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Auffahrunfall auf der Autobahn wegen Reifenschaden

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 4 Minuten

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Ein Unfall infolge einer sich während der Fahrt lösenden Reifenkarkasse ist dem Betrieb des Fahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen. Eine derartige Gefahr stellt eine typische, vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgehende Gefahr dar, auch wenn sich der Schaden erst im nachfolgenden Verkehr auswirkt (vgl. BGH, 19.04.1988 - Az: VI ZR 96/87; BGH, 26.04.2005 - Az: VI ZR 168/04).

Die Unabwendbarkeit des Unfalls scheidet sowohl für den Halter als auch für den Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs aus. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG ist ein Berufung auf Unabwendbarkeit ausgeschlossen, wenn der Unfall auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs beruht. Auch für das nachfolgende Fahrzeug liegt keine Unabwendbarkeit vor, da ein Idealfahrer beim Erkennen einer eingeschalteten Warnblinkanlage seine Geschwindigkeit deutlich hätte herabsetzen und auf unvorhergesehene Hindernisse vorbereitet sein müssen (vgl. OLG Brandenburg, 08.07.2010 - Az: 12 U 13/10).

Ein Verschulden des vorausfahrenden Fahrers im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO liegt nicht vor. Der Fahrer ist lediglich zu einer Sichtkontrolle der Bereifung vor Fahrtantritt verpflichtet. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Reifenschaden infolge mangelhafter Kontrolle eintreten müsse, besteht nicht. Auch der Anscheinsbeweis greift bei einer sich lösenden Karkasse nicht ein. Damit ist der Entlastungsnachweis nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG geführt. Auch ein Verstoß gegen § 15 StVO liegt nicht vor, wenn die Warnblinkanlage angeschaltet und die Absicherung eingeleitet wurde, eine vollständige Absicherung aber angesichts des sehr kurzen Zeitablaufs nicht erwartet werden kann.

Für die Halterin ergibt sich ebenfalls keine Haftung aus § 31 Abs. 2 StVZO, wenn weder das Vorliegen eines erkennbaren Mangels noch eine Pflichtverletzung im Rahmen der Überwachung festgestellt werden kann.

Demgegenüber liegt ein schuldhaftes Verhalten des nachfolgenden Fahrzeugs vor. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 StVO ist nur so schnell zu fahren, dass innerhalb der übersehbaren Strecke angehalten werden kann. Wer auf ein Hindernis auffährt, trägt grundsätzlich den Anscheinsbeweis eines Sorgfaltsverstoßes. Dieser kann nur durch atypische Umstände entkräftet werden, etwa wenn Hindernisse außergewöhnlich schwer erkennbar sind.

Liegt jedoch eine unklare Verkehrslage - erkennbar durch eingeschaltetes Warnblinklicht - vor, so ist das nachfolgende Fahrzeug verpflichtet, die Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren und sich auf auch schwer erkennbare Hindernisse einzustellen (vgl. OLG Brandenburg, 08.07.2010 - Az: 12 U 13/10).

Bei der Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 1 StVG ist die erhebliche Betriebsgefahr des Fahrzeugs mit der gelösten Reifenkarkasse zu berücksichtigen. Diese erhöhte Betriebsgefahr führt zu einer Haftungsquote von 30 %. Der überwiegende Haftungsanteil von 70 % trifft das auffahrende Fahrzeug, da dessen Fahrerin gegen das Sichtfahrgebot verstoßen hat.


LG Saarbrücken, 19.07.2013 - Az: 13 S 35/13

ECLI:DE:LGSAARB:2013:0719.13S35.13.0A

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Simon, Mecklenburg Vorpommern