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Eilantrag gegen den Ausschluss Ungeimpfter von Freizeit- und Kulturangeboten mit 2-G-Regelung

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 70 Minuten

Der Antragsteller verfolgt mit seinem Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO das Ziel, §§ 6a und 9 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSchVO) vom 19. Oktober 2021 (SächsGVBl. S. 1196) einstweilen außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsteller wohnt in L., ist berufstätig und treibt in seiner Freizeit Sport. Er ist Mitglied in einem Fitnessstudio, frequentiert regelmäßig gastronomische Einrichtungen wie Restaurants und Bars und besucht kulturelle Veranstaltungen in der Stadt L.. Da er nicht zur Kategorie der Geimpften und Genesenen gehört, befürchtet er, durch die Regelungen des § 6a und § 9 Abs. 1 SächsCoronaSchVO von Angeboten zur Freizeitgestaltung, zum Innensport und zur kulturellen Teilhabe künftig ausgeschlossen zu sein.

Er trägt vor: Er könne sich auf eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und des Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG stützen, da zu besorgen sei, dass er im Gegensatz zu Geimpften und Genesenen nicht an Angeboten der Freizeitgestaltung teilnehmen könne, obwohl von ihm als gesunder und negativ getesteter Person keine Ansteckungs- oder Infektionsgefahr ausgehe.

Es bestünden bereits formelle Bedenken gegen die streitgegenständlichen Normen. So werde die amtliche Begründung zu den Regelungen der §§ 6a und 9 SächsCoronaSchVO den Vorgaben der Ermächtigungsnorm des § 28a Abs. 5 IfSG nicht gerecht.

Es werde nicht begründet, warum es geboten sei, lediglich geimpften und genesenen Bürgern, nicht hingegen gesunden Teilen der Bevölkerung einen Zugang zu bestimmten Angeboten der Freizeitgestaltung (Innengastronomie, Fitnessstudio etc.) zu ermöglichen. Damit werde das Ziel der Begründung, die Maßnahmen transparent zu machen, verfehlt.

Überdies verstießen §§ 6a und 9 SächsCoronaSchVO gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da er auch im Falle einer nachgewiesenen Nichtinfektion für viele Bereiche des öffentlichen Lebens ausgeschlossen werde und so im Vergleich zu Geimpften und Genesenen unterschiedlich behandelt werde, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund bestehe.

Gegen die vermeintliche Annahme des Antragsgegners, dass nur Geimpfte oder Genesene nicht mehr am Pandemiegeschehen teilhätten und eine Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus durch sie ausscheide, während Ungeimpfte auch mit negativem Testnachweis ein Risikofaktor seien, spreche, dass die Impfung keine vollständige Immunität vermitteln könne. Es verbleibe das Restrisiko einer Ansteckung und Übertragung.

Für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Geimpften einerseits und Ungeimpften aber Gesunden andererseits müsste der Antragsgegner belegen, dass die Gruppe der Geimpften für die Ausbreitung des Virus keine nennenswerte Rolle mehr spiele. Dies sei derzeit mangels entsprechender Datenerhebung nicht möglich. Da Geimpfte von der Testpflicht ausgenommen seien, gebe es keine Nachweise darüber, in welchem Maß sie sich infizieren und das Virus möglicherweise weitergeben können.

Es sei schlichtweg nicht nachvollziehbar, weshalb eine negativ getestete, aber ungeimpfte Person mit einer vermeintlich höheren Wahrscheinlichkeit Träger und auch Verbreiter des Virus sein solle als eine ungetestete geimpfte Person.

Die durch das 2G-Modell angestrebten Lockerungen für nur einen Teil der Bevölkerung erschienen wenig geeignet, das Pandemiegeschehen mit Blick auf den geringen Immunisierungsgrad im Freistaat Sachsen wirksam einzudämmen. Vielmehr sollten offensichtlich ungeimpfte Personen durch deren Ausschluss unter Druck gesetzt und so zu einer Impfung bewegt werden. Die Regelung stelle damit ein Mittel zur Umsetzung einer indirekten Impfpflicht dar und trage nicht zur Eindämmung der Pandemie und/oder zum Verhindern einer Überlastung des Gesundheitssystems bei.

Die Ungleichbehandlung zeige sich auch an § 6a Abs. 1 Satz 2 SächsCoronaSchVO, wonach der Ausschluss von Veranstaltungen nicht für Beschäftigte gelte, die einen Mund-Nasen-Schutz tragen und über einen negativen Testnachweis verfügen.

Auch griffen die §§ 6a und 9 SächsCoronaSchVO in nicht gerechtfertigter Weise in die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ein, soweit sie nachweislich gesunde Personen von Angeboten der Freizeitgestaltung ausschlössen. Nach § 9 Abs. 1 SächsCoronaSchVO folge der Ausschluss unmittelbar aus der Verordnung selbst, da danach im Falle der Überlastungsstufe nach § 2 Abs. 5 SächsCoronaSchVO eine unmittelbare Anwendung der 2G-Regel gelte. Bei § 6a SächsCoronaSchVO handele es sich zwar ausweislich der Begründung um ein Optionsmodell, wonach es grundsätzlich dem Betreiber bzw. Veranstalter obliege, sein Angebot nur noch an Geimpfte oder Genesene zu richten und Ungeimpfte auszuschließen.

Dennoch stelle sie sich als Eingriff bzw. Eingriffsäquivalent dar, weil davon auszugehen sei, dass ein Großteil der Veranstalter von dieser Option Gebrauch mache, allein schon um in den Genuss des Wegfalls der Höchstkapazität der Auslastung zu gelangen. Insoweit übten die Regelungen einen wirtschaftlichen Druck auf Betreiber und Veranstalter aus.

Dieser Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit sei nicht gerechtfertigt, weil der Ausschluss von Gesunden, aber Ungeimpften weder geeignet sei, eine weitere Verbreitung der Pandemie einzuschränken noch sei er angemessen und erforderlich.

Von mittels PCR-Tests nachweislich nicht infizierten Personen könne keine Infektionsgefahr ausgehen, während keine belegbaren Erkenntnisse darüber existierten, inwieweit Geimpfte noch am Pandemiegeschehen teilnähmen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei dringend geboten, da der Antragsteller, von dem bei nachgewiesener Negativtestung keine Gefahr ausgehe, den mit hoher Wahrscheinlichkeit grundrechtswidrigen Eingriff in den Gleichheitssatz und seine allgemeine Handlungsfreiheit nicht bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens hinnehmen müsse.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.

1. Der Antrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 24 Abs. 1 SächsJG statthaft. Danach entscheidet das Sächsische Oberverwaltungsgericht über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verordnungen der Staatsregierung. Der Senat entscheidet gemäß § 24 Abs. 2 SächsJG hierüber in der Besetzung von fünf Berufsrichtern.

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. hierzu Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 387) und die für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 47 Abs. 6 VwGO vorliegen. Beides ist hier nur im Hinblick auf die vom Antragsteller angegriffene Regelung des § 6a Abs. 1 und 2 SächsCoronaSchVO der Fall.

Dem Antrag steht nicht entgegen, dass er sich ursprünglich auf die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 21. September 2021 bezog. Denn im Fall von (im Wesentlichen) gleichlautenden Nachfolgeregelungen ist es nach der Rechtsprechung des Senats aus prozessökonomischer Sicht und, weil sich die jeweiligen Verordnungen im Abstand von wenigen Wochen ablösen, zur Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes i. S. v. Art. 19 Abs. 4 GG sachgerecht, das Verfahren im Hinblick auf die Nachfolgevorschriften in der aktuellen Fassung fortzuführen. Der Antragsteller hat seinen Antrag zuletzt auch auf die Regelungen der aktuell geltenden Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 19. Oktober 2021 umgestellt.

Soweit der Antrag sich allerdings gegen § 6a Abs. 3 und 4 SächsCoronaSchVO richtet, ist er unzulässig, da diese Absätze keine eigene Beschwer, sondern lediglich eine nähere Ausgestaltung des 2 G-Optionsmodells enthalten.

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