gesetz über die Erhebung einer Fehlbelegungsabgabe in der öffentlichen Wohnraumförderung (Fehlbelegungsabgabe-Gesetz - FBAG). Auch das Saarland hält an der Erhebung der Abgabe fest. In Rheinland-Pfalz existiert ebenfalls eine gesetzliche Grundlage, die Erhebung obliegt jedoch den Gemeinden und wird Berichten zufolge nur in einer Minderheit der dazu ermächtigten Kommunen praktiziert. Daneben existieren auch in Sachsen-Anhalt und – in bestimmten Fällen – in Brandenburg entsprechende Regelungen; die tatsächliche Erhebungspraxis unterscheidet sich jedoch teils erheblich.
Angesichts angespannter Wohnungsmärkte in Ballungszentren kommt es auch in anderen Ländern, wie etwa Berlin, wiederholt zu politischen Diskussionen über eine mögliche Wiedereinführung, ohne dass dies bisher zu einer Änderung der dortigen Rechtslage geführt hätte.
Voraussetzungen und Höhe der Abgabe
Dort, wo die Abgabe erhoben wird, knüpft die Zahlungspflicht an klare Voraussetzungen. Maßgeblich ist das Überschreiten der relevanten Einkommensgrenze für den Wohnberechtigungsschein um einen bestimmten Prozentsatz. In der Regel wird die Abgabe fällig, wenn das aktuelle Haushaltseinkommen die Grenze um mehr als 20 Prozent übersteigt.
Die Höhe der Abgabe ist dabei nicht einheitlich, sondern in der Regel nach der Höhe der Einkommensüberschreitung gestaffelt. Das alte Bundesrecht (AFWoG) sah beispielsweise eine Staffelung von 0,25 Euro bis 1,00 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche vor, je nachdem, ob die Grenze um 20 bis 35 Prozent oder um mehr als 50 Prozent überschritten wurde. Heutige Landesgesetze, wie das in Hessen, knüpfen die Berechnung oft an die Differenz zwischen der subventionierten Miete und der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens werden häufig bestimmte Freibeträge gewährt. So können beispielsweise für pflegebedürftige Personen, Schwerbehinderte oder Alleinerziehende höhere Einkommensgrenzen gelten oder zusätzliche Beträge vom Einkommen abgesetzt werden, bevor die Abgabepflicht geprüft wird. Ändert sich das Einkommen eines Haushalts auf Dauer (definiert oft als mindestens sechs Monate), kann eine Anpassung der Abgabenhöhe erfolgen.
Die Feststellung des maßgeblichen Haushaltseinkommens erfolgt regelmäßig auf einen bestimmten Stichtag (häufig Jahresmitte oder Ende eines Kalenderjahres). Änderungen im Haushaltseinkommen, z.B. durch Arbeitsplatzwechsel oder Rentenbezug, werden erst zum nächsten Stichtag berücksichtigt, sofern diese voraussichtlich von Dauer sind.
Zudem existieren sogenannte Kappungsgrenzen. Diese sollen verhindern, dass die Summe aus der subventionierten Miete (Kostenmiete) und der Fehlbelegungsabgabe die ortsübliche Miete für vergleichbaren, nicht preisgebundenen Wohnraum übersteigt.
Einordnung der Ausgleichszahlung
Es handelt sich bei der Fehlbelegungsabgabe ausdrücklich nicht um eine
Mieterhöhung im zivilrechtlichen Sinne. Die Zahlung ist keine Gegenleistung für die Überlassung des Wohnraums an den Vermieter.
Stattdessen ist die Fehlbelegungsabgabe eine öffentlich-rechtliche Abgabe. Sie wird von der zuständigen Behörde (Kommune oder Wohnungsamt) durch einen Verwaltungsakt, also einen Bescheid, festgesetzt und ist an diese öffentliche Stelle zu entrichten. Sie verfolgt steuerungs- und lenkungspolitische Ziele im Rahmen der staatlichen Wohnraumverteilung.
Diese Einordnung hat direkte Konsequenzen für den Rechtsschutz. Ist ein Mieter mit der Festsetzung der Abgabe nicht einverstanden, etwa weil das Einkommen falsch berechnet wurde, ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Gegen den Bescheid kann zunächst Widerspruch bei der Behörde eingelegt und bei Erfolglosigkeit Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Die Zivilgerichte (Amtsgerichte), die sonst für Mietstreitigkeiten zuständig sind, sind hier nicht die korrekte Instanz.
Keine Kündigung wegen Fehlbelegung
Für betroffene Mieter ist die wichtigste Konsequenz: Die Pflicht zur Zahlung der Abgabe oder die bloße Tatsache des gestiegenen Einkommens berechtigt den Vermieter nicht zur
Kündigung des Mietverhältnisses. Das Mietverhältnis bleibt unangetastet, solange die vertraglich geschuldete Miete (Kostenmiete) an den Vermieter gezahlt wird.
Selbst die Nichtzahlung der festgesetzten Fehlbelegungsabgabe an die Behörde stellt keinen Kündigungsgrund dar, solange die Miete pünktlich fließt. Die Abgabe wird nicht als Teil der Miete betrachtet. Die Behörde muss die ausstehende Abgabe wie andere öffentliche Forderungen, beispielsweise Steuerschulden, im Wege der Zwangsvollstreckung (Vollstreckungsmaßnahmen) beitreiben.
Die Einnahmen aus der Abgabe sind zweckgebunden. Die Länder und Gemeinden, die sie erheben, dürfen die Mittel ausschließlich wieder für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus verwenden, etwa für den Bau neuer Sozialwohnungen, die Modernisierung bestehender Bestände oder den Erwerb von Belegungsrechten.
Für Wohnungsunternehmen und Vermieter in der sozialen Wohnungswirtschaft bedeuten unterschiedliche Landesregelungen zur Fehlbelegungsabgabe einen erheblichen Verwaltungsaufwand. In der Praxis sind regelmäßig Melde- und Auskunftspflichten gegenüber der öffentlichen Hand zu beachten. Mieter sind verpflichtet, auf Anforderung Nachweise über ihr aktuelles Einkommen zu erbringen. Unterbleibt dies, kann eine Schätzung zugrunde gelegt werden.
Abgrenzung zu Kündigung und anderen Ausgleichszahlungen
Die Fehlbelegungsabgabe als „Erkauf“ des Wohnrechts ist strikt von anderen rechtlichen Konsequenzen einer Fehlbelegung zu trennen. Zwar schützt die Abgabe den Mieter vor dem Auszug, jedoch ist eine Kündigung im Zusammenhang mit einer Fehlbelegung nicht gänzlich ausgeschlossen, sie knüpft aber an andere Voraussetzungen an.
So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Vermieter einer Sozialwohnung kündigen kann, wenn der Mieter die Wohnung unberechtigt nutzt (also von Anfang an oder nachträglich nicht mehr zum berechtigten Personenkreis gehört) und die zuständige Behörde vom Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses verlangt. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn dem Vermieter Nachteile drohen, etwa der Widerruf der öffentlichen Mittel, sollte er das Mietverhältnis mit dem Nichtberechtigten fortsetzen. Das Amtsgericht München (AG München, 10.06.2021 - Az:
472 C 2064/20) deutete in einer Entscheidung sogar an, dass das vorsätzliche Verschweigen des Wegfalls der sozialen Förderungsberechtigung durch den Mieter in den Bereich eines strafrechtlich relevanten Sozialförderungsbetrugs nach § 263 StGB rücken könne, was eine außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses rechtfertigen könne.
Ebenfalls abzugrenzen ist die einkommensbasierte Fehlbelegungsabgabe von Ausgleichszahlungen, die wegen einer sogenannten Unterbelegung verlangt werden. Eine Unterbelegung liegt vor, wenn eine Wohnung für die verbliebene Anzahl der Haushaltsmitglieder zu groß geworden ist. Verlangt die Behörde in einem solchen Fall eine Ausgleichszahlung vom Vermieter, kann dieser die Kosten nicht ohne Weiteres an den Mieter weiterreichen. Das Amtsgericht Hamburg-Blankenese (AG Hamburg-Blankenese, 04.07.2007 - Az:
508 C 68/07) entschied, dass ein bloßer Hinweis im
Mietvertrag, es handele sich um öffentlich geförderten Wohnraum, nicht ausreiche. Der Vermieter hätte den Mieter vielmehr eindeutig und vertraglich auf die spezifischen finanziellen Folgen einer künftigen Unterbelegung hinweisen müssen, um einen Erstattungsanspruch zu begründen.