Es obliegt der Klagepartei, die Gründe für ihr Asylbegehren in schlüssiger Form vorzutragen. Sie hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich ergibt, dass bei verständiger Würdigung des Einzelfalles die Furcht vor Verfolgung begründet und es ihr nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachlogischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Herkunftsland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings – unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstandes und Alters des Asylsuchenden und deshalb möglicher, insbesondere sprachlicher Schwierigkeiten, die eigenen Belange dem Gericht überzeugend und „farbig“ darzustellen – ein detaillierter, in sich schlüssiger und überzeugender Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Edo zugehörig, reiste am 07. Mai 2019 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24.Mai 2019 einen Asylantrag.
Bei der geschiedenen Ehefrau des Klägers sowie seinen beiden im Jahr 2020 geborenen Söhnen stellte das Bundesamt jeweils ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG fest.
In der persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) trug der Kläger am 2. September 2019 im Wesentlichen Folgendes vor:
Er sei verheiratet und seine Frau lebe in Deutschland. In Benin City habe er in einem Friseursalon gearbeitet, der im Jahr 2009 abgebrannt sei. Er habe dann auf Veranlassung seines Vaters nach Jos kommen sollen, um dort an die Universität zu gehen. Das erste Jahr sei gut gewesen, im zweiten Jahr hätten Christen und Moslems angefangen, sich zu bekämpfen. Sein Vater sei Polizeibeamter gewesen und zuständig, für Frieden zu sorgen. Als der Kläger eines Tages aus der Schule nach Hause gekommen sei, sei alles niedergebrannt gewesen, das Haus abgebrannt und sein Vater tot. Auch die Mutter sei bei den Auseinandersetzungen gestorben. Der Kläger sei daraufhin verzweifelt gewesen. Er habe nach Benin City zurückkehren wollen, habe aber nicht gewusst, ob er dort sicher sei. Nach Stationen in Niger, Algerien und Libyen sei er mit dem Boot nach Europa gekommen. Zu den weiteren Einzelheiten des klägerischen Vorbringens in Bezug auf den Brand des Friseursalons in Benin City sowie die Auseinandersetzung am Haus des Vaters in Jos wird auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids verwiesen.
In der vom Kläger dem Bundesamt vorgelegten Heiratsurkunde aus dem Jahr 2018 ist sein Vater als Rentner mit Wohnadresse in Benin City aufgeführt. In seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt erläuterte der Kläger am 02.September 2019, dass die Eltern für die traditionelle Hochzeit im Oktober 2018 beim Gericht in Benin City gewesen seien, dort gesagt hätten, dass ihre Kinder in Deutschland lebten und ein Freund ihn dort vertreten habe.
Mit Bescheid vom 29. Juni 2021, am 2. Juli 2021 als Einschreiben zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4) und forderte den Kläger auf, innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung nach Nigeria bzw. in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 10 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorliegen.
Da eine konkrete individuell persönliche Vorverfolgung des Klägers nicht ersichtlich sei, komme ihm die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (QualfRL) nicht zugute.
Aus dem Vortrag des Klägers könne nicht nachweislich nachvollzogen werden, dass sein Vater überhaupt aufgrund der Unruhen zwischen den Christen und Moslems ums Leben gekommen sei. Weder Täter noch Tathergang seien in irgendeiner Weise belegend beschrieben. Gleiches gelte hinsichtlich des vorgetragenen Todes der Mutter des Klägers. Entscheidend jedoch sei die Tatsache, dass der Kläger individuell persönlich weder bedroht noch verfolgt worden sei. Dem Vortrag könne nicht entnommen werden, dass für den Kläger selbst eine Bedrohungssituation in Jos bestanden hätte. Ebenso könne eine zielgerichtete Verfolgung in Benin City nicht verfolgungsrelevant eingeordnet werden. Der Kläger habe nicht ansatzweise beschreiben können, wer überhaupt den Laden angezündet habe, noch habe er nähere Informationen hierzu liefern können. Eine konkrete Verfolgungsgefahr sei nicht ersichtlich.
Soweit der Kläger vorgetragen habe, als Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Christen ein Opfer der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen geworden zu sein bzw. zu befürchten, dies zu werden führe dies auch nicht zu flüchtlingsschutzrelevanter Verfolgung im Sinne des § 3a Nr. 3 AsylG. Es ließe sich nicht feststellen, dass der nigerianische Staat erwiesenermaßen nicht willens oder nicht in der Lage wäre, effektiven Schutz vor Verfolgung zu bieten.
Da die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 QualfRL vorliegend nicht greife, müsse für das Bestehen einer begründeten Furcht die durchzuführende Rückkehrprognose ergeben, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung drohe. Dies sei nach dem Vortrag des Klägers nicht der Fall; zudem bestünde die Möglichkeit internen Schutzes. Dem erwerbsfähigen Kläger sei es bereits vor seiner Ausreise möglich gewesen, für seinen Lebensunterhalt und für seine Existenz zu sorgen. Es könne angenommen werden, dass er auch bei fiktiv unterstellter gemeinsame Rückkehr mit seiner Ehefrau und den Kindern für den Lebensunterhalt der Familie sorgen könne. Die zu erwartenden Lebensumstände des Klägers gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner Nigerias hinzunehmen hätten, die in vergleichbarer Situation lebten.
Anhaltspunkte für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG sah das Bundesamt nicht. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG lägen gleichsam nicht vor.
Die Behauptung des Klägers, eine italienische Aufenthaltserlaubnis zu besitzen, konnte durch die Beklagte trotz entsprechenden Informationsersuchens an das italienische Innenministerium vom 10. März 2021 und Erinnerung vom 22.April 2021 nicht verifiziert werden.
Hiergegen erhob die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19. Juli 2021 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, zugegangen am selben Tag, und beantragt,
1. Der Bescheid des Bundesamts vom 29.6.2021, zugestellt am 5.7.2021, wird in Ziffer 1. sowie 3. bis 6. aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Flüchtling anzuerkennen.
3. Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutzstatus zuzusprechen.
4. Weiter hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
In der mündlichen Verhandlung am 24. November 2023 hat der Kläger seine Klage im Wesentlichen damit begründet, dass er wegen der Krise zwischen Christen und Moslems aus Nigeria geflohen sei. Er habe seine Eltern verloren und habe in Italien eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Er sei dann aber wegen seiner nunmehr geschiedenen Ehefrau nach Deutschland gekommen. Er wolle in Deutschland bleiben, weil er sich um seine Kinder kümmern müsse, für die er mit der Mutter das gemeinsame Sorgerecht habe. Er zahle regelmäßig Unterhalt für seine Kinder. Der Kläger wisse nicht, ob seine Familienangehörigen in Nigeria noch am Leben seien. Er habe im Fernsehen gesehen, dass sein Vater getötet worden sei. Sein Vater sei seinerzeit als Polizist von Benin City nach Jos versetzt worden; er habe die Familie dann später nachgeholt. Der Kläger habe seine Frau in Benin City kennengelernt und später zufällig in Libyen wieder getroffen. Im Jahr 2018 hätten sie dann in Nigeria gesetzlich geheiratet; hierfür müsse man in Nigeria nicht persönlich anwesend sein. Trotz der Scheidung von seiner Frau im Februar 2023 kümmere sich der Kläger regelmäßig um seine Söhne und bringe sie morgens häufig zur Schule. Die Mutter der Kinder bitte ihn häufig um Unterstützung.
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2021 beantragt die Beklagte, die Klage abzuweisen.
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