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Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge

Familienrecht | Lesezeit: ca. 24 Minuten

Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine tatbestandlichen Veräußerungen im Sinne des § 23 EStG.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die (teilentgeltliche) Übertragung der Immobilie vom Kläger auf seine Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist nicht als „privates Veräußerungsgeschäft“ gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar. Die Berücksichtigung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 40.655 € in den angefochtenen Bescheiden verletzt den Kläger in seinen Rechten.

1. Auch teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge - jedenfalls unterhalb der historischen Anschaffungskosten wie im Streitfall - sind keine tatbestandlichen Veräußerungen im Sinne des § 23 EStG.

a) Es entspricht bereits der Rechtsprechung des BFH, dass die gänzlich unentgeltliche Übertragung einer Immobilie - also ohne Übernahme von darauf lastenden Verbindlichkeiten - im Wege der vorweggenommenen Erbfolge nicht den Tatbestand des § 23 EStG erfüllt (BFH, 23.04.2021 - Az: IX R 8/20) und zwar selbst dann, wenn die auf diese Weise begünstigten Kinder die Immobilie alsbald weiterveräußern. Die Weiterveräußerung unterfalle dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG und stelle daher ungeachtet einer zeitlichen Nähe zwischen der Übertragung und einer Weiterveräußerung grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO dar.

b) Andererseits hat der Große Senat des BFH entschieden, dass eine solche Übertragung mit der Übernahme von Verbindlichkeiten dazu führt, dass der Erwerber hinsichtlich dieser Übernahme von Verbindlichkeiten Anschaffungskosten zu tragen habe (BFH, 05.07.1990 - Az: GrS 4-6/89). Deshalb sei eine solche Übertragung vor allem zur Ermittlung der AfA-Beträge in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil aufzuteilen.

Der Große Senat erläutert in seinem Beschluss, dass der Übernehmer damit die Lasten des übergehenden Vermögens trage. Damit sei die Übernahme von dinglichen Belastungen, insbesondere von Grundpfandrechten, im allgemeinen aber auch der persönlichen Verbindlichkeiten gemeint. In der Rechtsprechung der Zivilgerichte werde die Übernahme der dinglichen Lasten durch den Beschenkten zwar als „reine“ Schenkung behandelt, weil der Gegenstand so geschenkt werde, wie er beim Übergeber vorhanden ist; in der Übernahme der persönlichen Verbindlichkeit werde dagegen eine Schenkungsauflage gesehen.

In der Übernahme von Verbindlichkeiten des Veräußerers durch den Erwerber lägen in steuerrechtlicher Beurteilung grundsätzlich Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts; die Begleichung der Verbindlichkeit führe zu Aufwendungen des Erwerbers, die er auf sich nimmt, um die Verfügungsmöglichkeit über das Wirtschaftsgut zu erlangen. Dies werde deutlich, wenn die Beteiligten vereinbaren, dass die Verbindlichkeit in Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen werde; werde als Kaufpreis nur der zu entrichtende Barbetrag genannt, sei er um die übernommenen Verbindlichkeiten zu erhöhen. In gleicher Höhe entstehe für den Veräußerer ein als Gegenleistung zu wertender Vorteil, weil er von sonst anfallenden Ausgaben befreit werde.

Demgemäß sei auch bei der Veräußerung eines Betriebes die Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Erwerber zum Veräußerungsentgelt gezählt worden; das gewährte Entgelt könne allein in der Übernahme von Betriebsschulden bestehen. Hiervon sei im Grundsatz ebenfalls auszugehen, wenn ein Wirtschaftsgut unentgeltlich, jedoch unter Übernahme der auf ihm lastenden Verbindlichkeiten übertragen werde. Dabei sei wiederum nicht hinderlich, dass der Übergeber den Vorteil durch eine vom Übernehmer akzeptierte Auflage erhalte; ausschlaggebend sei vielmehr, dass der Übergeber die Vermögensübertragung von der Gewährung des in der Übernahme der Verbindlichkeiten liegenden Vorteils durch den Übernehmer abhängig mache und dadurch ein Entgelt erlange. Im Ergebnis könne es keinen Unterschied machen, ob der Vermögensempfänger den zur Ablösung der Verpflichtung erforderlichen Betrag an den Übergeber zahlt oder ob er die Verpflichtung vom Übergeber übernimmt.

Zu der Übertragbarkeit dieser Vorschrift auf den § 23 EStG in der heutigen Fassung konnte der Große Senat sich noch nicht verhalten, da die aktuelle Rechtslage im Wesentlichen erst ab dem Veranlagungszeitraum 1999 - also weit nach dem vorstehenden Beschluss - eingeführt worden ist. Spätere Verfahren, mit denen eine höchstrichterliche Entscheidung erstritten werden sollte, endeten ohne Urteil.

c) Im Wege der teleologischen Reduktion ist nach Ansicht des Senats auch die teilentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Tatbestand des § 23 EStG auszuscheiden. Steuergegenstand der Regelung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Umsatzgeschäften von Immobilien im Privatvermögen.

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