Dem Antrag auf besondere Sicherungsmaßnahmen in Form der Fixierung bei dem Betroffenen war nicht zu entsprechen, denn es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage für die beantragte Maßnahme. Wegen der Wesentlichkeit des Eingriffes bedarf es einer ausdrücklichen Ermächtigung durch ein Gesetz. Enthält ein Gesetz zum Maßregelvollzug keine ausdrückliche Ermächtigung zur Fixierung, so ist die Fixierung unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob ggf. eine Fixierung auf der Basis einer Ermächtigung zur Fesselung vorgenommen werden darf, denn auch an einer solchen Ermächtigung fehlt es für den saarländischen Maßregelvollzug.
Anders als etwa in § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SLStVollzG, §70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SJStVollzG, § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SUVollzG, § 171a Abs. 1 StVollzG für den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe, der Untersuchungshaft und Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft fehlt es für den Maßregelvollzug an einer Ermächtigung zur Fesselung oder Fixierung in § 19 Abs. 2 MRVG.
Insbesondere die Systematik innerhalb der drei weiteren saarländischen Regelungen zum Vollzug sprechen dagegen, von einer systemwidrigen Lücke auszugehen, denn die genannten Regelungen sind ähnlich aufgebaut und regeln die besonderen Sicherungsmaßnahmen wortgleich jeweils in sechs Ziffern in Absatz 2, wobei es für Fixierung als besondere Form der Fesselung weitere Regelungen in einem weiteren Satz gibt. Allein in § 19 Abs. 2 MRVG fehlt in der Auflistung die Nr. 6 zur Fesselung und der Satz 2 für die Fixierung.
Auch die historische Auslegung spricht gegen die Zulässigkeit von Fesselung und Fixierung im saarländischen Maßregelvollzug, denn bei dem Gesetz Nr. 1985 zum Erlass des Saarländischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Strafvollzugsgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Jugendstrafvollzugsgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes, zur Änderung des Gesetzes zur ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe und zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (Amtsblatt I 2020, S. 79), das zur Regelung der Fixierung im Strafvollzug geführt hat, indem es etwa § 78 Abs. 2 Satz 2 SLStVollzG, § 70 Abs. 2 Satz 2 SJStVollzG, § 49 Abs. 2 Satz 2 SUVollzG eingeführt hat, wurde keine Regelung zur Fesselung und Fixierung in § 19 Abs. 2 MRVG aufgenommen, obwohl dem Gesetzgeber die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung vor dem Hintergrund der Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung bewusst war (LT-Drucksache 16/820, S. 1) und er auch die Augen nicht vor der Existenz des Maßregelvollzugs verschlossen hat, denn das Gesetz trifft an anderer Stelle, nämlich mit der Einführung von § 32e Abs. 3 Satz 3 AROG auch Regelungen zum Maßregelvollzug.
Auch auf § 34 StGB kann die freiheitsentziehende Maßnahme nicht gestützt werden. Zwar mag die Abwägung des Rechts seiner Mitinsassen oder des Personals auf der einen Seite und des Freiheitsrechts des Betroffenen auf der anderen Seite zum Nachteil des Betroffenen ausgehen. Als Ermächtigungsgrundlage für die beantragte Maßnahme eignet sich diese Vorschrift jedoch nicht, denn staatliches Handeln kann nur ausnahmsweise durch Notstand gerechtfertigt werden, wenn der zum Notstand führende Interessekonflikt noch nicht durch das Aufstellen gesonderter Eingriffsrechte geregelt worden ist. So ist etwa in der Vergangenheit vertreten worden, dass mangels gesetzlicher Regelung bestimmte neu aufkommende Formen der Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach § 34 StGB gerechtfertigt werden könnten. Der Maßregelvollzug, sowie seine Durchführung und etwaige Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind durch das MRVG abschließend geregelt. Wie ausgeführt hätte der saarländische Gesetzgeber die Fixierung gesondert durch Gesetz regeln können. Ob eine Rechtfertigung der zur Durchführung des Maßregelvollzugs berufenen Personen ebenfalls ausscheidet, muss hier nicht entschieden werden.
Ein etwaiges Gewohnheitsrecht ist als Ermächtigungsgrundlage für die freiheitsentziehende Maßnahme vor dem Hintergrund von Artikel 104 Abs. 1 Satz 1 GG unzureichend, der ein „förmliches" Gesetz verlangt.
Schließlich kann die freiheitsentziehende Maßnahme auch nicht unmittelbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hergeleitet werden. Zwar enthalten die Grundrechte nicht nur negative Abwehrrechte gegen den Staat, sondern auch positive Schutzpflichten des Staates. Die mit der Abwägung von unterschiedlichen Grundrechten verbundenen Entscheidungen liegen in dem durch die Gewaltenteilung geprägten Rechtsstaat jedoch beim Gesetzgeber. Sofern zum Schutze der Rechte Dritter Beschränkungen der Grundrechte anderer erforderlich werden, sind diese Beschränkungen aufgrund eines Gesetzes und im Falle der Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG durch ein förmliches Gesetz vorzunehmen. Auch aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 24. Juli 2018 kann nicht gefolgert werden, dass freiheitsentziehende Maßnahmen zum Schutze Dritter unmittelbar auf Art. 2 Grundgesetz zu stützen wären (BVerfG, 24.07.2018 - Az:
2 BvR 309/15), denn ausdrücklich trifft das genannte Urteil nur eine Regelung für Baden-Württemberg und den Freistaat Bayern, zudem war diese Regelung bis Ende Juni 2019 befristet und hat damit selbst für ihren ausdrücklichen Anwendungsbereich ihre Wirkung verloren.