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Feier des Arbeitgebers anlässlich einer Arbeitnehmer-Verabschiedung als Betriebsveranstaltung?

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 28 Minuten

Veranstaltet ein Arbeitgeber anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers einen Empfang, ist entgegen R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 € unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob es sich um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) oder um ein privates Fest des Arbeitnehmers handelt.

Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Inanspruchnahme der Klägerin im Wege der Lohnsteuerhaftung.

Die Klägerin ist ein Geldinstitut. Im Streitjahr trat der damalige Vorstandsvorsitzende der Klägerin, der Zeuge X, in den Ruhestand und schied aus dem Vorstand der Klägerin aus. Als Nachfolger im Amt des Vorstandsvorsitzenden wurde Y berufen. In diesem Zusammenhang veranstaltete die Klägerin im Streitjahr einen Empfang in den Geschäftsräumen ihrer Unternehmenszentrale in A. Für die Organisation und die Umsetzung der Veranstaltung war ein vom Verwaltungsrat bestimmtes Organisationsgremium insbesondere unter der Leitung einer Mitarbeiterin aus dem Personalbereich zuständig. Dieses erstellte die Einladungskarten und sprach die Einladungen auf der Grundlage einer unabhängig von der konkreten Veranstaltung zuvor nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten festgelegten Einladungsliste aus. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Klägerin, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Weiter waren Vertreter von Banken und Sparkassen, Vertreter von Verbänden Kammern und kulturellen Einrichtungen sowie Pressevertreter anwesend. Zudem waren acht Familienangehörige des Zeugen X als Gäste geladen. Im Rahmen des Empfangs stellte die Klägerin auch ihren neuen Vorstandsvorsitzenden vor. Die Gesamtaufwendungen für den Empfang in Höhe von ... € übernahm die Klägerin.

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom ... fand bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum ... statt. Der Lohnsteueraußenprüfer kam u.a. zu der Auffassung, dass es sich bei dem Empfang anlässlich der Verabschiedung des Zeugen X nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Klägerin eingeladen gewesen seien. Daher seien die Aufwendungen für den Empfang entsprechend der in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 Lohnsteuerrichtlinie (LStR) niedergelegten Verwaltungsauffassung dem Zeugen X als Arbeitslohn zuzurechnen und eine Nachversteuerung durchzuführen. Hierzu erklärte die Klägerin, dass nicht beabsichtigt sei, den Zeugen X in Regress zu nehmen. Für den Fall, dass Lohnsteuer nachzuerheben sei, gingen die Beteiligten insoweit übereinstimmend von einer Nettozahlung aus. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Lohnsteueraußenprüfung erließ der Beklagte am ... einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer für die Jahre ... . Darin setzte der Beklagte für die Übernahme der Kosten für die Veranstaltung vom ... Haftungsbeträge für Lohnsteuern in Höhe von ... €, Solidaritätszuschlag in Höhe von ... € und Kirchensteuer in Höhe von ... €, mithin insgesamt einen Betrag in Höhe von ... € an.

Den gegen diesen Haftungs- und Nachforderungsbescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ... als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG auch andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gehörten. Dazu zählten alle Einnahmen, die ein Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis erhalte. Die Zuwendung von Arbeitslohn sei anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft eine objektive Bereicherung erfahre. Dies sei bei dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Fall, da der Empfang anlässlich seiner Verabschiedung nicht zustande gekommen wäre, wenn dieser nicht vorher der Klägerin seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hätte. Daneben trete die Präsentation seines Nachfolgers in den Hintergrund. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Regelung in R 19.3 Abs. 2 Nr. 4 LStR berufen, wonach übliche Sachleistungen eines Arbeitgebers bei einem Empfang anlässlich eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers nicht als Arbeitslohn anzusehen seien, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles um ein Fest des Arbeitgebers, also um eine betriebliche Veranstaltung handele. Nach dieser Verwaltungsvorschrift gehörten zum steuerpflichtigen Arbeitslohn des Arbeitnehmers nur die Aufwendungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmer selbst, seine Familienangehörigen sowie private Gäste des Abnehmers entfielen, wenn sie 110 € je teilnehmender Person überstiegen. Vorliegend handele es sich jedoch um Sachleistungen des Arbeitgebers aus Anlass einer Verabschiedung des Arbeitnehmers. Dieser Sachverhalt sei speziell in R 19.3 Abs. 2 Nr. 3 LStR geregelt. Danach seien übliche Sachleistungen des Arbeitgebers im Rahmen einer Veranstaltung aus Anlass einer Verabschiedung oder eines Amts- oder Funktionswechsels eines Arbeitnehmers als Zuwendungen im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers anzusehen. Überstiegen die Aufwendungen jedoch eine Freigrenze von 110 € je teilnehmender Person, seien die Aufwendungen insgesamt dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers zuzurechnen. Eine R 19.3 Abs. 2 Nr. 4 LStR vergleichbare Regelung, dass nur die auf den konkreten Arbeitnehmer und dessen persönliche Gäste entfallenden Beträge als Arbeitslohn zu erfassen seien, enthalte Nr. 3 nicht.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin weiter gegen die Inanspruchnahme im Wege der Lohnsteuerhaftung für die Übernahme der Kosten des Empfangs aus Anlass der Verabschiedung ihres bisherigen Vorstandsvorsitzenden. Aufgrund des überwiegenden betrieblichen Interesses der Klägerin an der Veranstaltung seien die angefallenen Kosten abgesehen von dem auf den Zeugen X und dessen persönliche Gäste entfallenden Anteil nicht als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn des Zeugen X, sondern als Betriebsausgaben der Klägerin zu qualifizieren. Bei der Prüfung der Gesamtumstände lasse der Beklagte entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Unrecht die weiteren Anlässe der Veranstaltung, die Präsentation des neuen Vorstandsvorsitzenden und der geänderten Zusammensetzung des Vorstands, unberücksichtigt. Die Klägerin habe das BFH-Urteil vom 28. Januar 2003 (VI R 48/99, BStBl II 2003, 724) zum Anlass genommen, interne Richtlinien für die Durchführung entsprechender Veranstaltungen aufzustellen. Die Einladungen würden daher im Namen der Klägerin erstellt und versandt. Es gebe im Vorhinein bestimmte Listen für die Auswahl möglicher Gäste. Die Organisation und Durchführung dieser Veranstaltungen erfolge durch den sogenannten Vorstandsstab, einer Organisationseinheit von weniger als zehn Personen, die den Vorstand in seiner Tätigkeit unterstütze und insbesondere auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sei. Zudem seien die Veranstaltungen aus Anlass einer personellen Veränderung im Vorstand der Klägerin üblich und entsprächen einer langjährigen betrieblichen Praxis. Dem werde die verkürzende Darstellung in R 19.3 Abs. 2 LStR, dass bei Verabschiedung eines Arbeitnehmers und Kosten von mehr als EUR 110,00 brutto je Teilnehmer stets eine private Veranlassung mit der Folge des Lohnsteuereinbehalts (Nr. 3) gegeben sei, während bei einem runden Geburtstag des Arbeitnehmers unabhängig von der Höhe der Kosten stets eine betriebliche Veranlassung vorliege und deshalb grundsätzlich kein Lohnsteuereinbehalt (Nr. 4) vorzunehmen sei, nicht gerecht. Lediglich der auf den Zeugen X und dessen Gäste rechnerisch entfallende Anteil sei pauschal der Lohnsteuer zu unterwerfen.

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