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Betriebsschließungsversicherung und die Corona-Pandemie

Firmen / Gewerbe | Lesezeit: ca. 31 Minuten

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung, welche der Kläger bei der Beklagten abgeschlossen hat.

Der Kläger betreibt eine Gaststätte. Im Frühjahr 2015, vor der Eröffnung der Gaststätte im April 2015 (AS 141), schlossen die Parteien unter der Versicherungsscheinnummer FKA …-… einen Versicherungsvertrag, der unter anderem auch eine Betriebsschließungsversicherung (“Genuss-Police“) beinhaltete. Versicherungsbeginn war im Frühjahr 2015.

In den zugehörigen Versicherungsbedingungen (im Weiteren auch allgemein „AVB“ genannt), die den Stand „01.07.2009“ aufweisen, heißt es unter anderem:

„§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren

1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz — lfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;

[…]

2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:

a) Krankheiten

[es folgt eine Aufzählung von 18 Krankheiten, welche COVID-19 (und andere Coronavirus-Erkrankungen) nicht enthält und weder der ursprünglichen Gesetzesfassung des IfSG vom 1. Juli 2000 noch der vom 29. März 2013 bis zum 24. Juli 2017 geltenden Fassung entspricht]

b) Krankheitserreger

[es folgt eine Aufzählung von 49 Krankheitserregern, welche SARS-CoV-2 (und andere Coronaviren) nicht enthält und weder der ursprünglichen Gesetzesfassung des IfSG vom 20. Juli 2000 noch der vom 29. März 2013 bis zum 24. Juli 2017 geltenden Fassung entspricht]“

Vereinbart war eine Versicherung für maximal 30 Tage einer Betriebsschließung, wobei je Tag auf Basis des Sachversicherungswertes eine Versicherungssumme von 330,13 EUR vereinbart war. Wegen der Einzelheiten dieser Berechnung wird auf Aktenseite 8 sowie die in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.

In einer „Beratungsmappe“ zu der „Genuss-Police“, welche als Datum „6/2015“ ausweist (Anlage K 3), heißt es unter anderem:

„Die Seuchengefahr durch Infektionskrankheiten hat in den letzten Jahren – unter anderem durch die stark gestiegene Anzahl von Salmonellenerkrankungen – immer mehr zugenommen. Und durch den immer beliebter werdenden Ferntourismus steigt die Gefahr, dass gefährliche Krankheitserreger zu uns gelangen.

[…]

Über 40 meldepflichtige Krankheiten bzw. Krankheitserreger nennt das Gesetz, dessen erklärtes Ziel es ist, Infektionskrankheiten frühzeitig zu erkennen und damit schnell und zielgenau bekämpfen zu können. Gegenstand der Betriebsschließungsversicherung sind alle in den §§ 6 und 7 IfSG genannten Krankheiten bzw. Krankheitserreger:

[…]

Wir leisten bei behördlich angeordneten Maßnahmen bei Gefährdung durch Seuchenherde. […]“

Als Beispiele für drohende Gefahren werden in dieser Beratungsmappe etwa eine Hepatitsinfektion des Wirtes im Urlaub oder die Salmonellenerkrankung eines Angestellten genannt.

Infolge der Ausbreitung des SARS-CoV-2 Virus verfügte die Landesregierung Baden-Württemberg mit Wirkung zum 21. März 2020 durch Änderung der Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (CoronaVO) unter anderem die Schließung von Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen. Die Schließung wurde nach der entsprechenden Verordnung (vorläufig) bis zum 19. April 2020 befristet und dann schrittweise bis zum 20. Mai 2020 verlängert. In der Folge musste auch die Gaststätte des Klägers geschlossen werden, wobei allerdings ein Außer-Haus-Verkauf sowie ein Abhol- und Lieferdienst weiterhin möglich blieben.

Am 30. März 2020 meldete der Kläger der Beklagten den Eintritt eines Versicherungsfalls. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab und bot dem Kläger allenfalls unverbindlich 1.500,00 EUR im Vergleichswege an.

Der Kläger macht nun die Versicherungssumme für 30 Kalendertage Betriebsschließung geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, ein Versicherungsfall in Form einer behördlichen Betriebsschließung aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (IfSG) liege vor. Unter die meldepflichtigen Krankheiten nach § 1 Ziff. 2 a) der Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung falle auch COVID-19, selbst wenn diese Krankheit nicht ausdrücklich genannt sei. Es finde das Infektionsschutzgesetz in der Fassung Anwendung, die bei Eintritt des Schadensfalls gelte. Das SARS-CoV-2-Virus falle unter § 7 Abs. 2 IfSG. Da bereits nach der CoronaV/MeldeV vom 30.1.2020 eine Corona-Virus-Erkrankung meldepflichtig gewesen sei und die Maßnahmen der Landesregierung auf das IfSG gestützt gewesen seien, liege ein Versicherungsfall vor.

Wenn die Beklagte gewollt habe, dass nur bei einer Betriebsschließung wegen der unter § 1 Ziff. 2 a) der Vertragsbedingungen namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger der Versicherungsfall gegeben sein sollte, hätte sie in die Versicherungsbedingungen nicht die Verweisung auf § 6 und § 7 IfSG aufnehmen dürfen. Diesen Verweis könne ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs nur als dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des Gesetzes verstehen. Im Übrigen ginge ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer aufgrund der Bezeichnung der Versicherung ohnehin davon aus, dass sämtliche Betriebsschließungen versichert seien.

Es handle sich bei dieser Regelung um unklare Allgemeine Versicherungsbedingungen, wobei Zweifel zu Lasten des Verwenders gingen. Auch sei ein Ausschluss bestimmter Krankheiten überraschend für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, da ein durchschnittlicher Gastronom die berechtigte Erwartung habe, bei jeder behördlichen Schließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes versichert zu sein.

Schließlich hafte die Beklagte jedenfalls aufgrund irreführender Werbeaussagen in der vorgelegten Broschüre.

Er beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 9.903,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. April 2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, ihn von den Kosten des vorprozessualen Tätigwerdens seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von EUR 1.191,80 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28. Mai 2020 der Klage freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, angesichts der katalogmäßigen Auflistung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger sei unzweideutig erkennbar, dass lediglich eine Betriebsschließung aufgrund eines Auftretens dieser Krankheiten oder Krankheitserreger zu einem Versicherungsfall führe. Die Beklagte habe bewusst keine Zusage für jedwede – bei Vertragsschluss noch nicht absehbare – Betriebsschließung aufgrund des IfSG geben wollen.

Im Übrigen unterfalle eine Betriebsschließung aufgrund einer Pandemie bereits nicht dem Zweck einer Betriebsausfallversicherung, da diese stets eine individuelle Betriebsschließung vor Augen habe.

Die Broschüre sei für das vorliegende Vertragsverhältnis nicht maßgeblich. Überraschende oder irreführende Klauseln lägen nicht vor.

Schließlich habe sich die Klägerin von Dritten erhaltene Mittel, namentlich aus öffentlich-rechtlichen Entschädigungsleistungen, anrechnen zu lassen.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Mangels Erwähnung von SARS-CoV-2 oder COVID-19 (bzw. allgemein von Coronaviren oder hierauf zurückzuführenden Erkrankungen) in der Auflistung der Versicherungsbedingungen liegt bereits kein Versicherungsfall vor.

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