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Eilantrag gegen Kontaktbeschränkung, Schließung von Einrichtungen und Angeboten und die Erhebung personenbezogener Daten

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 30 Minuten

Die Antragsteller verfolgen mit ihren Eilanträgen gemäß § 47 Abs. 6 VwGO sinngemäß das Ziel, § 2 Abs. 1, § 4, § 5 Abs. 6, § 8 Abs. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung - SächsCoronaSchVO) vom 10. November 2020 (SächsGVBl. 2020, S. 574) insoweit einstweilen außer Vollzug zu setzen, als dort eine Kontaktbeschränkung, die generelle Schließung von Einrichtungen und Angeboten, die Verpflichtung zur Erhebung personenbezogener Daten zur Nachverfolgung von Infektionen angeordnet und Maßnahmen der zuständigen kommunalen Behörden ermöglicht werden. Darüber hinaus soll § 10 Abs. 2 SächsCoronaSchVO insofern außer Vollzug gesetzt werden, als hierin bei Nichtbefolgung ordnungsbehördliche Maßnahmen angedroht werden.

Die Antragsteller geben in ihren Schriftsätzen vom 1. und 10. November 2020 an, sie seien weiterhin und erneut in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit in nie dagewesener Weise eingeschränkt. Sie müssten nach einer Lockerung ihr gesamtes familiäres und berufliches Leben wieder umstellen. Sie litten an Überlastung wegen familiärer, persönlicher und beruflicher Probleme infolge der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Der Antragsteller zu 1 sei verheiratet und habe drei Kinder, von denen nur noch eines im elterlichen Haushalt lebe. Er betreibe eine spezialisierte Anwaltskanzlei, in der die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen umgesetzt würden. Der Antragsteller zu 2 lebe mit seiner Partnerin zusammen, mit der er fünf teilweise schulpflichtige Kinder habe. Er sei Seniorpartner einer Anwaltskanzlei mit 22 Mitarbeitern. Er könne kaum sein Büro führen, da er bei Umsetzung der Arbeitsschutzstandards faktisch alle Mitarbeiter nach Hause schicken müsse und permanent dem Risiko von Bußgeldern ausgesetzt wäre. Auch er sehe sich wie der Antragsteller zu 3, der ebenfalls in Leipzig lebe, ein unterhaltspflichtiges Kind habe, ebenfalls Seniorpartner einer Anwaltskanzlei mit 22 Mitarbeitern sei und wie alle anderen Antragsteller Sport treibe, in seiner persönlichen und beruflichen Freiheit beschränkt. Mandantentermine könnten im öffentlichen Raum nicht mehr in der gewohnten Form stattfinden. Sie alle nutzten die Angebote innerhalb der Stadt zu Tätigkeiten, Unterhaltung und Vergnügung, die gemäß § 4 Sächs-CoronaSchVO untersagt würden. Auch die Verpflichtung zur Erhebung personenbezogener Daten zur Nachverfolgung von Infektionen könne die Antragsteller betreffen. Soziale Kontakte hätten alle Antragsteller nur noch im erlaubten Maße. Ihr freiheitliches Leben hätten sie zwangsweise entsprechend den Verboten reduziert.

Die Bestimmungen seien nicht formell rechtmäßig erlassen und rechtsgültig. Es sei ein parlamentarisches Gesetz notwendig. Die Ermächtigungsgrundlage fehle, da die streitgegenständlichen Grundrechtsbeschränkungen ihre Rechtsgrundlage nicht in § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG fänden. Sie würden als Nichtstörer in Anspruch genommen, was nicht vom Wortlaut des Gesetzes gedeckt sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die massiven Eingriffe in die Grundrechte der Antragsteller zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignet seien, weil in der Verordnung die Ziele, die erreicht werden sollten, nicht benannt würden. Allgemeine bundespolitische Ziele könnten die Sächsische Corona-Schutzverordnung nicht rechtfertigen, weil die notwendige Konkretisierung auf die regionalen Verhältnisse fehle. Der Antragsgegner habe den zu regelnden Sachverhalt nicht ordnungsgemäß und umfassend ermittelt. Auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof weise in seinem Beschluss vom 25. Juni 2020 ausdrücklich auf die Notwendigkeit der fachgerichtlichen Aufklärung der rechtlichen wie auch der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen hin. Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG sei verletzt. Das ihm zustehende gesetzgeberische Ermessen habe der Antragsgegner nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Verordnungsgeber habe sich keine Gedanken über Lockerungen gemacht, sondern nur über Verschärfung. Der Erfolg der zunächst befristeten Maßnahmen werde nicht abgewartet, sondern es werde, ohne den Nachweis einer Evidenz in Sachsen, eine Verschärfung durchgeführt. Die förmliche Ermessensausübung sei nicht dokumentiert worden. Das Ermessen sei fehlerhaft ausgeübt und gegen das Übermaßverbot verstoßen worden. Die Maßnahmen seien nicht erforderlich. Es fehle an einer Kausalität zwischen den einschränkenden Maßnahmen und den Freiheitsbeschränkungen. Die einschränkenden Maßnahmen seien nicht transparent und nachvollziehbar. Sie seien auch unverhältnismäßig im engeren Sinne, denn der Antragsgegner habe bereits nicht dargelegt, dass im Zusammenhang mit der Beherbergung ein besonders hohes Infektionsrisiko bestehe, dem mit so drastischen Maßnahmen begegnet werden müsste. Es liege kein schlüssiges Gesamtkonzept vor. Die Kontaktbeschränkungen des § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO führten nicht zu einer Verringerung des Infektionsgeschehens. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragsteller sei in verfassungswidriger Weise eingeschränkt, soweit die Vorschrift ihnen die Pflege näherer oder direkter körperliche Kontakte zu Personen ihres Vertrauens, die nicht Ehe- oder Lebenspartner seien und nicht zu ihren Haushalten gehörten, untersagten. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei zu berücksichtigen, dass es sich nicht um die erste derartige Verordnung handele. Eine Evaluierung habe nicht stattgefunden. Sie seien als Menschen auf psychische Kontakte angewiesen. Bei einem Pandemieverlauf von etwa zwei bis fünf, sogar sechs Jahren sei dies besonders zu berücksichtigen. Die Regelungen zur Schließung von Einrichtungen und Angeboten gemäß § 4 Abs. 1 SächsCoronaSchVO seien in sich unlogisch, inkonsequent und zudem in rechtswidriger Weise unbestimmt. Die Antragsteller wollten Veranstaltungen, die der Freizeit und Unterhaltung dienten, unter Einhaltung der einschlägigen Maßgaben durchführen. Sie nutzten die Gastronomie zu privaten Treffen und geschäftlichen Essen. Sie nutzten mit ihren Kindern Freizeit-, Vergnügungsparks, botanische und zoologische Gärten etc. Sie betrieben Sport, woran sie gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 SächsCoronaSchVO gehindert seien. Sie könnten nicht Golf spielen (§ 4 Abs. 1 Nr. 20 SächsCoronaSchVO). Der Verordnungsgeber habe nicht dargelegt, was unter „Betreiber von Betrieben“ gemäß § 5 Abs. 6 SächsCoronaSchVO zu verstehen sei. Sollte darunter auch der Betrieb von Anwaltskanzleien fallen, wäre dies mit dem anwaltlichen Berufsrecht nicht in Einklang zu bringen. Die angegriffene Bestimmung sei zu unbestimmt und daher rechtswidrig. Soweit Maßnahmen der zuständigen kommunalen Behörden gemäß § 8 Abs. 1 SächsCoronaSchVO ermöglicht würden, sei dies rechtswidrig. Eine Norm, die einer Kommune eine rechtswidrige Handlungsform ermögliche, sei nichtig. Die Folgenabwägung sei fehlerhaft.

Hierzu führte das Gericht u.a. aus:

Die Anträge nach § 47 Abs. 6 VwGO sind teilweise zulässig. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist und die für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 47 Abs. 6 VwGO vorliegen.

Den Anträgen steht nicht entgegen, dass sie sich ursprünglich auf die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung in der bis zum 13. November 2020 geltenden Fassung bezog.

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