Rechtsfrage klären? Wir beraten per   E-Mail  -   Video  -   Telefon  -   WhatsAppBewertung: - bereits 388.297 Anfragen

Aufsichtspflicht: Was ist zu beachten?

Familienrecht | Lesezeit: ca. 12 Minuten

Da Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen, sind Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes zu dessen Aufsicht verpflichtet.

Das Kind soll vor Schäden geschützt und Dritte vor Schäden, die durch das Kind herbeigefügt werden, bewahrt werden.

Dem Gegenüber steht das Recht des Kindes, sich zu entwickeln und selbstständig zu werden.

Neben den Eltern kann eine zeitweise Aufsichtspflicht auch für Erzieher, Lehrer und Ausbilder gelten, wenn der Wille zur Übertragung der Aufsichtspflicht vorhanden war. Die Schriftform ist hierfür nicht vorgeschrieben.

Die Person, der die Aufsichtspflicht obliegt, haftet, wenn das Kind einen Schaden verursacht und der Aufsichtspflichtige seine Aufsichtspflicht verletzt hat. Hier kann eine Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung entstehen.

Wer ist aufsichtspflichtig?

Die Aufsichtspflicht über ein minderjähriges Kind trifft den oder die Inhaber des Personensorgerechts. Dies sind entweder - im Normalfall - beide Eltern gemeinsam oder der Elternteil, dem die Personensorge vom Familiengericht übertragen worden ist.

Leben die Eltern getrennt, so ist zu beachten, dass die Aufsichtspflicht in jedem Fall auch der Elternteil hat, bei dem das Kind sich mit Einwilligung des anderen Elternteils aufhält, etwa während der Ausübung eines Besuchsrechts.

Darüber hinaus kommt eine zeitlich beschränkte Aufsichtspflicht beispielsweise in der Schule oder im Kindergarten in Betracht.

Was umfasst die Aufsichtspflicht?

Was genau erforderlich ist, um die Aufsichtspflicht zu erfüllen, ist gesetzlich nicht geregelt.

Im Grundsatz richtet sich der Umfang danach, was ein verständiger Aufsichtspflichtiger nach vernünftigen Anforderungen unternehmen muss, um Schäden durch das Kind oder am Kind selbst zu verhindern. Dies bedeutet, dass es immer einen gewissen Spielraum hinsichtlich der vertretbaren Maßnahmen besteht.

Der Inhalt der Aufsichtspflicht richtet sich somit sehr stark nach dem Alter des Kindes und nach dessen persönlichen Eigenheiten.

Aufsichtspflichtige müssen Kinder über erkennbare Gefahren, z.B. beim Umgang mit brennbaren Gegenständen, beim Verhalten im Verkehr und beim Umgang mit Spielsachen belehren und im Rahmen der Zumutbarkeit überwachen. Gefährliche Aktivitäten müssen den Kindern verboten werden, ggf. sind Verhaltensregeln aufzustellen. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch sicherzustellen, dass das Kind die Regeln und Vorgaben versteht und befolgen wird.

Grundsätzlich sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
  • Alter des Kindes
  • Geistige Reife des Kindes
  • Charakter des Kindes
  • Erfahrungsstand des Kindes
  • Konkrete Lebenssituation des Kindes
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren ist dann jeweils eine Einzelfallentscheidung darüber zu treffen, wie stark die Aufsichtspflicht sinnvollerweise ausgeprägt sein muss.

Eine verstärkte Überwachungspflicht besteht z.B. bei Kindern, die eine Neigung zu gefährlichem Verhalten, etwa zum Zündeln oder zu Aggressionen gegenüber Dritten, zeigen.

Andererseits sind Kinder zur Selbstständigkeit zu erziehen, so dass in dieser Hinsicht immer auch ein gewisser Widerspruch besteht. Es ist Aufgabe des Aufsichtspflichtigen, die Entwicklung des Kindes entsprechend zu fördern, sodass sich das Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann.

Der Aufsichtspflichtige ist jedoch zumindest dazu verpflichtet, stets zu wissen, wo sich das Kind befindet und was es gerade tut. Wird bemerkt oder ist vorhersehbar, dass sich das Kind möglicherweise oder tatsächlich in eine für sich oder andere gefährliche Situation begibt, so muss der Aufsichtspflichtige eingreifen.

Dies kann natürlich auch nicht jeden Schadensfall verhindern. Das ist auch nicht die Intention der Aufsichtspflicht. Eine vollständige Überwachung des Kindes ist aufgrund der Aufsichtspflicht nicht geschuldet.

Wann haftet der Aufsichtspflichtige?

Eine Haftung entsteht immer dann, wenn der Aufsichtspflichtige seiner Aufsichtspflicht nicht oder nicht ausreichend nachgekommen ist und es in der Folge zu einem Schaden gekommen ist.

Gemäß § 832 BGB ist derjenige, der „kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.“

Eine Verletzung der Aufsichtspflicht liegt dann vor, wenn der Aufsichtspflichtige damit rechnen konnte oder sogar wusste, dass das Kind einen Schaden verursacht und dies dennoch zugelassen wurde.

Gehaftet wird insbesondere für Schäden, die Dritte an ihrer Gesundheit oder an ihrem Eigentum erleiden.

Haben mehrere Aufsichtspflichtige ihre Aufsichtspflicht verletzt, also etwa beide Elternteile, haften sie als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass sich der Geschädigte nach seiner Wahl an jeden der Haftenden halten kann.

Will der Aufsichtspflichtige der Haftung entgehen, so muss er selbst beweisen, dass er seine Aufsichtspflicht erfüllt hat und der Schaden dennoch eingetreten ist oder dass der Schaden auch bei Erfüllung der Aufsichtspflicht entstanden wäre.

Dieser Grundsatz bedeutet jedoch nicht, dass jeder entstandene Schaden auf eine Verletzung der Aufsichtspflicht zurückzuführen ist.

Lediglich bei Deliktunfähigkeit gilt ein anderes: Sofern ein deliktunfähiges Kind einen Schaden verursacht hat, haftet auch der aufsichtspflichtige Elternteil nicht für den entstandenen Schaden, sofern keine Verletzung der Aufsichtspflicht nachgewiesen werden kann (§ 828 BGB). Dies gilt für Kinder unter sieben Jahren, im Straßenverkehr unter zehn Jahren.

In diesem Zusammenhang wird zudem einzelfallbezogen geprüft, ob der Geschehensablauf für das Kind vorhersehbar war oder nicht. Denn nur dann, wenn das Kind die notwendige Einsichtsfähigkeit hatte, sind Kinder ab dem 8. bzw. 10. Lebensjahr voll haftungspflichtig.

Neben der Schadensersatzpflicht können auch strafrechtliche Konsequenzen drohen, wenn aufgrund der Verletzung der Aufsichtspflicht eine Person verletzt oder getötet wird. Hier kann ggf. der Tatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung oder fahrlässigen Tötung erfüllt sein.

Gefälligkeitsaufsicht steht Haftung entgegen!

Für den Fall, dass eine Gefälligkeitsaufsicht vorlag, so handelt es sich nicht um eine Übertragung der Aufsichtspflicht. Dies betrifft den Fall, dass Freunde, Bekannte oder Verwandte, die Aufsicht nur kurz übernehmen und dies nicht entlohnt wird.

Der Aufsichtführende kann im Schadensfall nicht haftbar gemacht werden.

Dürfen Eltern ihr Kind alleine zu Hause lassen?

Eltern fragen sich häufig, ob Kinder alleine zu Hause gelassen werden dürfen oder ob dies ein Verstoß gegen die Aufsichtspflicht darstellt. Auch hier gibt es keine pauschale Antwort. Es kommt auf das Alter und die geistige Reife des Kindes an, die Aufsichtspflicht besteht nämlich auch während der Abwesenheit des Aufsichtspflichtigen fort.

Für Kinder unter drei Jahren gilt eine besondere Fürsorgepflicht, sodass hier ein besonders hoher Maßstab anzusetzen ist.

Wichtig ist, dass klare Regeln geschaffen werden und mögliche Schäden vermieden werden, indem z.B. gefährliche Gegenstände außer Reichweite aufbewahrt werden (Messer, Feuerzeuge, Streichhölzer, etc.).

Die gleichen Überlegungen gelten übrigens für den Fall, dass ein älteres Geschwisterkind aufpassen soll. Keinesfalls sollte das ältere Kind mit der Aufgabe überfordert werden und es sollte auch die erforderliche Autorität besitzen, um die erforderliche Kontrolle über die Situation nicht zu verlieren.

Was gilt eigentlich für das Fahrradfahren?

Mit zehn Jahren sind Kinder i.d.R. in der Lage, auch übersichtliche Verkehrssituationen zu erfassen und mit der erforderlichen Sorgfalt am Verkehrsgeschehen teilzunehmen.

Hat das Kind beispielsweise eine Radfahrprüfung erfolgreich absolviert, so kann der Aufsichtspflichtige i.d.R. davon ausgehen, dass das Kind den Anforderungen des Straßenverkehrs gerecht werden kann, ohne dass es dauernder Aufsicht bedarf.

Damit geht aber keine vollständige Entbindung von der Aufsichtspflicht einher. Erst mit vierzehn Jahren wird davon ausgegangen, dass das Kind vollständig verkehrstauglich ist.
Stand: 03.01.2022 (aktualisiert am: 20.05.2025)
Feedback zu diesem Tipp

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von 3Sat

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.235 Bewertungen) - Bereits 388.297 Beratungsanfragen

Man wird sehr gut beraten. Und man bekommt schnell eine Antwort.Danke☺️

Verifizierter Mandant

Sehr schnelle und kompetente Beratung. Habe wegen einer Geschäftseröffnung ein paar Fragen gehabt und diese wurden zu meiner vollsten Zufriedenheit ...

Andrea Leibfritz , Burladingen