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Rückforderung der Corona-Soforthilfe

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 26 Minuten

Die für die Bewilligung der NRW-Soforthilfe-2020 maßgebliche Bewilligungspraxis kann alleine dem Antragsformular und den vom beklagten Land veröffentlichen FAQ entnommen werden; die später veröffentlichte Soforthilfe-Richtlinie gibt hierfür nichts her.

Hiernach hing die Bewilligung davon ab, dass die Antragsteller einen der dort alternativ erwähnten Gründe erfüllt haben.

Will das beklagte Land eine bereits gewährte Soforthilfebewilligung zurücknehmen, trägt es die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Anfang an nicht vorlagen.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Beklagte stützt die Rücknahme der Soforthilfebewilligung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Hiernach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen nicht vor. Die zurückgenommene Soforthilfebewilligung stellt keinen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar, da dieser nicht gegen eine gültige Rechtsnorm verstößt. Namentlich lässt sich ein Verstoß gegen den alleine in Betracht kommenden aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht feststellen.

Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz bindet im Bereich der sogenannten nichtgesetzesakzessorischen Leistungsverwaltung, also namentlich in Fällen, in denen staatliche Subventionen ohne Anknüpfung an spezialgesetzliche Regelungen gewährt werden, die vergebenden Stellen an eine von diesen allgemein etablierte Bewilligungspraxis (sogenannte „Selbstbindung der Verwaltung“). Der Gleichbehandlungsgrundsatz wirkt dabei nicht nur in anspruchsbegründender Weise dahin, dass die Förderung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu bewilligen ist. Er wirkt ebenso anspruchsbegrenzend, indem er die Bewilligungsbehörde dahingehend bindet, eine Förderung zu versagen, wenn die ihrer Verwaltungspraxis entsprechenden Voraussetzungen nicht gegeben sind. Bewilligt die Behörde gleichwohl eine Förderung entgegen einer von ihr etablierten Versagungspraxis, so ist die Bewilligung rechtswidrig und kann unter Beachtung der weiteren in § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG NRW normierten Voraussetzungen zurückgenommen werden.

Zur Feststellung der tatsächlichen Verwaltungspraxis kann ggf. auch auf sogenannte Förderrichtlinien abgestellt werden. Hierbei handelt es sich regelmäßig um verwaltungsinterne Vorschriften ohne Gesetzescharakter, die die für die Vergabe von Subventionen zuständigen Stellen bei der Entscheidung über eine Bewilligung binden. Verfährt die Bewilligungsbehörde daher regelmäßig nach den Vorgaben einer entsprechenden Förderrichtlinie, bindet sie sich nach Maßgabe des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes selbst an deren Inhalt. Besteht im für die Bewilligung maßgeblichen Zeitpunkt noch keine gefestigte Verwaltungspraxis, namentlich weil es sich um ein neu ins Leben gerufenes Förderprogramm handelt, ist die Behörde gleichwohl bereits an den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gebunden, wenn und soweit sie, was regelmäßig der Fall ist, nach von vorne herein aufgestellten Leitlinien verfährt. Es handelt sich dann um eine sogenannte antizipierte Verwaltungspraxis. Richtet die Behörde ihre Bewilligungspraxis daher bereits von Anfang an nach einer Förderrichtlinie aus, kann deren Inhalt bereits zur Ermittlung der Verwaltungspraxis herangezogen werden. Besteht hingegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligung wie hier (dazu nachfolgend) noch keine einschlägige Förderrichtlinie, kann eine antizipierte Verwaltungspraxis nur unter Würdigung der im Zeitpunkt der Bewilligung maßgeblichen Umstände des Einzelfalles anhand von Indizien ermittelt werden.

Hierzu kann im vorliegenden Kontext namentlich auf das Antragsformular und den Bewilligungsbescheid abgestellt werden. Daneben können auch die durch das Landeswirtschaftsministerium auf der Antragsplattform für die Bewilligung der Soforthilfen veröffentlichten sogenannten „FAQ“ herangezogen werden. Diese geben im Einzelfall Aufschluss darüber, wie die für Bewilligungen zuständigen Bezirksregierungen im Bewilligungsverfahren in bestimmen Konstellationen beabsichtigten, zu entscheiden. Nimmt die Behörde indes erst zu einem späteren Zeitpunkt bestimmte Konstellationen zum Anlass, Bewilligungen zurückzunehmen, lassen sich hieraus keine Rückschlüsse auf eine im Zeitpunkt der Ausübung des Bewilligungsermessens antizipierte Verwaltungspraxis ziehen.

Die Behörde trägt im Übrigen die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen der Rücknahme, damit auch das Erfordernis der Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Verwaltungsakts, erfüllt sind. Sie muss das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts nachweisen. Kann nicht geklärt werden, ob die Rücknahmevoraussetzungen gegeben sind, geht dies grundsätzlich zu Lasten der Behörde. Eine Ausnahme hiervon kann sich allenfalls aus unlauterem Verhalten des Begünstigten ergeben.

Beruft sich die Behörde - wie vorliegend - darauf, dass eine Bewilligung entgegen einer von ihr geübten oder antizipierten Versagungspraxis und damit gleichheitswidrig erfolgt ist, trifft sie daher auch die Feststellungslast, dass überhaupt und in welchem Umfang eine entsprechende Versagungspraxis tatsächlich bestanden hat.

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Andreas Maier , Bad Säckingen