Erweist sich eine Teilnahme an den Betriebsratssitzungen im Betrieb für die (Ersatz-) Mitglieder des
Betriebsrats als unzumutbar, so ist die
Arbeitgeberin zur Duldung der Teilnahme von zu Hause aus verpflichtet.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens in der Sache darüber, ob die Arbeitgeberin die Durchführung von Sitzungen des Betriebsrats als Präsenzsitzung bzw. die Teilnahme vom Betriebssitz aus verlangen darf.
Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass die Arbeitgeberin mit ihren Maßnahmen entgegen
§ 78 Satz 1 BetrVG die Betriebsratsarbeit behindere und er insoweit Unterlassung verlangen könne. Zudem verstoße die Arbeitgeberin gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG und das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Hierzu trägt er vor, dass er sich aus Gründen des Infektionsschutzes dazu entschieden habe, die Betriebsratssitzungen weiterhin gemäß
§ 129 Abs. 1 BetrVG im Rahmen von Videokonferenzen durchzuführen und den Mitgliedern die Teilnahme an den Sitzungen von zu Hause aus zu ermöglichen. Das Risiko, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, sei objektiv betrachtet stark erhöht, wenn mehrere Betriebsratsmitglieder über mehrere Stunden lang in einem relativ kleinen Raum zusammensäßen. Das Betriebsratsbüro messe nur 14,5 m2. Im Communications-Büro sei die für die Betriebsratsarbeit notwendige Vertraulichkeit nicht gewährleistet, da sich dieser Raum direkt neben dem Manager-Büro befinde und nur über eine Gipswand - nicht schalldicht – hiervon abgetrennt sei. Mit ihrer Aufforderung, an Betriebsratssitzungen nicht mehr von zu Hause aus teilzunehmen, setze die Arbeitgeberin die Betriebsratsmitglieder unnötigen Gesundheitsrisiken aus. Auch sei es geboten, vor oder nach einer Sitzung erforderliche Betriebsratsarbeit von zu Hause aus ausüben zu können. Bei den Betriebsratsmitgliedern, die 5 Stunden pro Tag arbeiten, decke die Teilnahme an den Betriebsratssitzungen in aller Regel ohnehin die reguläre Arbeitszeit ab, weil die Sitzungen entsprechend lange andauerten. Die übrigen Betriebsratsmitglieder erledigten an den Sitzungstagen nach den Sitzungen anderweitige Betriebsratsarbeit, wobei lediglich drei Betriebsratsmitglieder vertraglich zu einer mehr als fünfstündigen täglichen Arbeit verpflichtet (6 Stunden bzw. Vollzeit) seien. So sei es auch stets vor Beginn der Corona-Pandemie gehandhabt worden. In seiner Sitzung vom 16.03.2021 habe er den Beschluss zur Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten und zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens gefasst.
Hierzu führte das Gericht aus:
Nach § 78 Satz 1 BetrVG dürfen die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Die Bestimmung ist als Anspruchsnorm zu verstehen, auf die im Behinderungsfall Unterlassungsansprüche gestützt werden können. Durch § 78 Satz 1 BetrVG geschützt ist nur die rechtmäßige Betätigung der Betriebsratsmitglieder. Der Schutz erstreckt sich auch auf amtierende Ersatzmitglieder der Arbeitnehmervertretung. Der Begriff der Behinderung in § 78 Satz 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er betrifft jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist – anders als im Rahmen von
§ 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG - nicht erforderlich.
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