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Nicht jede Kritik an der Polizei ist eine Beleidigung

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 5 Minuten

Die rechtliche Würdigung von Äußerungen, die gegenüber Polizeibeamten getätigt werden, erfordert stets eine präzise Auslegung ihres Sinngehalts. Maßgeblich ist dabei, wie ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung versteht. Weder die subjektive Absicht des Sprechenden noch das individuelle Verständnis der Betroffenen ist entscheidend. Vielmehr sind Wortlaut, Begleitumstände und situativer Kontext gemeinsam zu bewerten. Nur wenn eine straflose Auslegung mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden kann, ist eine Verurteilung wegen Beleidigung zulässig.

Gerade bei Äußerungen gegenüber Polizeibeamten ist sorgfältig zu prüfen, ob sich der Vorwurf gegen die Person des handelnden Beamten richtet oder ob es sich um eine allgemeine Kritik am Vorgehen der Polizei handelt. Auch wenn die Äußerung formal auf anwesende Beamte bezogen ist, kann sie im Kontext dennoch als generelle Missbilligung polizeilicher Maßnahmen zu verstehen sein. Eine solche Kritik fällt grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG.

Die Meinungsfreiheit schützt auch scharfe oder polemische Kritik an der öffentlichen Gewalt. Sie darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob die kritisierte Maßnahme rechtmäßig war. Das Grundrecht umfasst insbesondere das Recht, polizeiliches Handeln zu beanstanden, ohne staatliche Sanktionen befürchten zu müssen. Diese verfassungsrechtliche Wertung ist bei der strafrechtlichen Beurteilung nach § 185 StGB stets zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, 05.03.1992 - Az: 1 BvR 1770/91).

Die rechtliche Auslegung von Äußerungen obliegt grundsätzlich dem Tatgericht, das dabei alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen hat. Liegen die tatsächlichen Grundlagen vollständig vor, kann auch das Revisionsgericht selbst eine Auslegung vornehmen (vgl. BayObLG, 15.05.2023 - Az: 207 StRR 128/23). Dabei ist insbesondere zu beachten, dass der mögliche Aussagegehalt einer Äußerung nicht auf die Sicht einzelner Beteiligter verengt werden darf. Vielmehr ist eine objektive Betrachtung aus Sicht eines neutralen Beobachters geboten.

Im Zusammenhang mit polizeibezogenen Äußerungen hat die Rechtsprechung mehrfach betont, dass auch scharfe Formulierungen wie „Wegelagerer“ (OLG Karlsruhe, 22.05.2018 - Az: 2 Rv 4 Ss 193/18), „Flitzpiepen“ (OLG München, 06.11.2014 - Az: 5 OLG 13 Ss 535/14) oder „kassierende Bullen“ (BVerfG, 23.09.1993 - Az: 1 BvR 584/93) nicht zwingend als persönliche Herabsetzungen zu werten sind, sofern sie als Ausdruck allgemeiner Kritik am Verhalten der Polizei zu verstehen sind. Entscheidend bleibt stets, ob die Äußerung eine Diffamierung konkreter Personen oder lediglich eine Missbilligung staatlicher Maßnahmen zum Inhalt hat.

Die Bedeutung dieser Differenzierung zeigt sich insbesondere im Verhältnis von § 185 StGB zu Art. 5 Abs. 1 GG. Das Strafrecht darf die Meinungsfreiheit nicht unverhältnismäßig beschneiden. Eine strafrechtliche Sanktion ist daher nur gerechtfertigt, wenn der beleidigende Charakter der Äußerung eindeutig feststeht und nicht durch eine alternative, legitime Deutung verdrängt wird. Der Schutz der freien Meinungsäußerung umfasst auch überspitzte oder provozierende Formulierungen, solange sie nicht die Diffamierung einzelner Personen bezwecken.

Aus dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe folgt, dass in Zweifelsfällen zugunsten der freien Rede zu entscheiden ist. Der Grundsatz, dass nur eine eindeutige, persönliche Ehrverletzung strafbar ist, stellt sicher, dass die Meinungsfreiheit als zentrales Grundrecht in einer offenen Gesellschaft nicht durch eine zu weite Auslegung des Beleidigungstatbestands eingeschränkt wird.


BayObLG, 14.10.2024 - Az: 206 StRR 343/24

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