Sorgerecht und
Umgang stellen unterschiedliche Verfahrensgegenstände dar, die nach der eindeutigen gesetzlichen Konzeption in eigenständigen Verfahren zu behandeln und zu entscheiden sind. Schon wegen der Verschiedenheit der Verfahrensgegenstände kann eine gerichtlich gebilligte Umgangsregelung einer Sorgerechtsregelung nicht entgegenstehen oder dieser vorgreiflich sein.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage, ob die im Jahr 2021 vereinbarte und gerichtlich gebilligte Umgangsregelung einer Sorgerechtsentscheidung entgegenstehen könne, ist zu verneinen.
Der Senat hat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung mehrfach darauf hingewiesen, dass Sorgerecht und Umgang unterschiedliche Verfahrensgegenstände darstellen, die nach der eindeutigen gesetzlichen Konzeption in eigenständigen Verfahren zu behandeln und zu entscheiden sind (vgl. BGH, 27.11.2019 - Az:
XII ZB 512/18 und BGH, 19.01.2022 - Az:
XII ZA 12/21). Schon wegen der Verschiedenheit der Verfahrensgegenstände kann eine gerichtlich gebilligte Umgangsregelung einer Sorgerechtsregelung nicht entgegenstehen oder dieser vorgreiflich sein. Während die Sorgerechtsentscheidung nach
§ 1671 BGB eine Regelung der rechtlichen Befugnisse der Elternteile enthält, betrifft eine gerichtliche Umgangsregelung (nur) die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge. Das spiegelt sich auch in deren Rechtsfolgen wider. Während die Sorgerechtsentscheidung rechtsgestaltend wirkt und einer Durchsetzung nicht bedarf, ist eine Umgangsregelung vollstreckbar.
Eine Sorgerechtsregelung, die - wie der angefochtene Beschluss - bei gleichzeitig bestehender Umgangsregelung das Sorgerecht einem Elternteil allein überträgt, wird folglich durch die Umgangsregelung selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn diese im Ergebnis auf eine paritätische Betreuung gerichtet ist. Denn dies ändert nichts am unterschiedlichen Rechtscharakter der beiden Gegenstände. Dementsprechend wird umgekehrt eine Umgangsregelung auch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass der umgangsberechtigte Elternteil nicht (mit-)sorgeberechtigt ist. Es widerspricht folglich nicht der Sorgerechtsentscheidung, wenn der Umgang in diesem Fall vom Familiengericht gegen den Willen des allein Sorgeberechtigten geregelt wird. Vorrangiger Maßstab der jeweiligen Entscheidung zum Sorgerecht wie zum Umgangsrecht ist das im konkreten Fall und bezogen auf den jeweiligen Verfahrensgegenstand festzustellende
Kindeswohl.
Auf die vom Beschwerdegericht für eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf einen Elternteil angeführte Voraussetzung, dass die Eltern das paritätische
Wechselmodell einvernehmlich nicht mehr praktizieren, kommt es demnach nicht an. Ob eine auf das Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung in bestimmten Fallgestaltungen, wenn der umgangsberechtigte Elternteil nicht mitsorgeberechtigt ist, zu einer vorherigen sorgerechtlichen Regelung möglicherweise in sachlichen Widerspruch treten kann, stellt sich als eine im Einzelfall zu beantwortende Frage der inhaltlichen Folgerichtigkeit der im jeweiligen Verfahren zu treffenden Entscheidung dar.