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Erfolgloser Antrag auf Außervollzugsetzung des Verbots der Ausübung des Prostitutionsgewerbes.

Firmen / Gewerbe | Lesezeit: ca. 33 Minuten

Die Antragstellerin betreibt als alleinige Geschäftsführerin den Prostitutionsbetrieb in der A-Straße, A-Stadt. Der Betrieb der Prostitutionsstätte stellt für die Antragstellerin die alleinige finanzielle Lebensgrundlage dar.

Die Antragstellerin beantragt im vorliegenden Verfahren, Art. 2 § 7 Abs. 2 der Verordnung zur Änderung infektionsrechtlicher Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, sie habe ihren Betrieb bereits von März 2020 bis zum 6.8.2020 schließen und ihre Rücklagen aufbrauchen müssen. An staatlichen Hilfen sei ihr lediglich der Corona-Soforthilfepauschalbetrag in Höhe von 9.000,00 € gewährt worden. Mit der Verordnung vom 30.10.2020 sei nunmehr - mit einer Vorlaufzeit von lediglich fünf Tagen - abermals der Betrieb von Prostitutionsstätten pauschal untersagt worden. Begründet worden sei dies abermals mit der schlichten Vermutung, dass ein Zusammenhang mit der Öffnung von Prostitutionsbetrieben und dem Anstieg der Neuinfektionen bestehe. Die Verordnung sei formell rechtswidrig, da Art. 12 GG in der genannten Ermächtigungsgrundlage (§ 32 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG) keine Erwähnung finde. Zudem verstoße die Verordnung gegen den Parlamentsvorbehalt. Die Bundes- und die Landesregierung hätten es versäumt, über das beruhigte Infektionsgeschehen der Sommermonate hinaus Ermächtigungsgrundlagen mit angemessener Tragweite in die Parlamente einzubringen und für diese demokratisch notwendige Mehrheiten zu gewinnen. Es seien kaum nennenswerte Feldstudien zur Konkretisierung der Gefahrenlage, insbesondere bezüglich Infektionsraten und -wegen, Krankheitsverläufen und Kausalbeitrag der Viruserkrankung zum Tod der Patienten in Auftrag gegeben worden. Seit Beginn der Krise beriefen sich die Entscheidungsträger als Entscheidungsgrundlage primär auf Prognosen des RKI, welche auf Schätzungen beruhten, die wiederum regelmäßig aus unsicheren Datengrundlagen abgeleitet würden. Dies möge zwar in Ermangelung valider wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Anfangsphasen einer solchen Pandemie zur Vornahme einer frühzeitigen Risikoabschätzung sinnvoll gewesen sein, könne jedoch nicht als dauerhafte Lösung angesehen werden. Inwieweit der Mensch überhaupt in der Lage sei, die Verbreitungsweise von Viren flächendeckend durch Alltagsquarantäne und „Social Distancing“ zu kontrollieren, sei bis zum heutigen Tag kaum abschließend untersucht worden. Zwar handele es sich bei der Reduzierung der Neuinfektionen zur Verbesserung des Schutzniveaus der Risikogruppe, die sich hauptsächlich aus älteren Menschen mit regelmäßig altersbedingten Vorerkrankungen zusammensetze, um einen legitimen Zweck. Die befürchtete Überlastung des Gesundheitswesens, speziell eine Überlastung der Intensivkapazitäten, müsse jedoch kritisch hinterfragt werden. Nachdem nunmehr bereits 11 Monate der globalen Pandemie vergangen seien, sei es praktisch nirgends auf der Welt zu einem solchen Zusammenbruch von Gesundheitssystemen gekommen. Auch wenn aktuell die Zahl der Corona-positiven Patienten auf Intensivstationen wieder ansteige, bleibe die Gesamtzahl der freien Intensivbetten bei ca. 25 % freien Kapazitäten auf stabilem Niveau. Zudem sei keine Korrelation zwischen Anstieg bzw. Abfall von Corona-Intensivpatienten und der Gesamtzahl belegter Intensivbetten erkennbar. Insbesondere steige die Anzahl der Intensivpatienten nicht ansatzweise im Verhältnis zum Anstieg der Neuinfektionen. Die Maßnahmen seien im Rahmen des bisher nachgewiesenen Infektionsgeschehens ungeeignet, wenn nicht sogar kontraproduktiv, um die erwünschten Zwecke zu erreichen. Nach Feststellungen des RKI hätten nur 25 % der Neuinfektionen erfolgreich zurückverfolgt werden können. Von diesen nachvollzogenen Neuinfektionen gehe der Hauptanteil auf private Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit einer Vielzahl von Teilnehmern zurück. Nach Vermutungen des RKI sorge die hohe Personendichte bei unzureichender Belüftung für die vermehrten Infektionen. Naturgemäß handele es sich bei der Prostitution jedoch um eine Tätigkeit, die grundsätzlich nicht von vielen Personen gleichzeitig in einem Raum ausgeübt werde. Weiterhin seien das Prostitutionsgesetz und das Prostituiertenschutzgesetz vom Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Erkenntnis erlassen worden, dass sich die Ausübung des „ältesten Gewerbes der Welt“ nicht durch Verbote wirksam verhindern lasse. Nach historischen Erfahrungen führe ein Verbot der Prostitution nicht zu einem maßgeblichen Rückgang von Angebot und Nachfrage, sondern es finde lediglich eine Verschiebung in eine Dunkelwelt statt, welche sich staatlicher Kontrolle und Regulation entziehe. Vor allem aber unterliege ihr Betrieb mittlerweile nicht nur den üblichen Sicherheits- und Hygienevorschriften des Prostituiertenschutzgesetzes, sondern auch weiterhin den dezidierten Covid-19-Hygienemaßnahmen auf Basis eines behördlich genehmigten Hygienekonzepts. Sie, die Antragstellerin, achte auf die Einhaltung dieser Hygienestandards nicht nur aus Solidarität gegenüber den Prostituierten und der Gesellschaft minutiös, sondern auch deshalb, da deren Nichteinhaltung unter der Androhung erheblicher Bußgelder stehe und unter Umständen sogar ihre Betriebsgenehmigung als solche gefährde. Deshalb sei es schlichtweg inkohärent, aus der Feststellung heraus, dass der Hauptanteil der Neuinfektionen ebenfalls auf unregulierte private Bereiche zurückgehe, die Prostitution abermals in eben diesen unregulierten privaten Bereich zu verdrängen. Ihr sei - deutschlandweit und seit Beginn der Pandemie - kein einziger dokumentierter Fall einer infizierten Prostituierten oder einer in ein Bordell zurückverfolgten Neuinfektion bekannt geworden. Dies möge zwar auch dem Umstand geschuldet sein, dass alle Beteiligten in diesem Metier regelmäßig um Diskretion bemüht seien, bleibe jedoch bei der hohen Gesamtzahl deutscher Prostitutionsbetriebe durchaus bedenkenswert. Die dem Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang einzuräumende, weitreichende Einschätzungsprärogative müsse dort enden, wo sich das Vorgehen jeglicher Überprüfbarkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entziehe. Dies sei vorliegend der Fall, da die Verordnung auf Basis reiner Spekulationen begründet werde und zudem die Erkenntnisse bezüglich des verifizierbaren Teils des Infektionsgeschehens schlichtweg ignoriere. Der Ministerpräsident des Saarlandes habe zur Begründung der Infektionsbekämpfung angegeben, dass man ja schließlich nur 25 % aller Neuinfektionen habe zurückverfolgen können und deshalb nicht auszuschließen sei, dass die restlichen 75 % u.a. auf Gaststätten und Bordellbetriebe zurückgingen. Diese Argumentation übersehe, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass von regulierten Bordellen im Allgemeinen und von ihrem Prostitutionsbetrieb im Speziellen eine Infektionsgefahr ausgehe, beim Antragsgegner liege. Auf Basis der Gesamtlage sei die Vornahme einer Erforderlichkeitsprüfung praktisch unmöglich. Da der Landesregierung selbst weder der Umfang des zu bekämpfenden Infektionsgeschehens bekannt zu sein scheine noch wer welche Anteile daran trage und somit auch nicht ob und inwieweit welche der konkreten Maßnahmen welche Wirkung haben, lasse sich weder abgrenzen, ob mildere Mittel zur Verfügung stehen noch deren potenzielle Effektivität realistisch beurteilen. Sie sei daher dem Regierungshandeln schutzlos ausgeliefert. Dies stehe in deutlichem Widerspruch zum Individualschutzcharakter der Grundrechte und zum Grundsatz der Überprüfbarkeit staatlichen Handelns. Die angegriffene Verordnung sei zudem rechtswidrig, da Schwere und Reichweite der durch sie verursachten Grundrechtseingriffe außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stünden. Sie, die Antragstellerin, habe bereits durch die ersten Corona-Maßnahmen erhebliche finanzielle Einbußen erleiden müssen, die sich durch die erneute Zwangsschließung nunmehr potenzierten. Die Ersparnisse seien irgendwann aufgebraucht, während auch ein geschlossener Betrieb noch laufende Kosten generiere. Zudem bestreite sie ihren gesamten Lebensunterhalt inclusive ihrer Kranken- und Altersversicherungen aus dem Einkommen des Gewerbes. Mittelbar sei auch ihre Gesundheit betroffen, da finanzielle Mittel einen erheblichen Einfluss auf Gesundheit und Lebenserwartung hätten. Alternative Einkommensquellen stünden ihr nicht offen. Die Gesamtsituation wirke mittelfristig existenzbedrohlich. Die bislang gewährten 9.000 € Corona-Soforthilfe seien gemessen am Zeitraum und den laufenden Betriebs- und Privatkosten lediglich ein „Tropfen auf den heißen Stein“. Auch die Auswirkungen auf die Prostituierten dürften nicht unbeachtet bleiben. Bei realistischer Betrachtung der Lebenssituation vieler Prostituierten sei nicht davon auszugehen, dass ihnen - oftmals mangels Ausbildung - vielseitige alternative Einkommensoptionen zur Verfügung stünden. Auch dürfte sich die Anzahl derjenigen, die erfolgreich staatliche Corona-Hilfen beantragen könnten, in engen Grenzen halten. All dies geschehe, weil der Antragsgegner sogar im Betrieb von Prostitutionsgewerben unter besonderen Hygieneauflagen noch einen irgendwie gearteten potenziellen Beitrag zum Gesamtinfektionsgeschehen vermute. Eine maßgebliche direkte Gefährdung der primär betroffenen Risikogruppe von vorerkrankten 75-jährigen könne hingegen ausgeschlossen werden, da Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe per se schon nicht zur zentralen Zielgruppe von Prostitutionsbetrieben gehörten. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die allgemeine Wahrnehmung der pandemischen Lage bei betagten Senioren aktuell plötzliche Wünsche nach Bordellbesuchen wecke. Hierbei solle nicht in Abrede gestellt werden, dass bei dem notwendigerweise engen Körperkontakt des Sexualkontaktes ein erhöhtes Infektionsrisiko gegeben sei. Dennoch müsse die Wirksamkeit solcher Regelungen an der Realität und nicht am Wunschdenken gemessen werden. Im Ergebnis führe die Regelung dazu, dass Prostituierte ihre Profession eben nicht mehr in Betrieben wie ihrem ausübten, wo für ihre Sicherheit, ihr Wohl und den Infektionsschutz gesorgt werde, sondern sie in Eigenregie ungeschützten Verkehr in Privatwohnungen oder auf dem Straßenstrich betrieben. Gemessen daran, dass durch die angegriffene Verordnung kaum ein nennenswerter Schutz der Risikogruppe zu erwarten sei, stünden die wirtschaftlichen Schäden bei Betreibern und die Gefahren für Leib- und Leben der Prostituierten völlig außer Verhältnis zum angestrebten Zweck.

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