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Keine Außervollzugsetzung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 38 Minuten

Die Antragstellerinnen wenden sich mit ihrer Popularklage u. a. gegen die Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 (BayMBl Nr. 737, BayRS 2126-1-15-G). Sie beantragen, diese im Weg einer einstweiligen Anordnung außer Vollzug zu setzen.

Gestützt ist die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Rechtsverordnung, die gemäß ihrem § 29 Abs. 1 am 16. Dezember 2020 in Kraft getreten ist und mit Ablauf des 10. Januar 2021 außer Kraft tritt, auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1, §§ 28 a, 29, 30 Abs. 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl I S. 1045), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 18. November 2020 (BGBl I S. 2397) geändert worden ist, sowie in Verbindung mit § 9 Nr. 5 der Delegationsverordnung (DelV) vom 28. Januar 2014 (GVBl S. 22, BayRS 103-2-V), die zuletzt durch Verordnung vom 13. Januar 2020 (GVBl S. 11) geändert worden ist.

Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, dass die Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung „sowohl formal als auch materiell verfassungswidrig“ sei und „ihre Anwendung mit schweren Nachteilen aufgrund rechtswidriger Grundrechtseingriffe einhergeh[e]“.

Insbesondere machen sie geltend, die Ausgangsbeschränkung nach § 2 11. BayIfSMV und die nächtliche Ausgangssperre nach § 3 11. BayIfSMV griffen in ihre Grundrechte auf Freiheit der Person (Art. 102 BV), Freizügigkeit (Art. 109 Abs. 1 BV) und Schutz der Familie (Art. 124 BV) sowie in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) ein. Die Ausgangssperre habe eine Beschränkung der „räumlichen Entfaltung“ für die Antragstellerinnen zur Folge. Ein gemeinsames Treffen der Antragstellerinnen mit ihren jeweiligen Eltern und Geschwistern inklusive Nichten und Neffen werde dadurch unmöglich gemacht. Außerdem sei das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 106 Abs. 3 BV) tangiert, weil ein Treffen auch in privat genutzten Räumen verboten sei. § 10 11. BayIfSMV beeinträchtige die allgemeine Handlungsfreiheit der Antragstellerinnen, weil sie nicht gemeinsam Sport treiben dürften. §§ 13 und 14 11. BayIfSMV verletzten die Grundrechte auf Eigentum (Art. 103 BV) und Berufsfreiheit (Art. 101 BV), weil den Betroffenen die Ausübung ihres Gewerbes vollständig bzw. bis auf kleine Teilbereiche untersagt werde. Eine wirtschaftliche Betätigung werde damit unmöglich gemacht. Dies gelte in gleicher Weise für die Schließung von Kulturstätten (§ 23 11. BayIfSMV), soweit diese in privater Trägerschaft betrieben würden. Ebenfalls betroffen sei Art. 109 Abs. 1 Satz 2 BV, der das Recht umfasse, an jedem beliebigen Ort in Bayern jeden Erwerbszweig zu betreiben.

Die Verordnung verstoße schon deshalb gegen die Verfassung, weil wegen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes und wegen des Wesentlichkeitsgrundsatzes in dem hier berührten grundrechtsrelevanten Bereich alle wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber selbst mittels parlamentarischen Gesetzes zu treffen seien. Davon unabhängig stelle § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1, §§ 28 a, 29, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die angegriffene Verordnung dar. Die genannten Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes genügten ihrerseits nicht den Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 GG und verstießen gegen die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots. Außerdem seien die Voraussetzungen für den Erlass einer Rechtsverordnung auf der Grundlage des § 28 a IfSG nicht erfüllt. Weder sei eine epidemische Lage von nationaler Tragweite im Sinn des § 5 Abs. 1 IfSG gegeben, noch lägen belastbare Erkenntnisse über die tatsächliche Zahl der Erkrankungen an COVID-19 („Infektionszahlen“) vor.

Die angegriffenen Vorschriften verstießen gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die nächtliche Ausgangssperre habe keine Auswirkung auf das Infektionsgeschehen und sei deshalb ungeeignet. Die Ausgangsbeschränkung und die nächtliche Ausgangssperre seien nicht erforderlich, da mildere Mittel, etwa Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebot und Maskenpflicht, zur Verfügung stünden. Auch die Einschränkungen für Gastgewerbe und Kulturbetriebe verstießen gegen das Erforderlichkeitsgebot, weil insoweit auf mildere Mittel, etwa betriebliche Hygienekonzepte, Kapazitätsbeschränkungen und Belüftungssysteme, zurückgegriffen werden könne. Außerdem lieferten Gastgewerbe und Kulturbetriebe nachweislich keinen wesentlichen Beitrag zum Infektionsgeschehen. Insgesamt sei vorrangig für einen gezielten Schutz der Risikogruppen zu sorgen. Die beanstandeten Grundrechtseingriffe könnten nicht unter Hinweis auf die gestiegenen Inzidenzzahlen und das Ziel, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, gerechtfertigt werden. Ein positiver PCR-Test könne nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mit einer Corona-Infektion gleichgesetzt werden. Zudem seien PCR-Tests äußerst fehleranfällig. Die erhobenen Zahlen rechtfertigten nicht das Bild einer „nationalen Katastrophe“. Die Infektionstodesrate von COVID-19 liege nicht über 0,23 %. Deutschlandweit habe es 2020 lediglich 23.427 „Corona-Todesfälle“ gegeben, das entspreche 0,00028 % der Bevölkerung. Statistisch gesehen würden in Deutschland jedes Jahr mehr Menschen an Grippe und Lungenerkrankungen sterben als an Corona. Eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe nicht. Nach Angaben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) habe die durchschnittliche Auslastung der Intensivstationen in Deutschland vor Corona bei ca. 80 % gelegen. Am 16. Dezember 2020 habe eine Auslastung von 82,3 % bestanden. Eine durch Corona bedingte Überlastung zeichne sich somit nicht ab.
Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, wegen der besonderen Krisensituation im Zusammenhang mit Corona dürfe sich der Verfassungsgerichtshof im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mit der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache begnügen, sondern müsse eine darüber hinausgehende inhaltliche Überprüfung vornehmen. Dies sei geboten, weil die angegriffene Elfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in einem „Fortsetzungszusammenhang“ mit den vorangegangenen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen stehe und in der Zusammenschau nunmehr über Monate andauernde Grundrechtsbeeinträchtigungen beinhalte. Mit Blick auf das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter sei zu verlangen, dass die inhaltliche Prüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu einer Prüfung wie im Hauptsacheverfahren verdichtet werde. Dies sei auch deshalb zu fordern, weil zwischenzeitlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen und der bayerische Normgeber seine Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen nicht evaluiere, sondern ständig abändere.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

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