Bei einem offenen Investmentfonds wird das Anlagevermögen durch eine Investmentgesellschaft (Kapitalanlagegesellschaft) in einem Sondervermögen gebündelt und nach vorher festgelegten Anlageprinzipien in einem oder mehreren Anlagebereichen investiert. Die Anteilscheine, die die Anleger erwerben, können in der Regel an jedem Börsentag zum gültigen Rücknahmepreis gehandelt werden. Der Halter von Investmentfondsanteilen wird Miteigentümer am Fondsvermögen und hat einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung sowie auf Anteilsrückgabe zum jeweils gültigen Rücknahmepreis. Der Anteilswert bemisst sich nach dem Wert des gesamten Fondsvermögens, dividiert durch die Anzahl der ausgegebenen Anteile. Das Fondsvermögen ist rechtlich als Sondervermögen ausgestaltet. Das hat zur Folge, dass die Anlagen streng vom Vermögen der Investmentgesellschaft getrennt gehalten werden, sodass die Anlagen der Anleger selbst bei einer Insolvenz der Kapitalanlagegesellschaft geschützt sind. Das Sondervermögen verändert sich durch Einlagen, Rückerstattungen, Kursänderungen, Dividenden- und/oder Zinsgewinne.
Offene Investmentfonds müssen einmal jährlich einen Jahresbericht erstellen und halbjährlich einen Halbjahresbericht. Kennzeichnend für offene Investmentfonds ist, dass Anleger jederzeit Anteile erwerben oder zurückgeben können.
Das Sondervermögen als Grundlage des Anlegerschutzes
Das Kernstück der rechtlichen Absicherung von Anlegern in offene Investmentfonds ist das Sondervermögen. Dieses zentrale Prinzip des deutschen Investmentrechts ist im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) verankert. Gemäß § 92 KAGB ist das Sondervermögen ein Vermögen, das von dem Vermögen der Investmentgesellschaft rechtlich getrennt ist und im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Anleger, verwaltet wird. Diese Trennung bedeutet, dass die Vermögenswerte, die dem Fonds zugerechnet werden, nicht Teil der Insolvenzmasse der Investmentgesellschaft werden, sollte diese zahlungsunfähig werden. Folglich können Gläubiger der Kapitalanlagegesellschaft nicht auf das Fondsvermögen zugreifen.
Diese rechtliche Konstruktion garantiert einen hohen Schutzstandard für die Anleger. Das Sondervermögen steht unter der Obhut einer sogenannten Verwahrstelle, in der Regel einer spezialisierten Großbank. Die Verwahrstelle hat die Aufgabe, die Vermögenswerte des Fonds zu verwahren, die Liquidität des Fonds sicherzustellen und die Geschäftstätigkeit der Investmentgesellschaft zu überwachen. Sie prüft unter anderem, ob die Transaktionen der Investmentgesellschaft im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben und den Anlagebedingungen des Fonds stehen. Die strikte Trennung von Investmentgesellschaft und Verwahrstelle, wie sie im KAGB vorgeschrieben ist, dient als zusätzliche Sicherungsebene für das Vermögen der Anleger.
Rechte und Pflichten des Anlegers als Miteigentümer
Wer Anteile an einem offenen Investmentfonds erwirbt, wird nicht Eigentümer der einzelnen Wertpapiere, Immobilien oder sonstigen Vermögenswerte, sondern Miteigentümer am gesamten Fondsvermögen. Dieses Miteigentum äußert sich in einer Vielzahl von Rechten, die den Anlegern zustehen. Ein grundlegendes Recht ist der Anspruch auf Gewinnbeteiligung. Das bedeutet, dass Erträge wie Dividenden, Zinsen oder realisierte Kursgewinne den Anlegern entweder als Ausschüttung zufließen oder im Fonds verbleiben und reinvestiert werden (sogenannte thesaurierende Fonds).
Ein weiteres Recht ist der Anspruch auf Rückgabe der Anteile an die Investmentgesellschaft. Bei den meisten offenen Fonds ist die Rückgabe jederzeit an Börsentagen möglich, wobei der Rücknahmepreis dem aktuellen Wert des Anteils (Net Asset Value, NAV) entspricht. Dieser wird täglich neu berechnet. Der NAV ist der Gesamtwert des Fondsvermögens abzüglich der Verbindlichkeiten, dividiert durch die Anzahl der ausgegebenen Anteile.
Des Weiteren haben Anleger einen Anspruch auf regelmäßige Information. Investmentgesellschaften sind verpflichtet, Jahres- und Halbjahresberichte zu veröffentlichen, die detaillierte Angaben zur Wertentwicklung, zur Vermögensaufstellung, zu den Kosten und zur Ertragslage des Fonds enthalten. Vor der Investition muss dem Anleger zudem ein Dokument mit Wesentlichen Anlegerinformationen (WAI) zur Verfügung gestellt werden, das die Hauptmerkmale, Risiken und Kosten des Fonds kompakt zusammenfasst.
Steuerung durch die Kapitalanlagegesellschaft und die Rolle der BaFin
Die Kapitalanlagegesellschaft (KAG) ist das Herzstück des Fondsmanagements. Sie trifft die Investmententscheidungen gemäß den im Verkaufsprospekt und den Anlagebedingungen festgelegten Prinzipien. Die KAG hat die Pflicht, im besten Interesse der Anleger zu handeln. Die Einhaltung dieser Vorgaben und der gesetzlichen Regelungen wird von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht. Die BaFin erteilt die Genehmigung für die Auflage von Fonds und stellt sicher, dass die KAGB-Vorgaben eingehalten werden, was wiederum dem Schutz der Anleger dient.
Besonderheiten bei offenen Immobilienfonds
Eine wichtige Ausnahme von der Regel der jederzeitigen Rückgabe bilden offene Immobilienfonds. Bei dieser Fondsart investiert die Investmentgesellschaft in Immobilien und ist als Eigentümerin der Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Die Anleger besitzen lediglich Anteile an diesem Sondervermögen, nicht jedoch die einzelnen Immobilien.
Aufgrund der mangelnden Liquidität von Immobilien unterliegen diese Fonds speziellen gesetzlichen Regelungen, die im § 255 KAGB normiert sind. Um eine geordnete Liquidität der Fonds zu gewährleisten und eine Massenflucht von Anlegern zu verhindern, die den Fonds zu notleidenden Verkäufen zwingen würde, wurden eine Mindesthaltefrist von 24 Monaten sowie eine Kündigungsfrist von 12 Monaten eingeführt. Das bedeutet, dass Anteile erst nach einer Haltedauer von mindestens zwei Jahren zurückgegeben werden können und Anleger ihre Anteile zwölf Monate im Voraus kündigen müssen. Diese Regelungen sollen die Stabilität der Fonds sichern und die Anleger vor unkontrollierten Wertverlusten schützen.
Besteuerung von offenen Investmentfonds nach dem InvStG
Die Besteuerung von offenen Investmentfonds wurde mit der Investmentsteuerreform 2018 grundlegend neu geordnet. Seitdem werden Investmentfonds auf Ebene des Fonds besteuert (Fonds-Besteuerung) und Anleger zahlen auf ihre Erträge eine sogenannte Abgeltungsteuer von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.
Eine wichtige Neuerung war die Einführung der Teilfreistellung. Bei bestimmten Fondsarten wie zum Beispiel Aktienfonds oder Mischfonds werden die steuerpflichtigen Erträge der Anleger pauschal um einen bestimmten Prozentsatz reduziert. Bei Aktienfonds beträgt die Teilfreistellung in der Regel 30 Prozent, was bedeutet, dass nur 70 Prozent der Erträge versteuert werden müssen.
Für thesaurierende Fonds, die ihre Gewinne nicht ausschütten, wurde die Vorabpauschale eingeführt. Diese dient dazu, auch die während des Jahres im Fonds verbleibenden Erträge zu besteuern, auch wenn sie nicht ausgeschüttet wurden. Die Vorabpauschale wird jährlich auf Basis eines Basiszinses berechnet und vom Fonds dem Anleger gemeldet. Dadurch wird sichergestellt, dass die Besteuerung von thesaurierenden und ausschüttenden Fonds in etwa gleichwertig ist.
Risiken und Aufsicht durch die BaFin
Trotz des hohen Maßes an Anlegerschutz durch das Sondervermögen und die Regulierung durch das KAGB bleiben Risiken bestehen. Das größte Risiko ist das Marktrisiko: Der Wert der im Fonds enthaltenen Anlagen kann fallen, was zu einem Verlust für den Anleger führen kann. Das Fondsvermögen ist nicht vor Wertschwankungen an den Kapitalmärkten geschützt.
Ebenso kann es zu einem Liquiditätsrisiko kommen, insbesondere bei illiquiden Anlagen wie Immobilien. Auch das Währungsrisiko spielt eine Rolle, wenn ein Fonds in fremden Währungen investiert.
Die BaFin spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufsicht über die Investmentfonds und die Kapitalanlagegesellschaften. Sie prüft die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und trägt damit zur Stabilität und Transparenz des Finanzmarktes bei. Obwohl die BaFin keine Garantie für die Performance eines Fonds geben kann, gewährleistet ihre Aufsicht, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz der Anleger eingehalten werden.