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Eindeutige Geschlechtszuordnung beim Vornamen ist nicht immer verpflichtend!

Familienrecht | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Es ist nicht erforderlich, dass ein Inder hinduistischen Glaubens, der sein Kind Kiran nennen möchte, diesem einen weiteren Vornamen geben muss, der das Geschlecht des Kindes eindeutig erkennen lässt.

Es gibt keine Anforderung des Gesetzgebers oder des Personenstandsrechts, nach der der Vorname des Kindes über das Geschlecht des Kindes informieren muss.

Eine entsprechende Anforderung ist lediglich in einer Dienstanweisung für Standesbeamte geregelt und somit in einer Verwaltungsvorschrift ohne Gesetzescharakter.

Hierzu führte das Gericht aus:

Das Recht der Eltern, Sorge für ihr Kind zu tragen, umfasst auch das Recht, diesem einen Namen zu geben. Die Entscheidung, welchen Namen das Kind tragen soll, haben die Eltern in Ausführung der Verantwortung für das Kind zu treffen. Dies betrifft auch die Wahl des Vornamens, der der Individualität einer Person Ausdruck verleiht, den Einzelnen bezeichnet und diesen von anderen unterscheidet. Es ist zuvörderst Aufgabe der Eltern, ihrem Kind in freier gemeinsamer Wahl einen Namen zu bestimmen, den es sich selbst noch nicht geben kann. Mangels einschlägiger Bestimmungen im Namensrecht sind die Eltern in der Wahl des Vornamens grundsätzlich frei. Diesem Recht der Eltern zur Vornamenswahl darf allein dort eine Grenze gesetzt werden, wo seine Ausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht. Der Staat ist zur Wahrnehmung seines Rechts nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG berechtigt und verpflichtet, das Kind als Grundrechtsträger vor verantwortungsloser Namenswahl durch die Eltern zu schützen. Für einen darüber hinausgehenden Eingriff in das Elternrecht auf Bestimmung des Vornamens für ihr Kind bietet Art. 6 Abs. 2 GG keine Grundlage.

Das mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Kindes, welches auch das Recht auf Erhalt eines Vornamens und dessen Schutz umfasst, steht in einem besonderen Verhältnis zum Recht seiner Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Das Elternrecht ist wesentlich ein Recht im Interesse des Kindes und damit als ein treuhänderisches Recht anzusehen. Der Entscheidung der Eltern kommt für die Persönlichkeit des Kindes deswegen Bedeutung zu, weil der Name ihm verhilft, seine Identität zu finden und seine Individualität zu entwickeln.

Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Soweit die Gerichte den Eintrag des von den Eltern für das Kind gewählten Vornamens „Kiran“ in das Geburtsregister nur unter der Bedingung für zulässig erachtet haben, dass diesem ein weiterer Vorname hinzugefügt werde, der das Geschlecht des Kindes eindeutig erkennen lasse, besteht hierfür weder eine gesetzliche Grundlage noch erfordert das Kindeswohl eine solche Einschränkung des elterlichen Bestimmungsrechts.

Der Gesetzgeber hat weder ausdrücklich noch immanent einen Grundsatz geregelt, wonach der von den Eltern für ihr Kind gewählte Vorname über das Geschlecht des Kindes informieren muss. Ein solcher Grundsatz lässt sich auch nicht dem Personenstandsrecht entnehmen. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG sind zwar Vornamen und nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG das Geschlecht eines Kindes in das Geburtsregister einzutragen. Hieraus folgt indes keine Begrenzung der elterlichen Vornamenswahl auf einen geschlechtsbezogenen Namen. Soweit sich das Amtsgericht auf die Dienstanweisung für Standesbeamte und ihre Aufsichtsbehörden gestützt hat, handelt es sich hierbei um eine Verwaltungsvorschrift ohne Gesetzescharakter.

Ebenso wenig kann vorliegend die von den Gerichten angeführte Begründung zum Interesse des Kindes an einem sein Geschlecht eindeutig im deutschen Sprachgefühl offenbarenden Vornamen eine Begrenzung des elterlichen Bestimmungsrechts rechtfertigen.

Soweit dem Vornamen für die Persönlichkeit des Kindes Bedeutung zukommt, weil er dem Kind hilft, seine Identität zu finden und seine Individualität zu entwickeln, ist von einer Gefährdung des Kindeswohls allenfalls dann auszugehen, wenn der gewählte Vorname dem Kind offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise die Möglichkeit bietet, sich anhand des Vornamens mit seinem Geschlecht zu identifizieren.

Eine Kindeswohlgefährdung, die den Eingriff in das elterliche Recht auf Wahl des Kindesnamens rechtfertigen könnte, ist nach alledem nicht erkennbar. Nach den Feststellungen in den angegriffenen Entscheidungen und dem Vortrag der Beschwerdeführer tragen männliche und weibliche Personen den Namen „Kiran“. Insofern ist nicht ersichtlich, dass eine geschlechtsspezifische Identifikation mit dem Vornamen „Kiran“ offensichtlich unmöglich ist.


BVerfG, 05.12.2008 - Az: 1 BvR 576/07

ECLI:DE:BVerfG:2008:rk20081205.1bvr057607

Vorgehend: OLG München, 01.02.2007 - Az: 31 Wx 113/06

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