Die Klägerinnen wenden sich gegen die von der Beklagten durch infektionsschutzrechtliche Allgemeinverfügung vorübergehend angeordneten Betriebsschließungen ihrer Fitnessstudios.
Die Klägerinnen betreiben Fitness- und Freizeitanlagen im Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Sie stellen ihren Kunden gegen regelmäßig zu zahlendes Entgelt Sportgeräte auf Mietbasis zur Verfügung und bieten unter anderem Sportkurse und die Nutzung einer Sauna an.
Am 21. April 2020 haben die Klägerinnen Klage erhoben. Sie tragen vor, sie hätten durch die vorübergehende Betriebsschließung einen wirtschaftlichen Schaden erlitten, welcher zu einer Gefährdung der Existenz führe. Ihre Kunden seien berechtigt gewesen, die Entgelte für den Zeitraum der Schließung auszusetzen. Durch die daraus resultierenden fehlenden Einnahmen seien sie gegenüber ihren Gläubigern in Verzug gekommen und laufende Kosten hätten nicht gedeckt werden können.
Ihr Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung liege vor, denn sie würden beabsichtigen, mögliche Schadensersatzansprüche in einem späteren Amtshaftungsprozess gegen die Beklagte geltend zu machen. Auch seien sie in ihren Grundrechten, insbesondere der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, verletzt.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig gewesen, jedenfalls soweit diese in Ziff. 5 die Betriebsschließung von Fitnessstudios angeordnet habe. Die Regelung habe bereits nicht auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruht, denn der Anwendungsbereich des § 28 IfSG sei nicht eröffnet gewesen. Diese Vorschrift setze voraus, dass in dem jeweiligen Fitnessstudio Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt würden. Dies sei nicht der Fall, denn es habe keinen bekannten Fall im Zusammenhang mit dem Betrieb ihrer Studios gegeben. Die Allgemeinverfügung habe einen rein präventiven Charakter gehabt, sodass der Anwendungsbereich des § 16 IfSG eröffnet gewesen sei.
Dass die Vorschrift des § 28 IfSG keine Maßnahmen umfasse, die gegen die Allgemeinheit gerichtet seien, ergebe sich auch daraus, dass die in §§ 56 bis 68 IfSG vorgesehenen Entschädigungsansprüche ausschließlich zugunsten infizierter Personen bestehen. Hätte der Gesetzgeber Maßnahmen gegen nicht infizierte Personen vorgesehen, hätte er nach Auffassung der Klägerinnen im 12. Abschnitt des IfSG entsprechende Ausgleichsansprüche normiert. Zudem sei § 28 IfSG nicht hinreichend bestimmt. Dies habe auch der Gesetzgeber erkannt, denn er habe zuletzt am 19. Mai 2020 das IfSG, darunter auch § 28, geändert.
Selbst wenn die Beklagte die Betriebsschließungen auf § 28 IfSG habe stützen können, bestünden Zweifel, ob die Betriebsschließungen eine „notwendige Schutzmaßnahme“ im Sinne der Vorschrift gewesen seien. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle grundsätzlich individuell gegen die Betroffenen (Infizierten) vorgegangen werden, nicht aber das Leben der Allgemeinheit beschränkt werden. Zwar könne die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG aus repressiven Gesichtspunkten Veranstaltungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten, allerdings beziehe sich diese Möglichkeit auf die Beschränkung von öffentlichen Veranstaltungen und nicht auf die Schließung privater Betriebe.
Auch ergebe sich aus § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG, dass nur einzelne Grundrechte durch die „notwendigen Maßnahmen“ eingeschränkt werden dürften. Darunter falle jedoch nicht die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG, denn diese werde in § 28 IfSG nicht erwähnt.
Im Übrigen sei die allgemeine Anordnung von Betriebsschließungen unverhältnismäßig gewesen. Die Beklagte habe deshalb ermessensfehlerhaft gehandelt, weil sie nicht berechtigt gewesen sei, den Betrieb sämtlicher Fitnessstudios ohne Ausnahme pauschal in Verbindung mit listenartig aufgeführten anderen Einrichtungen zu untersagen. Sie habe verkannt, dass temporäre Betriebsschließungen eine Ultima Ratio seien. Vielmehr hätte sie jeden einzelnen Betriebstyp individuell prüfen und entsprechend der Prüfergebnisse durch Anordnungen, Auflagen oder sonstigen Beschränkungen handeln müssen. In Bezug auf Fitnessstudios sei eine Vielzahl an milderen Mitteln denkbar gewesen, um den Betrieb auch zu Zeiten von SARS-CoV-2 aufrechtzuerhalten. Insbesondere wären eine Personenbeschränkung entsprechend der Quadratmeterzahl, die Verpflichtung zur vorherigen Terminabsprache, die Pflicht zum Trainieren mit Mundschutz, die Anordnung, Geräte so zu platzieren, dass der Mindestabstand von 1,50m eingehalten werde, oder die Anordnung, dass der Studiobetreiber dafür Sorge zu tragen habe, dass jeder Kunde nach der Nutzung eines Gerätes dieses durch bereitgestellte Desinfektionsmittel desinfiziere, denkbar gewesen. Auch sei zu berücksichtigen gewesen, dass es im jeweiligen Bezirk der Klägerinnen keine signifikanten Infektionszahlen gegeben habe und dass sich die Mitte April in der Politik geäußerten Bedenken hinsichtlich der Ausbreitung des Virus nicht im Ansatz bestätigt hätten. Zum Zeitpunkt der getroffenen Maßnahmen habe angesichts der damaligen Fallzahlen keine Notwendigkeit bestanden, diese zu veranlassen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Betrieb vom Fitnessstudios zunächst lediglich einzuschränken und sodann unter Beobachtung der Fallzahlen eine stufenweise Anpassung vorzunehmen. Die Unangemessenheit der Betriebsschließungen zeige sich auch darin, dass es seit der Wiedereröffnung von Fitnessstudios zu keinem signifikanten Anstieg der Infektionszahlen gekommen sei. Es sei daher kaum denkbar, dass ein Fitnessstudio als „Superspreader“ anzusehen sei.
Die Beklagte hätte im Rahmen der Ermessensentscheidung zudem berücksichtigen müssen, dass das Coronavirus in den überwiegenden Fällen nicht zum Tode führe. Die Sterberate in Deutschland liege bei 0,01 % und könne daher keine derartigen Einschränkungen rechtfertigen. Im Vergleich habe es während der Grippewelle in den Jahren 2017 und 2018 mehr Todesfälle gegeben, ohne dass das öffentliche Leben eingeschränkt worden sei. Auch werde nicht auf die zahlreichen Toten durch Krankenhauskeime reagiert.
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