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Schließungsanordnung von Corona-Teststationen nach negativen Testergebnissen ohne Testdurchführung

Firmen / Gewerbe | Lesezeit: ca. 27 Minuten

Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 6. Juni 2021 in Gestalt des Bescheides von 9. Juni 2021 nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.

Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheides und der Schließungsanordnung (Anordnungen zu Ziffer 1 und 2 des Bescheides vom 9. Juni 2021) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an. Insoweit ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht die aufschiebende Wirkung im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, also insbesondere in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederhergestellt werden. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Bedeutung erlangen. Lässt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Insbesondere in Fällen der Gefahrenabwehr kann dieses besondere Vollzugsinteresse aber mit dem Interesse am Erlass des Bescheides selbst identisch sein. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung.

Nach diesen Grundsätzen erweist sich der Antrag als unbegründet.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf den Seiten 3 und 4 des Bescheides vom 9. Juni 2021 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist. Dort kommt die besondere Dringlichkeit der angeordneten Maßnahmen zum Ausdruck, indem ausgeführt wird, es könne nicht abgewartet werden, dass abschließend über einen Widerspruch und gegebenenfalls eine Klage entschieden werde. Aus der Ausstellung falscher Testbescheinigungen resultierten erhebliche Gefahren für die öffentliche Gesundheit und damit verbunden auch das öffentliche Interesse. Die Testbescheinigungen mit einem negativen Ergebnis berechtigten zu der Teilnahme an zahlreichen Veranstaltungen, den Besuch von Restaurants und anderen Einrichtungen und eröffneten die Möglichkeit, in einem Hotel oder einer Ferienwohnung zu übernachten. Es bestehe dadurch die Gefahr, dass vermeintlich negativ getestete Personen andere mit dem Coronavirus ansteckten. Auch aufgrund des gesteigerten Sicherheitsempfindens, dass ein negatives Testergebnis auslöse, erhöhe sich die Gefahr der Ansteckung bei sozialen Kontakten. Durch das Ausstellen falscher Testbescheinigungen werde das Vorhaben, das gesellschaftliche Leben wieder zu ermöglichen, ohne dabei gleichzeitig die Infektionsgefahr zu erhöhen, in erheblichem Umfang konterkariert. Vor diesem Hintergrund sei es nicht hinnehmbar, dass eine Schließung der Teststationen erst erfolge, wenn abschließend über einen Widerspruch oder ein mögliches Klageverfahren entschieden werde. Die Antragsgegnerin hat damit gezeigt, dass sie den Zweck des in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung in genügenden Weise beachtet hat, indem sie den Antragsteller und das mit einem Aussetzungsantrag befasste Gericht umfassend über die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung informiert und selbst mit Blick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG gezeigt hat, dass sie sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst gewesen ist und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig geprüft hat.

Das dargelegte und auch bestehende besondere Vollzugsinteresse überwiegt vorliegend das Interesse des Antragstellers, von dem Vollzug der Widerrufsverfügung vorläufig verschont zu bleiben.

Der Widerruf der mit Bescheid vom 7. April 2021 und 28. April 2021 erfolgten bis zum 30. Juni 2021 befristeten Beauftragung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin zur Durchführung von Bürgertestungen nach § 4a Coronavirus-Testverordnung (TestV) und die Anordnung der Schließung der von dem Antragsteller betriebenen beiden Teststationen in dem Bescheid vom 9. Juni 2021 sind offensichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für den angegriffenen Widerruf ist zunächst § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz (LVwG), auf den die die Antragsgegnerin die Verfügung vom 9. Juni 2021 auch gestützt hat. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Darüber hinaus kann der Widerruf – wie es die Antragsgegnerin getan hat – auch auf § 117 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LVwG gestützt werden, wonach ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft unter anderem widerrufen werden kann, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

Es sind nachträglich, also nach Erlass der Bescheide vom 7. April 2021 und 28. April 2021, Tatsachen eingetreten, die die Antragsgegnerin berechtigen würden, die Beauftragung des Antragstellers zur Durchführung von Bürgertestungen nach § 4a TestV zu verweigern, weil die ordnungsgemäße Durchführung der beauftragten Tätigkeit durch den Antragsteller nicht hinreichend sichergestellt ist. Der Antragsteller erfüllt darüber hinaus nicht Auflagen aus den Bescheiden über die Beauftragung.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 TestV haben Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und anderer Personen nach Maßgabe der §§ 2-5 und im Rahmen der Verfügbarkeit von Testkapazitäten Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2. Der Anspruch umfasst nach § 1 Abs. 1 Satz 2 TestV das Gespräch mit der zu testenden Person im Zusammenhang mit der Testung, die Entnahme von Körpermaterial, die Diagnostik, die Ergebnismitteilung und die Ausstellung eines Zeugnisses über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Nach § 4a der Verordnung haben asymptomatische Personen Anspruch auf eine Testung mittels PoC-Antigen-Test (Bürgertestung). Nach einem positiven Antigen-Test hat die getestete Person nach § 4b Satz 1 der Verordnung einen Anspruch auf eine bestätigende Testung mittels eines Nukleinsäurennachweises des Coronavirus SARS-CoV-2.

Zur Erbringung der Leistung sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung berechtigt: 1. die zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes und die von ihnen betriebenen Testzentren, 2. die von den Stellen nach Nummer 1 als weitere Leistungserbringer oder als Zentrum beauftragten Dritten und 3. Arztpraxen und die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 können als weitere Leistungserbringer im Sinne von Satz 1 Nummer 2 Ärzte, Zahnärzte, ärztlich oder zahnärztlich geführte Einrichtungen, medizinische Labore, Apotheken, Rettungs- und Hilfsorganisationen und weitere Anbieter, die eine ordnungsgemäße Durchführung, insbesondere eine Schulung nach § 12 Abs. 4, garantieren, beauftragt werden.

Grundlage einer Beauftragung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TestV ist – dies ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung und versteht sich im Übrigen von selbst –, dass eine ordnungsgemäße Durchführung der beauftragten Leistungen gewährleistet ist. Zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der beauftragten Leistung gehört insbesondere, dass das Zeugnis über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 auf Grundlage des tatsächlichen Testergebnisses eines tatsächlich durchgeführten Tests ausgestellt wird. Die ausgestellten Bescheinigungen mit einem negativen Ergebnis sollen im Rahmen der stufenweise durchgeführten Lockerungen eine Vielzahl von Kontakten ermöglichen, bei denen durch die (negative) Testung das Risiko einer Übertragung mit dem Virus verringert werden soll. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn Bescheinigungen ausgestellt werden, denen nicht ein tatsächlich vorliegendes Testergebnis aufgrund eines tatsächlich durchgeführten Testes zugrunde liegt. Denn dann besteht die Gefahr, dass infizierte Personen die durch die Bescheinigung eröffneten Kontaktmöglichkeiten nutzen und so zur Weiterverbreitung des Virus beitragen. Die Bescheide über die Beauftragung enthielten die Auflage, dass der Antragsteller die Mindestanforderungen gemäß Anlage AV-SH (Mindestanforderungen an Teststellen) erfüllt. Diese Anforderungen sehen vor, dass die Betreiberin/der Betreiber zuverlässig im Sinne des Gewerberechts sein muss. Eine Zuverlässigkeit liegt nicht vor, wenn nicht die ordnungsgemäße Durchführung der übertragenen Aufgaben gewährleistet ist.

Die Prognose, dass der Antragsteller eine ordnungsgemäße Durchführung der beauftragten Leistung gewähren kann, lässt sich aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen nicht mehr aufrechterhalten, sodass die Antragsgegnerin die Beauftragung des Antragstellers verweigern kann.

Dies ergibt sich aus folgenden Tatsachen:

Die Leiterin eines Restaurants wollte sich nach eigenen Angaben in einer E-Mail vom 6. Juni 2021, gesendet um 19:19 Uhr, in einer Teststation des Antragstellers testen lassen. Sie habe sich dort mit einem Scan einfach einen Termin holen können. Als sie an der Anmeldung gestanden habe, habe sie erfahren, dass sie ohne Personalausweis oder Krankenversicherungskarte keinen Test machen könne. Für sie sei das kein Problem gewesen, sie würde dann einfach am nächsten Tag noch einmal mit den Unterlagen vorbeikommen. Ca. 20 Minuten später habe sie eine E-Mail mit einem negativen Testergebnis zugesendet bekommen, ohne jemals einen Test vor Ort gemacht zu haben. Das habe sie sehr irritiert. Auf dem ausgestellten Zertifikat ist als Testdatum der 6. Juni 2021, 17:07 Uhr, angegeben. Es ist dort vermerkt, dass die Gültigkeit des Zertifikates durch Abgleich mit der Online-Version über einen QR-Code bestätigt werden könne. Die Antragsgegnerin entzog dem Antragsteller daraufhin mit E-Mail vom 6. Juni 2021, 20:41 Uhr, die Beauftragung zur Durchführung von Antigentests.

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