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Betriebsuntersagung aufgrund zu großer Verkaufsfläche - Infektionsschutz

Firmen / Gewerbe | Lesezeit: ca. 30 Minuten

Es wird vorläufig festgestellt, dass der Betrieb des Textileinzelhandelsgeschäfts der Antragstellerin mit einer Verkaufsfläche von 240,90 m² im Einkaufszentrum „K…“, A…, nicht gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 2 der 3. BayIfSMV untersagt ist.

Hierzu führte das Gericht u.a. aus:

Die Antragstellerin, Betreiberin eines Textileinzelhandelsgeschäfts mit einer Verkaufsfläche von 240,90 m², begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass die Öffnung ihres nicht nach § 4 Abs. 4 Nr. 2 der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 1.5.2020 (3. BayIfSMV - BayMBl. 2020 Nr. 239 vom 1.5.2020) privilegierten Ladengeschäftes mit einer Verkaufsfläche von 240,90 m² möglich ist.

Am 1.5.2020 hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege auf der Grundlage des § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) die Dritte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) erlassen, die gemäß § 12 der BayIfSMV am 4.5.2020 in Kraft getreten ist. Diese Verordnung löst die Zweite Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 16.4.2020 (2. BayIfSMV - BayMBl. 2020 Nr. 205 vom 16.4.2020) ab, die wiederum letztmalig durch die Verordnung zur Änderung der Zweite Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 28.4.2020 (BayMBl. 2020 Nr. 225 vom 28.4.2020) mit Wirkung vom 29.4.2020 geändert worden ist.

Die Regelungen zu Betriebsuntersagungen finden sich nun in § 4 der 3. BayIfSMV.

§ 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der 3. BayIfSMV lautet:

Für Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser des Einzelhandels gilt:


2. Es dürfen höchstens 800 m² Verkaufsfläche geöffnet werden; dies gilt nicht für Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Getränkemärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, Kfz-Handel, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten und Reinigungen.

Die Antragstellerin betreibt ein Textileinzelhandelsgeschäft …, A… Das Textileinzelhandelsgeschäft mit einer Verkaufsfläche von 240,90 m² befindet sich im Gebäudekomplex des K… A… (Gewerbegebiet Ost). Das K… A… (Einkaufspark) umfasst neben dem eigentlichen Lebensmittelgeschäft K… auch weitere Ladengeschäfte wie zum Beispiel das Textileinzelhandelsgeschäft …, eine Apotheke, eine Bäckerei, das Schuhgeschäft … sowie das Ladengeschäft der Antragstellerin.

Die Antragstellerin hat das Ladengeschäft nach eigenen Angaben von der K… GmbH & Co. KG gemietet. K… sei nicht übergeordneter Betreiber des Einkaufszentrums, sondern lediglich Vermieter, sodass sich die vertraglichen Beziehungen zwischen der Antragstellerin und K… ausschließlich aus dem Mietverhältnis ergeben würden. Es gebe darüber hinaus insbesondere keinen gemeinsamen Werbeauftritt der im K… befindlichen Einzelhändler. Jedes Ladengeschäft sei für sich genommen selbstverantwortlich und könne eigenständig über geschäftsspezifische Angelegenheiten ohne Rücksprache mit anderen Geschäften entscheiden.

Das K… befindet sich nicht in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt, sondern im Gewerbegebiet Ost, welches ca. 3 km von der Innenstadt A… entfernt liegt.

Da die Verkaufsfläche des Ladengeschäfts der Antragstellerin am genannten Standort lediglich 240,90 m² aufweist, hat die Antragstellerin ihr Ladengeschäft am 27.4.2020 geöffnet. Gegen 13:30 Uhr des selbigen Tages ist die Antragstellerin von der Polizeiinspektion A… auf Betreiben der Antragsgegnerin aufgefordert worden, das Ladengeschäft zu schließen. Als Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Ladengeschäft der Antragstellerin um ein Kaufhaus handeln würde und dieses nach der damals geltenden 2. BayIfSMV geschlossen bleiben müsse. Die Antragstellerin hat ihr Ladengeschäft geschlossen.

Die Antragstellerin wendete sich daraufhin am 28.4.2020 mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Verwaltungsgericht. Was die Verordnung hinsichtlich Einkaufszentren regele, sei fraglich. Die Antragstellerin habe durchaus Verständnis für die Beschränkungen von Handelsbetrieben, um eine Ausbreitung des Virus einzudämmen. Sie habe jedoch kein Verständnis dafür, dass hinsichtlich der Lage von Einzelhandelsbetrieben geradezu willkürlich unterschiedliche Regelung getroffen werden, zumal die Gefährdungslage bei Textileinzelhandelsgeschäften im Einkaufszentrum gewiss nicht höher sei als in einem Textileinzelhandelsgeschäft in der Fußgängerzone oder in einer Einkaufs straße. Die Antragstellerin habe bislang durch die Schließung im Zeitraum vom 18.3.2020 bis 27.4.2020 einen Totalverlust des Umsatzes erlitten. Die weitere Aufrechterhaltung der Schließung würde diesen Totalverlust ausweiten. Da die Betriebsausgaben für das Textileinzelhandelsgeschäft weiterlaufen würden, befinde sich die Antragstellerin in einer existenzbedrohlichen Lage. Die Antragstellerin ist der Auffassung, sie habe bereits einen Anordnungsanspruch aufgrund der Ungleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege habe das ihm zustehende Verordnungsermessen mit Blick auf die von ihm getroffene Differenzierung zwischen Geschäften des Einzelhandels außerhalb von Einkaufszentren und innerhalb von Einkaufszentren, die nicht öffnen dürften, überschritten. Das zur Begründung für die Ungleichbehandlung herangezogene Argument, dass große Einkaufshäuser Menschenmassen anziehen würden, könne im Fall der Antragstellerin nicht gelten. Das Textileinzelhandelsgeschäft der Antragstellerin befinde sich zwar in einem Einkaufspark, hierbei handele es sich aber nicht um einen anziehenden Einkaufsort. Vielmehr locke in A… die Innenstadt mit einer großen zentralen Einkaufs straße sowie kleineren Seitenstraßen. Im Vergleich zu den Innenstadtlagen von A… verfüge das Einkaufszentrum über eine eher geringe Anziehungskraft im Einzugsgebiet. Nach der Rechtsprechung des BVerwG könne ein Einkaufszentrum gar keine Gesamtverkaufsfläche von weniger als 800 m² aufweisen. Ein unter dieser Schwelle liegendes Einkaufszentrum sei schlichtweg nicht denkbar. Somit läge ein redaktioneller Fehler in der Verordnung vor. Die angegriffene Bestimmung der 3. BayIfSMV sei auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar. Es gebe für die Antragstellerin weniger einschneidende Maßnahmen, die die Gesundheit in gleicher Weise gewährleisten könnten.

Schließlich trägt die Antragstellerin vor, dass Ladengeschäfte in Einkaufszentren zusätzliche Regelungen zum Infektionsschutz deutlich einfacher und effektiver einhalten könnten als Ladengeschäfte in Einkaufsstraßen der Innenstädte. Dort sei es im Gegensatz zu einem Einkaufszentrum gerade nicht möglich, die Personenanzahl auf den Straßen zu regulieren, um so den vorgeschriebenen Mindestabstand zwischen 2 Personen gewährleisten zu können.

Hinsichtlich der örtlichen Begebenheiten führt die Antragstellerin aus, dass es sich bei dem K… in A… nicht um ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO, sondern vielmehr um eine Agglomeration von funktional selbstständigen Einzelhandelsgeschäften handle. Folglich sei von einem großflächigen Einzelhandel im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO auszugehen.

Mit Schreiben vom 29.4.2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, legte die Antragstellerin ihr Infektionsschutzkonzept vor, welches sie selbst für ihr Ladengeschäft erstellt hat.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass der Betrieb des Textileinzelhandelsgeschäfts der Antragstellerin mit einer Verkaufsfläche von 240,90 m² im Einkaufszentrum „K…“, A…, nicht gemäß § 4 Abs. 4 Nr.2 der 3. BayIfSMV untersagt ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Bei dem Gebäude des K… A… handele es sich gemäß Mitteilung des Bauordnungsamtes um ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO. Der Verordnungsgeber der 3. BayIfSMV habe sich offenkundig an den Regelungen der BauNVO orientiert. Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin, in einem Einkaufszentrum ließe sich die Personenzahl deutlich leichter regulieren als in der Innenstadt, weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass die Antragstellerin als Mieterin in dem Einkaufszentrum auf den Kundenstrom Einfluss nehmen könne.

Zur rechtlichen Begründung führt die Antragsgegnerin aus, sie habe bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags gemäß § 123 VwGO, zumindest sei der Antrag unbegründet. Das Ladengeschäft der Antragstellerin falle nicht unter die Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der 3. BayIfSMV, weshalb eine Öffnung des Einzelhandelsgeschäftes untersagt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.

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