Gebuchte Zimmer müssen vom Buchenden nicht bezahlt werden, wenn Hotelübernachtungen zu touristischen Zwecken aufgrund der Corona-Pandemie behördlich untersagt wurden.
In einem solchen Fall lag eine Unmöglichkeit der Beherbergung vor, wenn die Buchung nicht vor Eintritt der Unmöglichkeit storniert wurde.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung für von ihm bei der Beklagten gebuchte Hotelzimmer.
Der Kläger veranstaltet mit seinem Reisebusunternehmen „A" unter anderem touristische Gruppenreisen. Für seine Saisoneröffnungsfahrten vom 19.-22.03.2020 und vom 26.-29.09.2020 buchte er bei der Beklagten auf deren Angebot vom 17.10.2019 (GA 183) in deren Hotel „B" in C Übernachtungen einschließlich Frühstücksbuffet, Mittagessen, Kaffeetafel und Abendessen mit kalten und warmen Speisen. In dem Angebot heißt es u.a.: „Im Anhang übersende ich Ihnen gerne Ihr persönliches ALL-INKLUSIVE Angebot für Ihre Saisoneröffnung 2020 für beide März Termine … . Einen Reiseleiter für Ausflüge können wir leider nicht stellen = vielleicht kann Ihnen die Touristeninformation D weiterhelfen? Einen Musikabend in unserem Hause können wir gerne in unserem E organisieren.“ Die von dem Kläger unterzeichnete Reservierungsbestätigung der Beklagten vom 25.10.2019 enthielt unter anderem Hinweise auf die Stornierungsbedingungen, auf ein zwei Wochen vor Veranstaltungsbeginn zu zahlendes Deposit in Höhe von 80% der vereinbarten Gesamtsumme sowie auf die separat vor Ort zu leistende Kurtaxe.
Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Buchungsumfangs stellte die Beklagte dem Kläger unter dem 26.02.2020 eine Depositrechung in Höhe von insgesamt 10.356 € aus, auf die der Kläger am 04. bzw. 05.03.2020 vereinbarungsgemäß 8.426,40 € als Vorauszahlung überwies.
Angesichts der einbrechenden Corona-Epidemie verständigten sich die Regierungschefs der Bundesländer und die Bundesregierung am 16.03.2020 auf Leitlinien zum einheitlichen Vorgehen zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich. Auf Basis eines Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 16.03.2020 betreffend „Einschränkung sozialer Kontakte“ wies dieses mit Schreiben vom 17.03.2020 die Niedersächsischen Landkreise im Wege der Fachaufsicht an, eine Allgemeinverfügung mit sofortiger Wirkung bis zum 18.04.2020 des Inhalts zu verkünden, dass es Betreibern von Hotels „ab sofort“ untersagt ist, „Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen“. Die entsprechende Allgemeinverfügung des Landkreises C vom 18.03.2020 galt „ab sofort“ und wurde unter anderem über das Internet verbreitet. Das in ganz Niedersachsen angeordnete Beherbergungsverbot für Touristen war seinerzeit auch Gegenstand medialer Berichterstattung.
Am 17.03.2020 telefonierte der Kläger mit der bei der Beklagten angestellten und für die Reservierung des B zuständigen Frau F. Mit E-Mail vom 18.03.2020 teilte diese dem Kläger unter dem Betreff „Storno“ mit: „Die Gruppenreise für Rendezvous-Tours haben wir erstmals bei uns Storniert. Die Anzahlung haben wir auf ein „Gutschein“ Konto umgebucht & halten dieses bis zum Umbuchungstermin offen. Wie würden uns sehr über einen Alternativtermin freuen.“
Auf E-Mail-Aufforderungen des Klägers zur Rückzahlung seiner Vorauszahlung teilte die Beklagte diesem mit E-Mails vom 22.05.2020 bzw. 30.07.2020 mit, dass man den Vorgang an die Buchhaltung der Beklagten zur Rückzahlung weitergeleitet habe.
Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 16.09.2020 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis einschließlich 30.09.2020 auf, die geleistete Vorauszahlung nebst Zinsen, Mahn- und vorgerichtlich entstandene Rechtsverfolgungskosten zurückzuerstatten.
Der Kläger hat behauptet, Vertragsgegenstand sei die Beherbergung zweier touristischer Reisegruppen gewesen. Weiter habe die Beklagte die Reisen in dem Telefonat am 17.03.2020 abgesagt.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn in der Hauptsache 8.426,40 € zu zahlen. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verhandlungstermin vom 8.10.2021 die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 1.343,20 € anerkannt, worauf das Landgericht am selben Tag ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil erlassen hat.
Die Beklagte hat behauptet, ihr sei die Art des von dem Kläger gebuchten Aufenthaltes nicht bekannt und nicht erkennbar gewesen. Weiter habe der Kläger die Zimmer am 17.03.2020 telefonisch storniert.
Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe die Zimmer unbeschadet der Allgemeinverfügung des Landkreises C weiterhin für nicht-touristische Übernachtungsgäste zur Verfügung stellen können. Der Kläger habe das Risiko, die von ihr angebotene Leistung für seine Zwecke nicht verwenden zu können, zu tragen. Gemäß ihren in den Vertrag einbezogenen Stornierungsbedingungen dürfe sie 80% der Übernachtungspreise, also insgesamt 7.084,20 € behalten.
Das Landgericht hat die noch offenen Klageforderungen mit Urteil vom 03.12.2021 - bis auf im Berufungsverfahren nicht streitgegenständliche Mahnkosten iHv 10 € - zugesprochen. Die Beklagte müsse insbesondere dem Kläger gemäß § 346 Abs. 1 i. V. m. §§ 275, 326 Abs. 1, 4 BGB die geleistete Vorauszahlung in voller Höhe zurückerstatten, da ihr die Bewirkung der gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB geschuldeten Hauptleistung nach Vertragsschluss pandemiebedingt aufgrund öffentlich-rechtlichen Verbots im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden sei. Insoweit ergebe die Auslegung der auf den Abschluss eines Beherbergungsvertrags gerichteten Willenserklärungen der Parteien gemäß den §§ 133, 157 BGB, dass die Beherbergung und Bewirtung der Busreisegruppen zu touristischen Zwecken Vertragsinhalt gewesen sei.
Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung die vollständige Klageabweisung. Sie rügt insbesondere die erstinstanzliche Auslegung zu dem Vorliegen eines touristischen Reisezweckes sowie die Anwendung der Unmöglichkeitsregeln. Für die in Rede stehende Konstellation sei die Vorschrift über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) einschlägig, zumindest über den Weg der Analogie, weil der Gesetzgeber diese nicht speziell geregelt habe. Des Weiteren habe das Landgericht die fehlende Darlegung des Klägers unberücksichtigt gelassen, dass er im Verhältnis zu seinen Gästen Einnahmeausfälle erlitten habe, so dass eine ungerechtfertigte Bereicherung des Klägers auf ihre Kosten zu besorgen sei. Zudem werde sie auch dadurch geschädigt, dass sie die vereinnahmten Vorauszahlungen beim Finanzamt und bei der Beantragung staatlicher Coronahilfen als eigenen Umsatz angegeben habe.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die dem Kläger in dem angefochtenen Urteil zugesprochenen Ansprüche stehen diesem zu.
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