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Entreicherungseinwand bei ungerechtfertigter Banküberweisung?

Geld & Recht | Lesezeit: ca. 18 Minuten

Wer aus einer ihm nicht näher bekannten Quelle eine Banküberweisung erhält, kann sich nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen, wenn er sich bewusst der Einsicht verschließt, dass er das Geld nicht behalten bzw. verwenden darf (hier: Bereicherungsschuldner wird über ein soziales Netzwerk durch eine unbekannte Person aufgefordert, internationale Transaktionen in der Größenordnung von 10.000,00 Euro über ein pseudonymisiertes Zahlungssystem vorzunehmen).

Hierzu führte das Gericht aus:

Entreicherung liegt vor, wenn der erlangte Vorteil nicht mehr im Vermögen des Empfängers enthalten ist und auch sonst kein auf die Zuwendung zurückzuführender Vermögensvorteil mehr vorhanden ist. Entreicherung tritt ein, wenn der erlangte Gegenstand ersatzlos untergegangen ist oder verschenkt wurde. Entreicherungspositionen sind weiter alle Aufwendungen, die der Bereicherungsschuldner im Hinblick auf den erlangten Gegenstand gemacht hat. Die Abzugsfähigkeit von Vermögensnachteilen des Bereicherungsschuldners setzt dabei voraus, dass diese Vermögensnachteile adäquat kausal auf der Bereicherung beruhen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt beim Bereicherungsschuldner.

Nach dem Vortrag des Beklagten habe er am 02.08.2018 in mehreren Tranchen 1,25814406 BTC (was rund 8.500,00 Euro entsprochen habe) erworben und an seinen Auftraggeber weitergeleitet. Weiter habe er für 1.000,00 Euro am Folgetag Bitcoins erworben. Diese habe er nicht an den Auftraggeber weitergeleitet, weil er eine Nachricht seiner Bank bekommen habe, dass die Klägerin die Beträge zurückfordere. Diesen Betrag zzgl. die Provision, die ausweislich des Chatprotokolls 5 % betragen sollte, erkenne der Beklagte an, insgesamt 1.445,16 Euro.

Damit trägt der Beklagte hinsichtlich des Teilbetrags, um den es in der Berufungsinstanz noch geht, einen Wegfall der Bereicherung vor, denn der auftragsgemäße Einsatz des Bereicherungsgegenstandes zum Erwerb von Kryptowährung und die Weiterleitung derselben beruhen adäquat kausal auf der Bereicherung.

Nicht im Sinne von § 529 Absatz 1 Nr. 1 ZPO bindend ist allerdings die Feststellung des Landgerichts, der Beklagte habe zur Bezahlung der erworbenen Bitcoins die überwiesenen Beträge verwendet. An den Feststelllungen zu der bestrittenen Behauptung des Klägers bestehen insbesondere wegen Unklarheiten zum Provisionsanteil Zweifel, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und dem nachträglich eingereichten Schriftsatz nicht ausgeräumt hat: Der Vortrag des Beklagten ist dahingehend zu verstehen, dass er in Höhe des Teilbetrags von 1.000,00 Euro – hierbei handelt es sich um den Betrag, für den er am 03.08.2018 Bitcoins kaufte, aber nicht weiterleitete – sowie in Höhe der Provision von 445,16 Euro nicht entreichert sei, weshalb die Forderung insoweit anerkannt werde. Dies wäre dann stimmig, wenn der Beklagte von dem erlangten Betrag zunächst seinen Provisionsanteil abgezogen und nur vom restlichen Betrag Bitcoins erworben bzw. in dieser Höhe weitergereicht hätte. Gerade dies ergibt sich jedoch nicht aus dem vorgelegten Bildschirmausdruck. Vielmehr hat er am 02.08.2018 im Gegenwert von rund 8.500,00 Euro Bitcoins erworben und weitergeleitet. Dass er hiervon seinen Provisionsanteil nicht in Abzug gebracht hat, nährt Zweifel daran, ob die behauptete Provisionsabrede den Tatsachen entspricht, und damit auch daran, dass der Beklagte das ihm überwiesene Geld für den behaupteten Zweck eingesetzt hat.

Ob der Beklagte tatsächlich, wie von ihm behauptet, das ihm überwiesene Geld für den vorgegebenen Zweck eingesetzt hat, bedarf indes keiner Aufklärung, da sich der Beklagte auf eine etwaige Entreicherung nicht berufen kann.

Die Entreicherung führt nicht zum Wegfall des Kondiktionsanspruches, falls die Voraussetzungen einer verschärften Haftung gemäß § 819 Absatz 1 BGB i.V.m. § 818 Absatz 4 BGB vorgelegen haben. Hiernach ist maßgebend, ob der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang kannte oder ihn später erfährt. Vorausgesetzt ist, dass der Bereicherungsempfänger das Fehlen des rechtlichen Grundes selbst und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen kannte. Die bloße Kenntnis von Tatsachen, auf denen das Fehlen des Rechtsgrundes beruht, reicht grundsätzlich nicht aus. Der Bereicherungsempfänger muss aus den ihm bekannten Tatsachen den Schluss ziehen, dass er das Erlangte nicht behalten darf, wobei vorsätzlich auch derjenige handelt, der die zugrundeliegenden Tatsachen kennt und die sich daraus ergebende Rechtsfolge in Kauf nimmt. Eine auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis des Empfängers vom mangelnden Rechtsgrund seines Erwerbes genügt nicht, um die Haftungsfolge des § 819 Absatz 1 BGB auszulösen. Den Mangel des Rechtsgrunds kennt aber auch derjenige, der, um sich die Vorteile aus dem Geschäft zu sichern, sich bewusst der Einsicht verschließt, dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist, er das Geld also nicht behalten bzw. verwenden darf. Auf einen solchen Kenntnisstand des Bereicherungsschuldners kann nach dem normativen Maßstab redlich Denkender geschlossen werden.

Nach diesen Maßstäben findet § 819 Absatz 1 i.V.m. § 818 Absatz 4 BGB Anwendung. Zwar lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte eine Kenntnis von den Umständen hatte, die für eine nicht autorisierte Überweisung sprachen. Aufgrund der ihm bekannten Umstände ist jedoch festzustellen, dass er vor der möglichen Einsicht, das Geld nicht behalten zu dürfen, geradezu die Augen verschlossen hat, er deshalb wie ein Wissender zu behandeln ist und sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann.

- Zunächst handelt es sich um einen höchst ungewöhnlichen Vorgang, dass der Beklagte von einer ihm vollkommen unbekannten und nicht näher identifizierbaren Person („Wladimir“) über ein soziales Netzwerk angesprochen wird und von dieser aufgefordert wird, internationale Transaktionen in der Größenordnung von 10.000,00 Euro über ein pseudonymisiertes Zahlungssystem vorzunehmen. Ein solches Zahlungssystem wird – beileibe nicht nur, aber eben auch – zur Abwicklung von Zahlungen eingesetzt, bei denen die wirtschaftlich Begünstigten nicht identifiziert werden sollen, weil sie Geld aus kriminellen Handlungen erlangen. Auch war deshalb Vorsicht geboten, weil der Beklagte erhebliche Provisionen durch schnelle und einfache Handlungen erlangen konnte, die eine seriöse Firma auch selbst durchführen könnte. Daher drängte sich dem Beklagten die Überlegung auf, ob das ihm für die Zwecke des Bitcoins-Kaufs zur Verfügung gestellte Geld aus einer kriminellen Handlung stammte und seine Tätigkeit dazu diente, die Beute zu erlangen bzw. zu sichern.

- Weiter war auffällig, dass das Geld, von welchem Bitcoins gekauft werden sollte, ersichtlich von dem Konto einer Privatperson in Deutschland kam, und zwar in drei Tranchen von etwa 3.300,00 bis 3.500,00 Euro. Für eine Geschäftsbeziehung des Absenders zum Auftraggeber hatte der Beklagte keine objektiv nachvollziehbaren Anhaltspunkte.

Nach dem normativen Maßstab redlich Denkender reichen diese Umstände aus, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die dem Beklagten überwiesenen Beträge nicht vom Kontoinhaber autorisiert waren und vom Beklagten nicht zu dem eingesetzten Zweck verwendet werden durften. Wer die Beträge unter diesen Umständen weiterleitet, verschließt die Augen vor einer solchen Erkenntnis.

Daran ändern auch die Erklärungen des Beklagten nichts:

- Soweit sich der Beklagte darauf beruft, es sei plausibel gewesen, dass deutsche Kunden ihre Rechnungen aus Kostengründen auf ein Konto innerhalb der Europäischen Union überweisen wollten, so war dieser Gedanke nicht geeignet, die Legitimation der Überweisung zu begründen. Zum einen handelte es sich nicht nur um eine, sondern gar um drei Überweisungen. Zum anderen wusste der Beklagte nicht, in welchem Geschäftsbereich die Firma S. tätig ist und welche Waren oder Dienstleistungen von beträchtlichem Wert sie gegenüber dem vermeintlichen Kunden über die Distanz von Russland nach Deutschland erbracht haben will. Ohne diese Kenntnisse konnte der Beklagte die ihm erteilte Erklärung nicht für nachvollziehbar halten.

- Auch die Überlegung des Beklagten, die Zahlungsabwicklung sei gegenüber einer Banküberweisung deutscher Kunden auf ein Konto in Russland kostensparend gewesen, konnte aus der Sicht eines redlich Denkenden nicht die Annahme rechtfertigen, mit den Überweisungen habe alles seine Richtigkeit. Es mag zutreffen, dass eine Zahlung von Deutschland nach Russland mit (nicht nur unerheblichen) Transferkosten verbunden war. Der Beklagte hat aber schon nicht dargelegt, wie hoch diese Kosten üblicherweise angefallen wären. Ob sie die von ihm verlangte Provision von 5 % erreicht hätten, ist zweifelhaft. Ganz abgesehen davon wäre – was allgemein bekannt ist – nicht die Firma S. als Zahlungsempfängerin mit den Transferkosten belastet gewesen, sondern der Absender des Geldes in Deutschland.

Die Klägerin hat sich auch kein Mitverschulden anrechnen zu lassen.

§ 254 BGB ist im Rahmen der Bereicherungshaftung nicht unmittelbar anwendbar. Das Bereicherungsrecht hat die Funktion, einen ungerechtfertigten Vermögenszuwachs beim Bereicherungsschuldner zu korrigieren. Hierfür ist nicht erheblich, wer diesen Vermögenszuwachs zu vertreten hat. Dies schließt es allerdings nicht aus, dass auch Bereicherungsansprüche dem allgemeinen Grundsatz des § 242 BGB unterliegen, von dem § 254 BGB nur eine gesetzlich besonders geregelte Ausprägung ist. Eine Anwendung dieses Rechtsgedankens kommt dann in Betracht, wenn der Bereicherungsgegenstand aufgrund eines von beiden Beteiligten zu vertretenden Umstands untergegangen oder verschlechtert worden ist. In diesem Fall geht es um die Verteilung eines wirtschaftlichen Nachteils, für den beide Parteien verantwortlich sind (Looschelders in: Beck online Großkommentar, Stand: 01.09.2022, § 254 BGB Rn. 72). Dabei ist auch die Wertung des § 819 Absatz 1 BGB zu berücksichtigen, da der Beklagte wie ein Wissender behandelt wird und deshalb verschärft haftet. Gegenüber dem verschärft Haftenden Beklagten träte ein Mitverschulden der Klägerin, das darin liegen soll, die Überweisungsträger nicht korrigiert zu haben, jedenfalls zurück.

Unabhängig davon verfängt der Mitverschuldenseinwand nicht.

Der Begriff des Mitverschuldens erfasst die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Es geht um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, d.h. der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden „Obliegenheit“. Dies beruht auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, dass jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert. Der Schadensbeitrag eines Geschädigten, der sich zugleich als Verstoß gegen eine Rechtspflicht darstellt, gewinnt für die Abwägung ein erhöhtes Gewicht.

Der für die Voraussetzungen des Mitverschuldens darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat jedoch nicht ausreichend vorgetragen, dass es im Bankenverkehr dem Gebot der eigenen Interessenwahrnehmung entspricht, eingehende Überweisungsträger auf deren Authentizität zu überprüfen. Dass die Zahlungsvorgänge im vorliegenden Fall aus gesetzlichen Gründen der Geldwäschebekämpfung zu überprüfen waren, hat der Beklagte nicht behauptet. Er hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass es den Gepflogenheiten einer Bank zur Abwendung eines eigenen Schadens entspricht, bei drei gleichzeitig eingehenden Zahlungsanweisungen zugunsten eines bestimmten Empfängers eine manuelle Prüfung vorzunehmen. Alleine der Umstand, dass zwei andere Banken zuvor ähnliche Überweisungsaufträge an den Beklagten als gefälscht erkannt haben, reicht für die Erkenntnis, dass ein solcher Prüfvorgang dem Gebot der eigenen Interessenwahrnehmung folgt, nicht aus. Bei der täglich großen Anzahl an Überweisungsaufträgen kann die Bank nicht jeden Auftrag manuell überprüfen. Es liegt an jeder Bank, die im Überweisungsverkehr das Fälschungsrisiko trägt, Kriterien bzw. Softwarelösungen zu entwickeln, die eine Fälschung erkennen lassen. Dass die Klägerin dies in einer nicht mehr verständlichen Form unterlassen habe, hat der Beklagte nicht dargelegt.


OLG Stuttgart, 17.11.2022 - Az: 2 U 219/21

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