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Antrag gegen die 8. SARS-CoV-2-EindV (Sachsen-Anhalt) zurückgewiesen

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 41 Minuten

Die Antragsteller wenden sich gegen § 2a, § 5a, § 6a, § 13a Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 5, Abs. 2 der Achten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Sachsen-Anhalt (Achte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – 8. SARS-CoV-2-EindV) vom 15.09.2020 (GVBl. S. 432) in ihrer Fassung durch die 2. Verordnung zur Änderung der Achten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 30.10.2020 (GVBl. S. 624), im Folgenden „8. SARS-CoV-2-EindV(2)“, sowie in ihrer aktuellen Fassung durch die 3. Verordnung zur Änderung der Achten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 27.11.2020 (GVBl. S. 668), im Folgenden „8. SARS-CoV-2-EindV(3)“.

Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 24.11.2020 die Gewährung einstweiligen verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen die zitierten Normen der 8. SARS-CoV-2-EindV(2) beantragt und ihr Rechtsschutzbegehren mit Schriftsatz vom 02.12.2020 auf die entsprechenden Regelungen der 8. SARS-CoV-2-EindV(3) erweitert.

Sie sind der Auffassung, dass die Anordnungen mit der Landesverfassung nicht vereinbar sind.

Zusammengefasst rügen die Antragsteller, es fehle an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage, die Regelungen seien formell verfassungswidrig und sie verletzten die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 (Freiheit der Person), Art. 16 Abs. 1 (Berufsfreiheit), Art. 17 Abs. 1 (Unverletzlichkeit der Wohnung), Art. 18 Abs. 1 (Eigentumsgarantie), Art. 24 Abs. 1 (Schutz von Ehe und Familie) und Art. 7 Abs. 1 (Gleichbehandlungsgrundsatz) der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt – LVerf – vom 16.07.1992 (GVBl. S. 600), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 20.03.2020 (GVBl. S. 64).

Hierzu tragen sie vor, als Rechtsgrundlage der Achten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung habe die Landesregierung in der Präambel der Ursprungsverordnung und der Zweiten Verordnung zur Änderung der Achten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung § 32 S. 1, § 54 S. 1 IfSG (Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz) vom 20.07.2000 (BGBl. I S. 1045) in der Fassung vom 28.03.2020 benannt. § 32 S. 1 i. V. m. §§ 28 bis 31 IfSG stelle keine ausreichende gesetzliche Grundlage für belastende staatliche Maßnahmen dar. Sie sei zu unspezifisch und unbestimmt und werde den Vorgaben von Art. 79 Abs. 2 der Landesverfassung und dem Parlamentsvorbehalt bzw. der Wesentlichkeitstheorie nicht gerecht. Auch habe bereits bei der 8. SARS-CoV-2-EindV(2) keine der Situation im Frühjahr vergleichbare Situation einer „erst- und einmaligen Pandemiesituation“ vorgelegen. Auch die jüngsten Änderungen am Infektionsschutzgesetz seien bereits dem Grundsatz nach, jedenfalls aber auch mangels hinreichender Bestimmtheit ihrerseits nicht geeignet, die mangelnde Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm für die verfahrensgegenständliche Rechtsverordnung (nachträglich) zu heilen. Dies gelte auch für die 8. SARS-CoV-2-EindV(3). Zudem liege ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor; § 32 S. 3 IfSG benenne nicht die hier als betroffenen gerügten Grundrechte der Berufsfreiheit, der Eigentumsgarantie und des Schutzes von Ehe und Familie.

Die Antragsteller rügen weiter die formelle Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Verordnung. Sie tragen vor, die Rechtsverordnung sei lediglich auf der Website der Landesregierung verkündet worden. Eine Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt sei entgegen § 1a VerkündungsG LSA unterblieben.

Die mit den verfahrensgegenständlichen Normen getroffenen Regelungen entsprächen zudem nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
§ 2a Abs. 1 8. SARS-CoV-2-EindV(2) verletze die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 LVerf (Freiheit der Person) und aus Art. 24 Abs. 1 LVerf (Schutz von Ehe und Familie).

Es sei unverhältnismäßig, den Aufenthalt im öffentlichen Raum, ohne Unterschiede bei den betroffenen Personen zu machen, auf maximal 10 Personen und die Angehörigen des eigenen Hausstandes sowie die Angehörigen eines weiteren Hausstandes zu begrenzen. Dies gelte umso mehr, wenn es sich bei den Betroffenen um unter dem Schutz des Art. 24 Abs. 1 LVerf stehenden Familienangehörigen handele. Zudem lasse die Regelung unberücksichtigt, dass es auch bei dem Zusammenkommen von 10 Personen zu Ansteckungen kommen könne.

§ 2a Abs. 2 8. SARS-CoV-2-EindV(2) verletze die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 der Landesverfassung (Freiheit der Person), aus Art. 16 Abs. 1 (Berufsfreiheit) und aus Art. 24 Abs. 1 (Schutz von Ehe und Familie).

Die Antragsteller rügen die generelle Untersagung von Veranstaltungen ohne Berücksichtigung gegebenenfalls vorhandener belastbarer Hygienekonzepte und ohne Berücksichtigung des Kreises der Veranstaltungsteilnehmer. Zudem sei das Veranstaltungsverbot unverhältnismäßig, weil es ohne sachlichen Grund dieselbe Personengruppe je nach Hintergrund bzw. Motivation der Zusammenkunft ungleich behandele.

Die Ausnahmen für Trauerfeiern und Hochzeiten seien unverhältnismäßig, weil sie unberücksichtigt ließen, dass es auch in einem solchen Rahmen zu Ansteckungen kommen könne. Zudem zeige sich in diesem Zusammenhang ein Verstoß gegen den in Art. 7 der Landesverfassung normierten Gleichbehandlungsgrundsatz, weil kein sachlicher Grund vorliege, Neffen und Nichten oder Ehepartner der zugelassenen Personen nicht zuzulassen.

§ 2a Abs. 3 8. SARS-CoV-2-EindV(2) verletze die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 LVerf (Freiheit der Person), Art. 17 Abs. 1 LVerf (Unverletzlichkeit der Wohnung) und aus Art. 24 Abs. 1 LVerf (Schutz von Ehe und Familie). Das Verbot privater Feiern auf die Wohnung auszudehnen und auf 10 Personen zu beschränken, ohne Berücksichtigung etwa bestehender Hygienekonzepte, sei unverhältnismäßig. Außerdem lasse auch diese Regelung unberücksichtigt, dass es auch bei dem Zusammenkommen von 10 Personen zu Ansteckungen kommen könne. Auch würde hier dieselbe Personengruppe je nach Hintergrund der Zusammenkunft ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt. Exemplarisch führen die Antragsteller an, dass dieselben Kinder, die sich in der Schule täglich träfen, abends nicht zu einer privaten Feier zusammenkommen dürften; einen einzelnen Freund zu treffen, sei hingegen zulässig.

Dieselben Erwägungen gälten für § 2a 8. SARS-CoV-2-EindV(3), der eine Verschärfung der zuvor geltenden Regelungen darstelle.

§ 5a Abs. 1 8. SARS-CoV-2-EindV(2) verletze die Grundrechte aus Art. 16 Abs. 1 LVerf (Berufsfreiheit) und Art. 18 Abs. 1 LVerf (Eigentumsgarantie).

Insbesondere führt nach Auffassung der Antragsteller auch hier die Nichtberücksichtigung belastbarer Hygienekonzepte zu einer Unverhältnismäßigkeit. Das generelle Beherbergungsverbot zu touristischen Zwecken stelle ein „faktisches Berufsverbot“ dar und führe dazu, dass die Eigentümer „faktisch enteignet“ würden. Auch sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, weil die Beherbergung aus familiären oder beruflichen Gründen zulässig bleibe, was eine Benachteiligung der Betreiber von Beherbergungsstätten in touristischen Gebieten bedeute.

§ 5a Abs. 2 8. SARS-CoV-2-EindV(2) verletze wegen fehlender Berücksichtigung etwaiger Hygienekonzepte und wegen Untersagung des zweckentsprechenden Gebrauchs Art. 16 Abs. 1 LVerf (Berufsfreiheit) und Art. 18 Abs. 1 LVerf (Eigentumsgarantie). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege vor, weil Zug- und Flugreisen erlaubt blieben.

§ 6a Abs. 1 und Abs. 4 8. SARS-CoV-2-EindV(2) verletzten entsprechend vorzitierter Argumentation die Grundrechte aus Art. 16 Abs. 1 LVerf (Berufsfreiheit) und Art. 18 Abs. 1 LVerf (Eigentumsgarantie) der Gastwirte und das Grundrecht auf Freiheit der Person gemäß Art. 5 Abs. 1 LVerf der Gäste. Auch sei die Untersagung, eine Gaststätte in Anspruch zu nehmen, ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und vor dem Hintergrund, dass Einkaufszentren und Supermärkte geöffnet seien, unverhältnismäßig. Auch sei Art. 7 Abs. 1 LVerf verletzt, weil ohne Anknüpfung an sachliche Gründe eine Belieferung, Mitnahme und ein Außer-Haus-Verkauf von Speisen (trotz Ansteckungsmöglichkeit auch hierbei) zulässig sei, wodurch Gastwirte ohne die Möglichkeit eines solchen Vertriebssystems benachteiligt seien.

Die Ordnungswidrigkeitstatbestände nach § 13a nebst der 2. Anlage der 8. SARS-CoV-2-EindV(2) seien insoweit ebenfalls verfassungswidrig.

Dieselben Erwägungen gälten wieder für die nahezu wortgleichen Regelungen der § 5a, § 6a und § 13a mit Anlage 2 der 8. SARS-CoV-2-EindV(3).

Generell wenden sich die Antragsteller gegen die Zugrundelegung des Inzidenzwertes als Orientierungswert für die gerügten Grundrechtseingriffe und die verwendeten „PCR-Tests“ als valide Grundlage zum Nachweis von Infektionen.

Zudem beträfen die Maßnahmen nur zu einem unerheblichen Teil Störer im Sinne des Infektionsschutzgesetzes. Gehe man (Stand 23.11.2020) von 3.375 infizierten Personen und damit von einem Bevölkerungsanteil von 0,15 % in Sachsen-Anhalt aus, ergäbe sich, dass 99,85 % der Bevölkerung des Landes Sachsen-Anhalt Nichtstörer seien.

Der Landtag und die Landesregierung haben gemäß § 31 Abs. 2 S. 2 LVerfGG Gelegenheit erhalten, zum Antrag vom 24.11.2020 Stellung zu nehmen.

Die Landesregierung hat am 01.12.2020 Stellung genommen. Sie hält den Antrag für unbegründet und weist zur Ermächtigungsgrundlage insbesondere darauf hin, dass der Landtag in jeder seiner Sitzungen über das staatliche Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten habe und das exekutive Handeln durch die Parlamentsmehrheit gebilligt worden sei. Anerkannt sei zudem, dass auch (sonstige) Dritte Adressaten von Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG sein können, um sie zu schützen.

Zur materiellen Rechtmäßigkeit führt sie im Wesentlichen aus, dass die Vermeidung sozialer Kontakte für die Eindämmung der Pandemie große Bedeutung beansprucht. Zu § 2a 8. SARS-CoV-2-EindV(2) stellt sie die Relevanz großer Familientreffen und -feiern für die Ausbreitung des Virus in der Vergangenheit der Würdigung sozialer Bedürfnisse gegenüber, die insbesondere auch die Ausnahmen des § 2a Abs. 2 8. SARS-CoV-2-EindV(2) begründeten. Zu § 6a 8. SARS-CoV-2-EindV(2) führt sie unter Bezugnahme auf die Begründung zur 2. Änderungsverordnung aus, dass unter anderem die Gastronomiebranche einen kontaktintensiven Bereich darstelle mit typischerweise großen Personenansammlungen. Unter Beachtung der finanziellen Hilfe, die vom Bund zugesagt worden seien, sei ein Eingriff in „Art. 12 Abs. 1 und 14 GG“ durch vorübergehende Schließung der Unternehmen nicht unverhältnismäßig.

Die Folgenabwägung falle zugunsten des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus. Im Ergebnis setze sich die Schutzpflicht des Art. 5 Abs. 1 LVerf gegenüber den Beeinträchtigungen durch die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen durch.

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