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Pralinenfachgeschäft muss wegen Corona geschlossen bleiben

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Die Antragstellerin betreibt ein Pralinenfachgeschäft; der Verkauf von Pralinen macht ihrem eigenen Vorbringen nach 95% ihrer Einnahmen aus. Der Betrieb eines derartigen Geschäfts ist durch die Allgemeinverfügung vom 18. März 2020 untersagt. Das Pralinenfachgeschäft unterfällt nicht der Regelung in Ziffer II.3. der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020, nach der u. a. "der Einzelhandel für Lebensmittel" nicht geschlossen wird.

Der Umfang der ausdrücklich noch zulässigen Betriebsfortführungen ist nicht allein durch die in Ziffer II.3. der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020 gewählte Formulierung zu ermitteln, sondern im Zusammenhang allen in dieser Verfügung getroffenen Regelungen sowie der hierfür herangezogenen Begründung der Antragsgegnerin. Diese Gesamtschau macht deutlich, dass der Begriff "Lebensmittel" hier nicht in demselben Sinne verwandt wird wie in anderen Rechtsvorschriften (inklusive europarechtlichen Rechtsvorschriften). Die Ausnahmeregelung in Ziffer II.3. soll vielmehr äußerst eng zu verstehen sein. Erlaubt ist nur die Öffnung eines Geschäfts, wenn es zur Sicherstellung des täglichen Bedarfs notwendig ist. Denn in der Begründung führt die Antragsgegnerin aus, dass aus infektionsschutzrechtlichen Erwägungen eine konsequente soziale Distanzierung im täglichen Leben erforderlich sei, die nur wenige Ausnahmen zulasse. Ausgenommen von dem Verbot seien daher u. a. nur solche "Zusammenkünfte, die aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig sind, insbesondere solche Veranstaltungen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Daseinsfürsorge und -vorsorge zu dienen bestimmt sind. Dazu gehören insbesondere Wochenmärkte sowie - zeitlich eingeschränkt - Restaurants und Speisegaststätten, die mit ihrem Nahrungsangebot der Nah- und Grundversorgung der Bevölkerung dienen" (Seite 5, Absätze 3 und 4 der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020). Deutlich wird die Beschränkung der Zulässigkeit von Geschäftsöffnungen auf allein solche Geschäfte, die der Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs dienen, auch mit Blick auf Ziffer II.9. der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020. Darin verfügt die Antragsgegnerin, dass neben allen erforderlichen Geschäftsschließungen ebenfalls die Durchführung aller nicht zwingend notwendigen Veranstaltungen im öffentlichen und privaten Bereich untersagt sei. Schließlich sieht Ziffer II.1. der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020 vor, dass auch "Spezialmärkte und ähnliche Einrichtungen" zu schließen seien. Auch hierdurch wird die Beschränkung der Genehmigung zur Öffnung auf einen notwendigen Bedarf deutlich.

Der Verkauf von Pralinen gehört nicht zu der Daseinsfürsorge und -vorsorge oder der Nah- und Grundversorgung. Dies macht die Antragstellerin auch nicht geltend. Andere Gründe, weswegen in ihrem Einzelfall mit Blick auf ein überwiegendes öffentliches Interesse eine Ausnahme zu machen sei, hat sie ebenfalls nicht angegeben.

Eine willkürliche Beschränkung des Kreises der zulässigerweise geöffneten Lebensmittelgeschäfte liegt nicht vor. Den Grund für die Unterscheidung zwischen für die Grundversorgung notwendigen Geschäften und anderen hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar in der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020 dargelegt. Sie verweist unter Bezugnahme auf die Aufrufe und Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts darauf, dass jeder nicht notwendige soziale Kontakt zu Mitmenschen ein derart großes Gefahrpotential beinhaltet, dass nur durch die angeordneten Maßnahmen eine weitere Ausbreitung von Infektionen durch SARS-CoV-2 entgegengewirkt werden könne.

Selbst wenn man - abweichend vom oben Gesagten - den Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache als offen ansehen wollte, führt eine allgemeine Interessenabwägung zu einem klaren Überwiegen des öffentlichen Interesses an dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und der Sicherung des Gesundheitssystems gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin. Würde der Vollzug der streitgegenständlichen Verfügungen ausgesetzt, erwiesen sich diese aber als rechtmäßig, könnten zwischenzeitlich erhebliche und möglicherweise irreversible Gesundheitsschäden eintreten. Erwiesen sich die Verfügungen hingegen in der Hauptsache als rechtswidrig, entstünde der Antragstellerin zwar ein wirtschaftlicher Schaden, der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ist aber jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutz als höherrangig einzustufen - auch vor dem Hintergrund der von Bund und Land zugesagten Finanzhilfen sowie der Regressmöglichkeit gegenüber der Antragsgegnerin. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit liegt zudem mit Blick auf die obigen Ausführungen nicht vor.


VG Aachen, 21.03.2020 - Az: 7 L 235/20

ECLI:DE:VGAC:2020:0321.7L235.20.00

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