Das weltliche Glockengeläut einer kommunalen Gemeinde unterliegt denselben rechtlichen Maßstäben wie kirchliches Glockengeläut. Das tägliche Läuten am Morgen, Mittag und Abend wird als sozialadäquat angesehen, wenn es sich im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Vorgaben hält. Die Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen ist nach den Maßstäben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) sowie der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) zu bestimmen.
Nach ständiger Rechtsprechung besteht ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen erhebliche Lärmbelästigungen durch von der öffentlichen Hand betriebene Anlagen. Dieser Anspruch ergibt sich entweder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB oder unmittelbar aus den Grundrechten der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 GG). Maßgeblich ist, ob eine unzumutbare Belastung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG vorliegt. Geräuschimmissionen sind nach § 3 Abs. 2 BImSchG Teil der schädlichen Umwelteinwirkungen, wenn sie erhebliche Nachteile oder Belästigungen verursachen können.
Für die Bestimmung der Zumutbarkeit wird die TA Lärm herangezogen, obwohl diese Verwaltungsvorschrift ursprünglich auf genehmigungsbedürftige Anlagen zugeschnitten ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind ihre Ermittlungs- und Bewertungsgrundsätze jedoch auch auf andere Geräuschquellen wie Glockengeläut übertragbar (BVerwG, 30.04.1992 - Az: 7 C 25.91; BVerwG, 19.02.2013 - Az:
7 B 38.12). Dabei sind der Beurteilungspegel aus Mittelungspegel und Zuschlägen sowie zulässige Geräuschspitzen maßgeblich. Für Mischgebiete gilt ein Richtwert von 60 dB(A) tags; Geräuschspitzen dürfen diesen Wert um höchstens 30 dB(A) überschreiten.
Messungen der zuständigen Behörde hatten im zu entscheidenden Fall ergeben, dass nach Durchführung baulicher Anpassungen durch Dämmung des Glockenturms die maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Ein erhöhter Zuschlag für besonders empfindliche Tageszeiten nach Nr. 6.5 TA Lärm kommt im Mischgebiet nicht zur Anwendung. Auch aus dem Hessischen Feiertagsgesetz, der Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung oder dem Arbeitszeitgesetz ergibt sich kein eigenständiges Verbot des Glockengeläuts an Sonn- und Feiertagen.
Das tägliche Glockenläuten ist in historischer und gesellschaftlicher Tradition verwurzelt und wird als sozialadäquate Einrichtung bewertet. Die Rechtsprechung erkennt an, dass Glockengeläut auch ohne religiösen Bezug der Strukturierung des Tages dient und bei Einhaltung der Immissionswerte hinzunehmen ist (BVerwG, 19.02.2013 - Az:
7 B 38.12; BVerwG, 07.10.1983 - Az: 7 C 44.81). Auch weltliches Geläut durch kommunale Einrichtungen ist von dieser Bewertung umfasst (BVerwG, 29.05.1964 - Az: VII C 87.63).
Gesundheitsgefahren liegen bei einem Beurteilungspegel von 58 dB(A) tags nicht vor, da die Schwellenwerte für die Annahme von Gesundheitsgefährdungen deutlich überschritten sein müssten (BVerwG, 02.07.2020 - Az: 9 A 19.19; BVerwG, 12.06.2024 - Az: 11 A 14.23). Ein Verstoß gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflichten scheidet ebenfalls aus, da Glockentürme nicht zu den genehmigungsbedürftigen Anlagen nach der 4. BImSchV gehören.
Das kommunale Tageszeitenläuten bleibt damit rechtlich zulässig, solange die immissionsschutzrechtlichen Vorgaben der TA Lärm eingehalten werden.