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Betriebsschließung von Wettannahmestellen nach der Corona-Verordnung

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 32 Minuten

Mit ihrem Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt die Antragstellerin das Ziel, den Vollzug einer Rechtsverordnung einstweilen auszusetzen, soweit diese die Öffnung von Wettannahmestellen für den Publikumsbetrieb verbietet.

Seit dem 02.11.2020 dürfen Spielhallen, Spielbanken und Wettannahmestellen für den Publikumsverkehr nicht mehr öffnen. Seit dem 18.11.2020 ergibt sich das Verbot, Spielhallen, Spielbanken und Wettannahmestellen zu öffnen aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Einundzwanzigsten Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Einundzwanzigste Coronaverordnung).

Die Antragstellerin betreibt in Bremen eine Betriebsstätte für Sportwettvermittlung. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, bei den nach § 4 der Einundzwanzigsten Coronaverordnung zu schließenden Betrieben handele es sich im Wesentlichen um solche mit erheblichem Besucheraufkommen auf engem Raum (z.B. Diskotheken, Kinos, Theater) bzw. um Betriebe, in denen sich Kunden über längere Zeit in einem Raum mit anderen Besuchern befänden (z.B. Museen oder Fitnessstudios). Die reinen Wettannahmestellen ohne Freizeit-/Vergnügungscharakter stellten deshalb einen Fremdkörper in diesem Regelungsgefüge dar. Es handele sich dabei weder um Betriebe mit erheblichem Besucheraufkommen noch um aus Hygienegründen besonders kritische Betriebe wie z.B. Bordelle. In der beantragten Ausgestaltung hielten sich hier auch keine Kunden über längere Zeit mit anderen Besuchern in einem Raum auf. Sie, die Antragstellerin, sei durch die erneute längerfristige Schließung in ihrer Existenz bedroht. Ihr entstünden insbesondere Personalkosten und Mietkosten, die sie mangels Einnahmen nicht amortisieren könne. Zwar seien Entschädigungsleistungen in den Raum gestellt worden. Ob und in welcher Höhe sie diese erlangen könne, sei aber nach wie vor völlig offen. Die Auswirkungen des Verbots seien auch deshalb existenziell, weil es sich - anders als größtenteils im Einzelhandel - um „nicht nachholfähigen Konsum“ handele. Sportereignisse, die jetzt stattfänden, könnten später nicht mehr bewettet werden. Außerdem drohe die Abwanderung von Kunden zu dem Angebot des Staates, denn Lottoannahmestellen, die auch Sportwetten (TOTO) vermittelten, hätten nach wie vor offen im Saarland. Zudem drohe die Abwanderung zu Online-Wettangeboten.

Es gebe im Rahmen des Betriebs von Wettvermittlungsstellen zwei verschiedene Betriebsformen: Einerseits „Wettbüros“ (= Vergnügungsstätten) und andererseits „Wettannahmestellen“ (= Läden/sonstige Gewerbebetriebe). Vom Wortlaut her hätten die Länder nicht das verboten, was sie eigentlich verbieten wollten („Wettbüros“), sondern nur das verboten, was sie möglicherweise - wenn sie sich Gedanken gemacht hätten - überhaupt nicht verbieten wollten („Wettannahmestellen“). Die gewerbliche Vermittlung von Wetten könne in bauplanungsrechtlicher Hinsicht in Form einer Vergnügungsstätte oder in Form eines sonstigen Gewerbebetriebs im Sinne der Baunutzungsverordnung stattfinden. Vergnügungsstätten seien durch kommerzielle Freizeitgestaltung gekennzeichnete Amüsierbetriebe. Wettvermittlungsstellen, die als Vergnügungsstätte ausgestaltet seien, würden als „Wettbüro“, solche, die als sonstiger Gewerbebetrieb anzusehen seien, als „Wettannahmestelle“ bezeichnet. Eine reine Wettannahmestelle könne ebenso wie etwa eine herkömmliche Toto-/Lotto-/ODDSET-Annahmestelle nicht als ein auf kommerzielle Unterhaltung ausgerichteter besonderer Gewerbebetrieb und damit nicht als Vergnügungsstätte qualifiziert werden. Maßgebliches Abgrenzungskriterium hierfür sei, inwiefern die betriebliche Ausgestaltung den Kunden Anlass gebe, um zu verweilen, sich mit anderen Wettenden auszutauschen und in geselligem Beisammensein (gemeinschaftliches Verfolgen der Sportübertragungen) dem Wettereignis entgegenzufiebern. Indizien für bzw. gegen die Annahme einer Vergnügungsstätte seien etwa das Vorhandensein von Sitzgelegenheiten, das Angebot von Speisen und/oder Getränken und das Vorhalten von Unterhaltungsspielen. Die Schwelle zur Vergnügungsstätte werde regelmäßig überschritten, wenn durch Live-TV-Übertragungen die Möglichkeit geschaffen werde, die bewetteten Ereignisse live mitzuverfolgen. Die bloße Abgabe/Annahme von Wetten und das Auszahlen von Gewinnen begründe dagegen keine Vergnügungsstätte. Daher beschränke sie ihr Angebot hier auch nur auf eine reine Annahme bzw. Abgabe von Wetten bzw. Einzahlung von Wettguthaben und eine Auszahlung von etwaigen Wettgewinnen. Damit handele es sich hier um einen Betrieb wie eine Toto-/Lotto-ODDSET-Annahmestelle. Stand heute hätten alle staatlichen Annahmestellen weiterhin offen. In diesen würden neben Lotto, KENO, Rubbellosen auch Sportwetten (TOTO) angeboten. Die Eröffnung als Betrieb ohne jeglichen Freizeitcharakter solle nur unter strengen Hygienevorschriften erfolgen. Dazu habe sie ein konkretes Hygienekonzept entwickelt. In der Ausgestaltung als reine Annahmestelle sollten die Kunden kommen, schnell einen Tipp abgeben und den Betrieb sofort wieder verlassen. Ein solcher Betrieb sei vergleichbar mit einem Einzelhandels- bzw. Dienstleistungsbetrieb bzw. mit den staatlichen Lottoannahmestellen. Deshalb verstoße die Beschränkung von reinen Wettannahmestellen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG. § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG gebe nur Befugnisse zu Schutzmaßnahmen aus Gründen des Infektionsschutzes, soweit und solange diese zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich seien. Hieraus folge, dass Ungleichbehandlungen allenfalls aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen dürften. Aus infektionsschutzrechtlichen Gründen gebe es keinen tragfähigen Grund, dass Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe und vor allen Dingen auch die Lotto-/Toto-Annahmestellen des staatlichen Anbieters weiter öffnen dürften, während private Wettannahmestellen – wie ihr Betrieb – nicht öffnen dürften. Wie bei Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben sei es auch hier ohne weiteres möglich, dafür zu sorgen, dass die notwendigen Abstände eingehalten werden. Ein hohes Besucheraufkommen werde durch strenge Vorgaben an die Besucherzahl verhindert. Es komme insbesondere auch zu keinem längeren Aufenthalt in geschlossenen Räumen. Die Öffnung eines solchen Betriebs gefährde in keiner Weise das Ziel, die persönlichen Kontakte zu reduzieren – jedenfalls dann nicht, wenn gleichzeitig auch der komplette Einzelhandel und fast alle Dienstleistungsbetriebe weiterhin offen halten dürften. Das Infektionsrisiko dürfte wegen der erheblich geringeren Verweildauer der Kunden in Wettvermittlungsstellen erheblich niedriger sein als in Spielhallen. Es gebe keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass in reinen Wettannahmestellen ein signifikantes Infektionsrisiko gegenüber dem Einzelhandel- und Dienstleistungsgewerbe bestehen würde.

Die Verordnung leide an einem Begründungsdefizit, da überhaupt nicht richtig klar sei, aus welchen Gründen eine Ungleichbehandlung ihrerseits erfolge, da die Rechtsverordnung keine amtliche Begründung enthalte. Eine bloße flankierende Pressemitteilung ersetze nicht die notwendige Begründung. Andere Bundesländer hätten Wettannahmestellen ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich ihrer Verordnung herausgenommen. Bei Betrieben, die einen Teil ihrer Leistungen ohne größere Gefahren im Hinblick auf die Zielerreichung erbringen könnten, sei dies zulässig. So sei der „außer Haus Verkauf“ der Gastronomiebetriebe weiterhin zulässig. Der Kunde betrete zur Bestellung die Gaststätte, warte dort auf sein Essen und nehme dieses dann mit. Er verweile somit nur kurz in den Räumen der Gaststätte. Nichts Anderes wäre dies bei einem reinen Annahmestellenbetrieb. Die Verweildauer wäre hier sogar noch kürzer, weil die Wettabgabe kürzer dauere als das Zubereiten eines Essens und dessen Verpackung zur Mitnahme. Anders als im Rahmen des ersten Lockdowns lasse sich das Verbot von Wettannahmestellen ohne Verweilcharakter auch nicht damit rechtfertigen, dass die Bürger möglichst ihre Wohnungen nicht verlassen sollten. Denn anders als beim ersten Lockdown sei der Einzelhandel komplett geöffnet, ohne dass es dabei nur um die Aufrechterhaltung einer Grundversorgung der Bevölkerung gehe. Das Verbot von Wettannahmestellen verstoße gegen das Gebot der Folgerichtigkeit und der Systemgerechtigkeit.

Dementsprechend hätten andere Bundesländer, z.B. Rheinland-Pfalz, Thüringen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, Wettannahmestellen ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich ihrer entsprechenden Norm herausgenommen.

Nach allem sei ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Es drohten ihr schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

Hierzu führte das Gericht u.a. aus:

Der Eilantrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig.

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