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Kein Kinderschutzverfahrens wegen Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen!

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Mit Schriftsatz vom 12.05.2021 regten die Eltern beim Familiengericht Bad Liebenwerda an, ein Verfahren nach § 1666 BGB einzuleiten.

Das Wohl ihrer beiden Kinder sei derzeit nachhaltig gefährdet, weil sie verpflichtet sind, in der Schule eine Gesichtsmaske zu tragen, einen Mindestabstand zu anderen Personen einzuhalten sowie an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 teilzunehmen. Sie stellten mit näheren Darlegungen und unter Bezugnahme auf verschiedenste Veröffentlichungen die Schutzwirkungen der angeordneten Maßnahmen in der Sars-CoV-2-Pandemie in Frage, die umgekehrt allerdings das körperliche, geistige und seelische Wohl der beiden Kinder nachhaltig beeinträchtigten und deshalb ungeeignet oder (zumindest) unverhältnismäßig seien.

Die Eltern haben gefordert, der Schulleitung und den Lehrern sowie deren Vorgesetzten die Anordnung der benannten infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zu untersagen und diese zu verpflichten, den Präsenzunterricht an der Schule aufrecht zu erhalten.

Mit Beschluss vom 07.06.2021 hat das Amtsgericht die Einleitung sorgerechtlicher Kinderschutzmaßnahmen abgelehnt, weil der Anwendungsbereich des § 1666 BGB nicht eröffnet sei. Die Schule sei nicht Dritter im Sinne von § 1666 Abs. 4 BGB. Eine Anordnungskompetenz des Familiengerichts gegenüber der Schulbehörde oder einzelnen Lehrern bestehe nicht.

Gegen diese ihnen am 15.06.2021 zugestellte Entscheidung haben die Eltern mit einem am 15.07.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, die in der Folgezeit auch begründet worden ist. Mit dem Rechtsmittel verfolgen sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Hierzu führte das Gericht aus:

Die Beschwerde der Eltern ist zwar statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden. In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Einleitung eines Kinderschutzverfahrens abgelehnt.

Verpackt in einen Antrag auf Erlass kinderschutzrechtlicher Maßnahmen nach §§ 1666 Abs. 1 und Abs. 4 BGB greifen die Eltern die Anordnungen der Leitung der Schule, die ihr Sohn bzw. ihre Tochter besuchen, und damit die zugrunde liegenden Bestimmungen der Siebten SARS-CoV-2 Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg vom 06.03.2021 (GVBl. II Nr. 24), zuletzt geändert durch Verordnung vom 01.06.2021 (GVBl. II Nr. 57) und zwischenzeitlich seit dem 01.08.2021 ersetzt durch die Zweite SARS-CoV-2-Umgangsverordnung vom 29.07.2021 (GVBl. II Nr. 75), geändert durch Verordnung vom 24.08.2021 (GVBl. II Nr. 77), an. Sie suchen die Befreiung ihrer beiden Kinder von der sog. Zwangstestung, der verpflichtenden Distanzwahrung und der Verpflichtung zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen zu erreichen. Damit können sie aus grundsätzlichen rechtlichen Gesichtspunkten keinen Erfolg haben.

Es fehlt nämlich bereits an der Zuständigkeit des Familiengerichts für den Erlass der begehrten Maßnahmen. Richtig ist allein, dass in die Zuständigkeit der Familiengerichte als Kindschaftssachen im Sinne von § 151 FamFG Verfahren nach § 1666 BGB fallen, die zum Erlass gerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls im konkreten Einzelfall nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichten. Dabei erlaubt § 1666 Abs. 4 BGB den Familiengerichten, in Angelegenheiten der Personensorge auch Anordnungen gegenüber Dritten zu treffen, um „dem Familiengericht die Möglichkeit zu eröffnen, gegen kindeswohlgefährdende Dritte vorgehen zu können, ohne dass ein Umweg über das Zivilrecht gegangen werden muss (BT-Drs. 8/2788, S. 59)“.

Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche individuelle Kindeswohlgefährdung, der durch familiengerichtliche Maßnahmen zu begegnen wäre, sind im Streitfall weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der vorliegend erstrebte Erlass von gegen die Schulleitung und die Lehrkräfte („Leitung“ und „Lehrkörper“) bzw. deren Vorgesetzte („Vorgesetzte der Schulleitung“) gerichteten Anordnungen zur Aufhebung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen (Maskenpflicht, Distanzwahrung, Verpflichtung zu Schnelltests) fällt nicht in den Kreis der nach § 1666 BGB eröffneten Maßnahmen. Insoweit fehlt es bereits an einer Weisungsbefugnis des Familiengerichts gegenüber Hoheitsträgern.

Ebenso wenig wie Familiengerichte die Jugendämter gegen deren Willen verpflichten können, Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu bewilligen, sind sie befugt, andere staatliche Behörden, wie etwa Schulämter, einzelne Schulen bzw. deren Funktionsträger (Schulleitung, einzelne Lehrkräfte) in ihrem Tun oder Unterlassen anzuweisen. Die gerichtliche Kontrolle derartigen Behördenhandelns - auch unter dem Aspekt einer möglichen Verletzung des Kindeswohls im Rahmen des schulrechtlichen Sonderstatusverhältnisses - obliegt allein der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Eine Verweisung an das Verwaltungsgericht war nicht veranlasst, da (schon) das Amtsgericht zu Recht die Einleitung eines Kinderschutzverfahrens abgelehnt hat und § 17a GVG für Verfahren, die – wie hier – nur von Amts wegen eingeleitet werden können, nicht in Betracht kommt.


OLG Brandenburg, 01.09.2021 - Az: 9 UF 131/21

ECLI:DE:OLGBB:2021:0901.9UF131.21.00

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