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Popularklage Einreise-Quarantäneverordnung (EQV)

Firmen / Gewerbe | Lesezeit: ca. 22 Minuten

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Die Antragstellerin begehrt mit ihrer am 12. November 2020 erhobenen Popularklage die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 1 der vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassenen Verordnung über Quarantänemaßnahmen für Einreisende zur Bekämpfung des Coronavirus
(Einreise-Quarantäneverordnung – EQV) vom 5. November 2020, die zuletzt durch § 2 der Verordnung vom 5. Mai 2021 (BayMBl Nr. 307) geändert und durch § 1 der Verordnung vom 14. Mai 2021 (BayMBl Nr. 336) aufgehoben worden ist.

I.

Im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 4 Abs. 1 EQV am 9. November 2020 waren nach der Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts (RKI) als Risikogebiete unter anderem die an Bayern grenzenden Staaten Tschechien sowie Österreich mit Ausnahme der Gemeinden Jungholz und Mittelberg/Kleinwalsertal ausgewiesen.

Mit Beschluss vom 24. November 2020 Az. 20 NE 20.2605 (juris) setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf den Normenkontrolleilantrag österreichischer Staatsbürger hin die angegriffene Bestimmung vorläufig außer Vollzug. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Nach summarischer Prüfung sei § 4 Abs. 1 EQV voraussichtlich unwirksam. Es sei bereits fraglich, auf welche Rechtsgrundlage die Testpflicht für sogenannte Grenzgänger nach § 4 Abs. 1 EQV gestützt werden könne und bereits deswegen dürfte sich § 4 Abs. 1 EQV in einem Hauptsacheverfahren als unwirksam erweisen. Zudem könne sich die wöchentliche Testpflicht für Grenzgänger im Ergebnis als unverhältnismäßig erweisen. Der weitere Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren lasse Nachteile befürchten, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragsteller, betroffener Dritter und der Allgemeinheit so gewichtig seien, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar sei. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2020 - Az: 20 N 20.2606 - stellte der Bayerische Verwaltungsgerichthof in der Normenkontrollhauptsache das Verfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der dortigen Beteiligten ein.

Bereits am 29. November 2020 hatte das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege durch § 1 der Verordnung zur Änderung der Einreise-Quarantäneverordnung deren Geltungsdauer bis 20. Dezember 2020 verlängert und zugleich durch § 2 Nrn. 4 und 5 Buchst. d mit Wirkung zum 1. Dezember 2020 die §§ 4 und 5 Nr. 7 EQV aufgehoben. In der Begründung der Änderungsverordnung (BayMBl Nr. 682 S. 3) ist ausgeführt, mit der Aufhebung des § 4 EQV werde der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. November 2020 - Az: 20 NE 20.2605 - nachvollzogen. Entsprechende Regelungen über eine Testpflicht von Grenzgängern wurden seitdem nicht mehr erlassen. Durch die Verordnung zur Aufhebung der Einreise-Quarantäneverordnung vom 14. Mai 2021 (BayMBl Nr. 336) wurde die Einreise-Quarantäneverordnung vom 5. November 2020 insgesamt aufgehoben.

II.

Die Antragstellerin ist ein mittelständisches Unternehmen, deren Arbeitnehmer ihren Wohnort teilweise in Österreich und ihren Arbeitsplatz in Bayern haben oder umgekehrt. Sie rügt mit ihrer Popularklage, § 4 Abs. 1 EQV verletze die Grundrechte aus Art. 118 Abs. 1 BV (Gleichheitssatz), Art. 101 i. V. m. Art. 99 Satz 1 und Art. 100 BV (körperliche Unversehrtheit) sowie Art. 101 BV (Berufsfreiheit).

1. Die Popularklage sei trotz des Außerkrafttretens dieser Regelung zulässig. Andernfalls könne der Normgeber rechtswidrige Vorschriften zügig durch neue Regelungen ersetzen, um gerichtlichen Verfahren den Boden zu entziehen. Dies würde zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes führen. Zudem würden nach Medienberichten (vom Februar 2021) einreisewillige Personen aus Risikogebieten an der Einreise nach Bayern gehindert, wofür es keine Rechtsgrundlage gebe.

2. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz sei verletzt, weil § 4 Abs. 1 EQV ohne ausreichende Rechtfertigung eine ungleiche Behandlung von verschiedenen Personengruppen vorsehe. Von der Testpflicht erfasst seien nur sog. Grenzgänger, die zum Zweck ihrer Berufsausübung, ihres Studiums oder ihrer Ausbildung aus dem Ausland nach Bayern „pendelten“. Nicht erfasst seien hingegen sog. Grenzpendler, die in Bayern wohnten, aber im Ausland arbeiteten, sowie Personen, die aus einem innerhalb Bayerns gelegenen Risikogebiet in einen anderen Teil Bayerns oder in ein anderes Bundesland reisten. Ebenso seien nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EQV Personen von der Testpflicht ausgenommen, die sich weniger als 24 Stunden aus nicht-beruflichen Gründen in einem Risikogebiet im Ausland aufgehalten hätten. Damit werde wesentlich Gleiches unterschiedlich behandelt. Indirekt würden Personen mit Wohnsitz im Ausland gegenüber Personen mit Wohnsitz im Inland benachteiligt. Es liege eine Wohnsitzdiskriminierung vor. Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Der Wohnsitz und die bloße Unterscheidung zwischen In- und Ausland sowie Risiko- und Nichtrisikogebiet sei kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Testpflicht, weil nicht auf Inzidenzzahlen abgestellt werde. Die Testpflicht greife auch bei Einreise aus einem risikobehafteten ausländischen Gebiet, in dem die Inzidenzzahl niedriger liege als in Bayern. Zudem würden sich die meisten Infektionen nicht am Wohnort, sondern bei anderen Begebenheiten des täglichen Lebens ereignen. Die Ungleichbehandlung könne auch deswegen nicht gerechtfertigt sein, weil § 4 Abs. 1 EQV dem EU-Recht widerspreche. Die Regelung beeinträchtige die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 Abs. 1, 3 Buchst. b AEUV) und das Niederlassungsrecht der Unionsbürger (Art. 49 Abs. 1 Satz 1 AEUV). Zudem liege eine indirekte Ausländerdiskriminierung in Form der Wohnsitzdiskriminierung und damit ein Verstoß gegen das Gleichberechtigungsgebot aus Art. 18 AEUV vor. Im Übrigen sei die Regelung unverhältnismäßig, da bereits mit der allgemeinen Maskenpflicht im Freistaat Bayern für ausreichende Sicherheit gesorgt sei.

3. Die Testpflicht verletze das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Das Einführen des Teststäbchens in Rachen und Nase stelle einen Eingriff dar, weil es mit unangenehmen Empfindungen bis hin zu Schmerzen verbunden sei. Insbesondere im Rachenbereich könne es zu einem Würgereflex kommen. Die Anordnung von Tests möge zwar aus Gründen des allgemeinen Gesundheitsschutzes und der Pandemieprävention gerechtfertigt sein. Es sei aber nicht ersichtlich, dass die massenhafte Testung von Berufspendlern hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten könne. Der Grenzübertritt sei kein Kriterium, das eine erhöhte Infektionsgefahr indiziere.

4. Ebenso sei das Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt. Bei § 4 Abs. 1 EQV handle es sich um eine Norm mit berufsregelnder Tendenz, da die Testpflicht an die Ausübung eines Berufs unter der zusätzlichen Voraussetzung eines Grenzübertritts anknüpfe. Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass die Einschränkung von berufsbezogenen Grenzübertritten einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten könne.

5. Die Antragstellerin hat ihre Popularklage mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden. Dem Hinweis des Verfassungsgerichtshofs vom 25. November 2020, dass sich durch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. November 2020, mit dem die angegriffene Rechtsvorschrift vorläufig außer Vollzug gesetzt wurde, der Eilantrag im verfassungsgerichtlichen Verfahren erledigt habe, ist die Antragstellerin nicht entgegengetreten.

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