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Annahmeverzugslohnanspruch bei pandemiebedingter Schließung eines Betriebs?

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 6 Minuten

Durch die aufgrund des Infektionsschutzgesetzes mittels „Corona-Verordnung“ angeordnete Schließung eines Tanzclubs (hier mit einer Tanzfläche von nur 20 qm und einem Gastraum von nur 48 qm) realisiert sich gerade das aufgrund dieses Geschäftsmodells bestehende besondere Infektionsrisiko - und damit das Betriebsrisiko i.S.d. § 615 S. 3 BGB -, denn Sinn und Zweck der Schließungsanordnung besteht in der Verhinderung sozialer Kontakte in Betrieben mit möglichst engem Kundenkontakt.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn, da die Beklagte das Risiko des Arbeitsausfalls (Betriebsrisiko) zu tragen hat.

Dabei kann zunächst dahinstehen, dass die Beklagte nur pauschal vorgetragen hat, der Betrieb habe wegen der mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden staatlichen Verordnungen und Vorschriften - insb. der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg - geschlossen werden müssen und eine Wiedereröffnung - auch zeitweise - habe deswegen nicht erfolgen können, ohne dies für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum näher darzulegen. Dies kann zugunsten der Beklagten als wahr unterstellt werden.

Die Kammer ist der Auffassung, dass sich jedenfalls im vorliegenden Fall eines Tanzclubs durch die aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vermittels „Corona-Verordnung“ angeordnete Schließung das Betriebsrisiko im Sinne von § 615 S. 3 BGB verwirklicht hat, so dass das Entgelt der Arbeitnehmer fortzuzahlen ist.

Die Zuweisung des Wirtschafts- und Betriebsrisikos an den Arbeitgeber entspricht zunächst allgemeinen Prinzipien der Arbeitsrechtsordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es bei Verboten aus betriebsfremden Gründen auf die Eigenart des Betriebs an, ob der Betrieb also eine besondere Risikosphäre darstellt. Ebenso ist ein Argument für die Annahme eines solchen Betriebsrisikos die Vorhersehbarkeit und Kalkulierbarkeit des Risikos.

Diese Kriterien sieht die Kammer vorliegend als erfüllt an. Bei einem Tanzclub mit einer Tanzfläche von nur 20 qm und einem Gastraum von nur 48 qm sowie Betriebszeiten zwischen 21:00 Uhr und 03:00 Uhr realisiert sich gerade das aufgrund dieses Geschäftsmodells bestehende besondere Infektionsrisiko, denn Sinn und Zweck der Schließungsanordnungen bestand in der Verhinderung sozialer Kontakte in Betrieben mit möglichst engem Kundenkontakt.

Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an möglichst hohem Kundenverkehr erhöht zugleich das Risiko einer sich ausweitenden Epidemie. Die Zuweisung des Betriebsrisikos rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass sein Geschäft „in guten wie in schlechten Tagen“ auf Kundenverkehr bzw. hohe Besucherzahl ausgerichtet ist.

Schließlich handelt es sich bei der Corona-Pandemie auch nicht um ein völlig unvorhergesehenes Ereignis. Das verwirklichte Betriebsrisiko lässt sich durch Rücklagen oder den Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung theoretisch einkalkulieren.

Der Arbeitgeber kann zudem für seine Beschäftigten Kurzarbeitergeld beantragen (dies war vorliegend aufgrund der nur geringfügigen Beschäftigung nicht möglich) oder betriebsbedingte Kündigungen aussprechen.

Ob man die Pandemie als „Naturkatastrophe“ oder „höhere Gewalt“ ansehen mag, kann dahinstehen, denn auch dies führte nicht per se zu dem beklagtenseits gewünschten Ergebnis.

Der Arbeitgeber trägt grundsätzlich auch für Naturkatastrophen das Lohnrisiko, denn auch insoweit realisiert sich typischerweise das Betriebsrisiko. Unbeschadet dessen, erfolgte die Schließung des Betriebes der Beklagten nicht aufgrund der Pandemie (im Gegenteil: weite Teil der Wirtschaft und gerade der Gastronomie sind der Auffassung, eine Schließung sei bei Einhaltung eines Hygienekonzepts nicht notwendig), sondern der Anordnungen der Exekutive. Die Betriebsstörung tritt durch einen politischen Ermessensakt ein, der im Kern den Zweck hat, die Infizierung der Bevölkerung zu verlangsamen, um sie besser behandelbar zu machen (Verhinderung des Zusammenbruchs der Gesundheitsversorgung).

Nicht die Epidemie macht damit die Fortsetzung des Betriebs unmöglich, sondern die politische Entscheidung, Unternehmungen zu untersagen, deren wirtschaftliche Betätigung entweder auf viele Kunden zielt oder die so kundennah arbeiten, dass Infektionsgefahr besteht. Es handelt sich also um eine wertende, gesundheitspolitische, behördliche Entscheidung mit erheblichem Ermessensspielraum, die Epidemie nicht einfach „auszusitzen“ und zahlreiche Todesfälle in Kauf zu nehmen, sondern Betriebe mit einer bestimmten Struktur einzuschränken oder stillzulegen.

Aufgrund der Betriebsschließung war ein Angebot gem. § 296 BGB entbehrlich.


ArbG Mannheim, 25.03.2021 - Az: 8 Ca 409/20

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