Scheidung: unkompliziert, günstig und schnell - ➠ jetzt informierenEin Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach
§ 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB scheidet grundsätzlich aus, wenn der Wohnvorteil des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten im Rahmen einer Regelung des
Trennungsunterhalts - sei es durch außergerichtliche Verständigung, durch gerichtlichen Vergleich oder durch gerichtliche Entscheidung - familienrechtlich kompensiert, er insbesondere bei der Unterhaltsbemessung entweder bedarfsmindernd oder die Leistungsfähigkeit erhöhend berücksichtigt worden ist.
Fehlt es an einer solchen Unterhaltsregelung, ist bereits im Ehewohnungsverfahren als Kriterium für die nach § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB gebotene Billigkeitsabwägung in den Blick zu nehmen, ob und gegebenenfalls in welcher Größenordnung dem in der
Ehewohnung verbliebenen Ehegatten bei summarischer Prüfung im Falle der Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung (hypothetische) Ansprüche auf Trennungsunterhalt gegen den weichenden Ehegatten zustehen würden.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Beteiligten sind miteinander verheiratet und leben seit Januar 2020 getrennt. Aus ihrer Ehe ist ein im Jahr 2008 geborener Sohn hervorgegangen. Die Ehegatten sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Reihenhauses in M. mit einer Wohnfläche von 145 qm, welches ihnen vor der Trennung als Ehewohnung diente. Im Sommer 2020 verließ der Ehemann (Antragsteller) das Familienheim und siedelte nach W. über. Im Februar 2021 zog der gemeinsame Sohn nach W. zum Ehemann.
Mit seinem Antrag hat der Ehemann die allein in der Ehewohnung verbliebene Ehefrau auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 1.464,50 € in Anspruch genommen, die er mit Schreiben vom 2. Juni 2021 erstmals geltend gemacht hat. Das Amtsgericht hat dem Ehemann eine Nutzungsentschädigung von monatlich 692 € für die Zeit ab dem 1. Juni 2021 zugesprochen. Gegen diese Entscheidung haben sich beide Beteiligte mit ihren Beschwerden gewendet. Während das Rechtsmittel der Ehefrau erfolglos geblieben ist, hat das Oberlandesgericht die amtsgerichtliche Entscheidung auf die Beschwerde des Ehemanns unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und die für die Zeit ab dem 1. Juni 2021 zu zahlende Nutzungsentschädigung auf monatlich 805,60 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, die weiterhin eine vollständige Antragsabweisung erstrebt.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt: Ob eine Nutzungsentschädigung zu bezahlen sei, richte sich nach den Grundsätzen der Billigkeit. Eine Nutzungsentschädigung scheide regelmäßig nur dann aus, wenn der in der Ehewohnung verbliebene Ehegatte nicht ausreichend leistungsfähig sei oder zwischen den Einkommensverhältnissen der Ehegatten ein besonders großes Ungleichgewicht bestehe. Letzteres sei weder vorgetragen noch ersichtlich, ohne dass es für diese Beurteilung einer genauen Ermittlung des vom Ehemann erzielten Einkommens bedürfe. Selbst wenn die Behauptungen der Ehefrau zu dessen Einkommensverhältnissen zuträfen, entspräche die Zuerkennung einer Nutzungsentschädigung der Billigkeit. Denn die Ehefrau sei leistungsfähig. Sie verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.359,66 €. Nach Abzug der von ihr genannten Belastungen und des gezahlten Kindesunterhalts verblieben ihr jedenfalls noch monatlich 1.370 €. Davon könne sie die Nutzungsentschädigung bezahlen, zumal diese lediglich den Wohnwert kompensiere, der ihr durch die Nutzung des hälftigen Miteigentumsanteils des Ehemanns zufließe.
Grundlage des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung sei der objektive Mietwert der Ehewohnung, der mit monatlich 1.840 € zu schätzen sei. Die Hälfte dieses Mietwerts stehe dem Ehemann als Nutzungsentschädigung zu. Allerdings müssten von diesem Betrag noch die von der Ehefrau allein getragenen Hausdarlehen gegenüber der C.-Bank in Höhe von monatlich 228,79 € zur Hälfte abgezogen werden. Die ab Juni 2021 zu zahlende Nutzungsentschädigung betrage somit 805,60 €.
Der Ehefrau sei nach Erhalt des Aufforderungsschreibens vom 2. Juni 2021 keine mehrmonatige Bedenkzeit einzuräumen gewesen, in der eine Nutzungsentschädigung nicht verlangt werden könne. Denn der Auszug des Ehemanns sei bereits im Sommer 2020 erfolgt, so dass sie ihre Lebensverhältnisse entsprechend habe einrichten können. Sie könne dem Anspruch des Ehemanns auf Nutzungsentschädigung auch keine eigenen Unterhaltsansprüche entgegenhalten. Ihr Anspruch auf Trennungsunterhalt müsse vielmehr in einem eigenen Verfahren verfolgt werden. Denn das Verfahren auf Nutzungsentschädigung als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und das Unterhaltsverfahren als Familienstreitsache unterlägen gänzlich verschiedenen Verfahrensvorschriften, so dass die jeweiligen Ansprüche nicht in demselben Verfahren verfolgt werden könnten und auch eine Verbindung dieser Verfahren nicht zulässig sei. Dies führe dazu, dass dem Anspruch auf Nutzungsentschädigung jedenfalls ein streitiger Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht in demselben Verfahren entgegengehalten werden könne, und zwar auch nicht im Rahmen einer Billigkeitsabwägung. Es bestehe auch keine verfahrensrechtliche Möglichkeit, bei fehlender Entscheidungsreife des von dem Anspruchsgegner geltend gemachten Trennungsunterhaltsanspruchs über die Nutzungsentschädigung des Anspruchstellers im Wege eines Vorbehaltsbeschlusses zu entscheiden, weil das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine solche Entscheidungsform nicht kenne.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
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