Die Annahme einer Versorgungsehe ist nicht in jedem Fall alleine durch eine sehr kurze Ehedauer gerechtfertigt.
Ist im Einzelfall der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gerade nicht in der Versorgung der Witwe zu sehen, so ist der Anspruch auf Witwengeld nach dem Besamtenversorgungsgesetz auch bei kurzer Ehedauer nicht ausgeschlossen.
Hierzu führte das Gericht aus:
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erhält die Witwe eines Beamten auf Lebenszeit, der -wie vorliegend -die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BeamtVG erfüllt, Witwengeld. Nach Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift gilt dies nicht, wenn die Ehe mit dem Verstorbenen nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen.
Die am 21. September 1957 geborene Klägerin und ihr am 27. Dezember 1953 geborener Ehemann, der als Polizeihauptkommissar bei der Wasserschutzpolizei des beklagten Landes bedienstet war und am 20. Februar 2006 verstorben ist, haben zwar ihre Ehe erst am 28. Januar 2006 geschlossen, so dass die Ehe weniger als ein Jahr gedauert hat. Gleichwohl greift die ein Witwengeld ausschließende Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 1. Halbsatz BeamtVG nicht ein.
Denn nach den besonderen Umständen des Falles ist zurÜberzeugung der Kammer nicht die Annahme gerechtfertigt, dass es der alleinige und überwiegende Zweck der Heirat war, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Halbsatz BeamtVG).
Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG statuiert eine widerlegbare gesetzliche Vermutung. Bei einer Ehe von weniger als einem Jahr vor dem Tode des Beamten besteht die Vermutung, dass diese Ehe nur geschlossen worden ist, um dem überlebenden Ehepartner eine Versorgung zu verschaffen. Diese Annahme des Gesetzgebers gründet sich auf vielfältige Erfahrungen aus einer Zeit, als die Beamtenversorgung einen starken Anreiz zum Abschluss solcher Versorgungsehen bot. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass auch noch heute eine solche Motivation bestehen kann. Diese Vermutung einer Versorgungsehe knüpft an den objektiven Tatbestand einer Ehezeit von weniger als einem Jahr vor dem Tod des Beamten an. In subjektiver Hinsicht muss nach dem Wortlaut der Vorschrift die Versorgungserwartung prägend für den Entschluss gewesen sein, die Ehe zu schließen. Waren demgegenüber andere Motive mindestens ebenso wahrscheinlich, greift der Ausschlusstatbestand nicht ein. Nach dem Willen des Gesetzgebers scheidet insoweit allerdings die Ausforschung der privaten Lebenssphäre und der Motive der Eheschließenden aus. Denn in diesen innersten, höchstpersönlichen Bereich dürfen staatliche Stellen und damit auch die Gerichte nicht eindringen. Für die Widerlegung der Vermutung der Versorgungsehe kommt es vielmehr darauf an, ob nach objektiv erkennbaren Umständen ein anderer als die Versorgungsabsicht, mindestens ebenso wahrscheinlicher Zweck festzustellen ist. Ein solcher ist vor allem anzuerkennen, wenn auch ohne oder trotz der Erwartung des baldigen Todes des Beamten die Ehe begründet worden wäre. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die feste Heiratsabsicht bereits vorher bestanden hat und konsequent verwirklicht worden ist, selbst dann, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung der lebensbedrohende Charakter der Erkrankung des Beamten schon bekannt war.
Dies zugrunde gelegt, ist die Kammer aufgrund des Vorbringens der Klägerin und des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks davon überzeugt, dass für die Eheschließung der Klägerin mit ihrem bald danach verstorbenen Ehemann die Versorgungsabsicht nicht prägend war. Mithin ist nicht von einer so genannten Versorgungsehe auszugehen, bei deren Annahme der Anspruch auf Witwengeld ausgeschlossen wäre.
Die Kammer gründet ihre Überzeugung auf eine Gesamtschau objektiv erkennbarer Umstände. Zunächst scheiden „typische“ Anhaltspunkte einer so genannten Versorgungsehe ersichtlich aus. Auf der Hand liegt, dass zwischen der Klägerin und dem knapp vier Jahreälteren Beamten kein großer und für die hier zu entscheidende Fragestellung bedeutsamer, den üblichen Rahmen weit übersteigender Altersunterschied bestanden hat. Die Klägerin und ihr Ehemann haben ebenso wenig nach einer nur kurzfristigen und schon äußerlich erkennbaren flüchtigen Beziehung ohne gefestigte Bindungen heraus geheiratet, was den Gedanken an einen bloßen Versorgungszweck der Eheschließung aufkommen lassen könnte.
Im Gegenteil: Die Klägerin und ihr späterer Ehemann hatten vor ihrer Heirat am 28. Januar 2006 bereits seit dem Jahre 1996, also bereits seit zehn Jahren eine enge Verbindung unterhalten. Dass die Klägerin und der Beamte zunächst noch getrennt gewohnt haben, beruhte auf ihren beruflichen Tätigkeiten an verschiedenen Orten. Für das von der Kammer zugrunde zu legende Gesamtbild ist im Übrigen bedeutend, dass der Ehemann in den Jahren 1999/2000 und 2002/2003 in seiner Eigenschaft als Polizeibeamter dienstlich im Ausland, nämlich in Bosnien- Herzegowina eingesetzt war. Die Klägerin hat für die Kammer weiter nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, es sei ihr gemeinsamer, vor allem auch auf ihren Ehemann zurückgehender Wunsch gewesen, vor der Heirat ein Haus zu bauen, das sie als Eheleute gemeinsam hätten beziehen wollen. Der Hausbau sei ab dem Jahre 2003 geplant gewesen. Sie selbst, die Klägerin, habe seit dem Jahr 1988 als selbständige Tanzschullehrerin gearbeitet und habe sich seit den Jahren 2004/2005 mit der Planung und dem Bau eines eigenen Tanzschulgebäudes befasst.
Die Klägerin hat somit Umstände dargelegt, die zum einen einen objektiv erkennbaren Gehalt haben und zum anderen in ihrer Gesamtschau dafür sprechen, dass für die -späte -Eheschließung die Versorgungsabsicht nicht der prägende Entschluss war. Vielmehr hat die Klägerin aufgezeigt, dass der Zeitpunkt der Eheschließung mindestens in gleicher Weise von anderen höchstpersönlichen und durchaus nachvollziehbaren Erwägungen bestimmt war.
Die Kammer hat nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck keine ernsthaften Zweifel daran, dass der Vortrag der Klägerin glaubhaft ist. Die Klägerin hat ihr Vorbringen während des gesamten Verwaltungs-, Widerspruchsund Gerichtsverfahrens ohne weiteres nachvollziehbar, überaus lebensnah, widerspruchsfrei, ohneÜbertreibungen und ohne von taktischen, ergebnisorientiertenÜberlegungen geleitet zu sein, dargelegt. Die Kammer erachtet das Vorbringen der Klägerin gerade auch deshalb für nachvollziehbar und lebensnah, weil sie die Entwicklung ihrer Gemeinschaft mit ihrem verstorbenen Ehemann mit Blick auf die gemeinsame Zukunft mit einer für die Kammer spürbaren inneren Anteilnahme und großen Ernsthaftigkeit geschildert hat. Die Kammer folgt auch deshalb dem Vortrag der Klägerin, weil dieser ein Spiegelbild der Vorstellungen einer auch heute noch nicht unbeträchtlichen Zahl von Paaren ist, die ernsthafte Heiratsabsichten haben und diese auch nach ihren eigenen, höchstpersönlichen Vorstellungen verwirklichen möchten. So ist beispielsweise die Absicht, erst ein Haus zu bauen, das nach der Heirat als Eheleute gemeinsam bezogen werden soll, auch heute noch -gerade in ländlichen Gegenden -vielen durchaus geläufig. In die gleiche Richtung zielt die Vorstellung der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes, zunächst die beruflichen Angelegenheiten zu regeln, um anschließend von einer geordneten und planbaren beruflichen und wirtschaftlich tragfähigen Basis aus ein neues, gemeinsames Leben zu beginnen. Es mag sein, dass diese Gedanken nicht - mehr - Allgemeingut sind. Das ändert aber nichts daran, dass es zurÜberzeugung der Kammer jedenfalls für die Klägerin und ihren verstorbenen Ehemann sehr wichtige und ihr Handeln prägendeÜberlegungen waren.
Nach dem in der mündlichen Verhandlung von der Persönlichkeit der Klägerin gewonnenen Eindruck hält es die Kammer für ausgeschlossen, dass die Klägerin nur „Lippenbekenntnisse“ abgegeben hat, hinter denen sie innerlich nicht voll und ganz steht. Im Gegenteil ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin ehrlich und aufrichtig die Dinge so geschildert hat, wie sie sie zusammen mit ihrem Ehemann empfunden hat. Nicht zuletzt wird das eindrucksvoll an der Aussage der Klägerin deutlich, sie habe nicht als Lebensgefährtin, sondern als Ehefrau am Grab ihres verstorbenen Ehemannes stehen wollen.
Danach geht die Kammer davon aus, dass vorliegend die Vermutung einer so genannten Versorgungsehe widerlegt ist. Die den Anspruch auf Witwengeld ausschließende Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 1. Halbsatz BeamtVG kommt damit nicht zum Tragen Der Klägerin steht vielmehr der Anspruch auf Witwengeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zu. Das schließt ein, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten und der ergangene Widerspruchsbescheid aufzuheben waren.