Rechtsfrage klären? Wir beraten per   E-Mail  -   Video  -   Telefon  -   WhatsAppBewertung: - bereits 392.387 Anfragen

Corona-Pandemie: Eilantrag wegen Hotelschließung erfolglos

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 6 Minuten

Der Antragsteller, der ein Touristenhotel mit gastronomischem Frühstücksangebot in Eisenach betreibt, begehrte im Wege der einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung der der Beherbergung und Versorgung von Touristen entgegenstehenden Regelungen der Thüringer SARS-COV-2-Sondereindämmungsmaßnahmenverordnung.

Das Thüringer Oberverwaltungsgerichts hat diesen Antrag auf der Grundlage einer Interessenabwägung abgelehnt.

Der Erlass der infektionsschutzrechtlichen Regelungen werfe angesichts der erheblichen dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Gefährdung existenzieller Rechtsgüter wie Leib und Leben und der vom Freistaat beabsichtigten Abwendung erheblicher Risiken für den Einzelnen und die Gesellschaft einerseits und den damit verbundenen gravierenden Beschränkungen grundrechtlich geschützter Freiräume bis hin zu deren vorübergehender Außerkraftsetzung andererseits schwierigste Rechts- und Tatsachenfragen auf, zu denen in der fachwissenschaftlichen Diskussion kontroverse Ansichten vertreten würden. Diese Rechtsfragen, insbesondere zum Parlamentsvorbehalt, zur Verhältnismäßigkeit der hier streitigen Maßnahmen und zur Beachtung des Gleichbehandlungsgebots nach Artikel 3 Grundgesetz seien einer abschließenden Klärung im Eilverfahren nicht zugänglich und müssten dem Hauptsacheverfahren und gegebenenfalls abschließender verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung nach umfassender tatsächlicher und rechtlicher Erörterung vorbehalten bleiben.

Insbesondere könne derzeit im Eilverfahren noch nicht von einer verfassungswidrigen Gesetzeslage ausgegangen werden. Zwar liege es nahe, angesichts der erheblichen über einen längeren Zeitraum andauernden Grundrechtseingriffe ein vorheriges Tätigwerden des zuständigen Bundesgesetzgebers (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 Grundgesetz) zu fordern. Die Geltung und Reichweite des Parlamentsvorbehalts in einer dynamischen Situation, in der es gelte, grundlegende Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit der Bevölkerung abzuwehren und die es erfordere, zügig zu reagieren und Maßnahmen von begrenzter Dauer zu ergreifen, müsse im Eilverfahren aber offenbleiben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich sowohl der Bundestag als auch der Thüringer Landtag wiederholt mit den Maßnahmen befasst und sie dem Grunde nach gebilligt hätten.

Bei der rechtlichen Prüfung sei zu beachten, dass dem Verordnungsgeber ein Einschätzungsspielraum zukomme. Es sei nach wie vor von einer weltweiten Pandemie auszugehen, die durch erhebliche Ungewissheiten und sich ständig weiterentwickelnde fachliche Erkenntnisse geprägt werde. Die tatsächlichen Ungewissheiten und die darauf aufbauenden Gefahrenprognosen enthielten notwendigerweise Pauschalierungen, Verallgemeinerungen und Generalisierungen, die mit fortschreitendem Erkenntnisgewinn präzisiert werden müssten und auf die der Verordnungsgeber fortlaufend zu reagieren habe, indem er auch während der Dauer der Gültigkeit der Verordnung ständig überprüfen müsse, ob die Aufrechterhaltung der Verbote noch erforderlich und angemessen sei oder ob eine gefahrerhöhende Entwicklung sogar einschneidendere Maßnahmen erfordere.

Die angegriffene Verordnung ziele generell und mit ihren einzelnen Maßnahmen, wie dem hier angegriffenen Verbot, gegen Entgelt Übernachtungen anzubieten, der Schließung der Gastronomie und der Einschränkung der Bildung von Personengruppen in der Öffentlichkeit, darauf ab, die physisch-sozialen Kontakte zu anderen Personen auf ein absolut notwendiges Minimum zu reduzieren. In einer Situation, in der die Infektionszahlen stiegen und die Ansteckungswege überwiegend nicht mehr nachvollziehbar seien, diene dies dem legitimen Zweck, die Ausbreitung der Infektion zu bekämpfen, das Gesundheitssystem insgesamt vor Überlastung zu schützen und das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Ausgehend vom legitimen Ziel der Kontaktbeschränkung drängten sich angesichts der dynamischen Lage und der Feststellung des Verordnungsgebers, dass in 75 Prozent der Infektionsfälle der Ausgangspunkt nicht mehr zu ermitteln sei, geeignetere und mildere Handlungsalternativen zu der Reduzierung von Kontakten - wie etwa eine Öffnung der Betriebe unter Beachtung strengerer Hygienepläne - nicht zwingend auf. Gesundheitsschutz und Freiheitsschutz stünden sich in dieser Situation zumindest gleichrangig gegenüber.

Bei der notwendigen Interessenabwägung sei schließlich auch zu berücksichtigen, dass der Freistaat die Maßnahmen zeitlich befristet habe und zahlreiche Hilfsmaßnahmen beschlossen wurden, um die Existenz von Unternehmen in der Corona-Krise zu sichern.

Der Beschluss ist unanfechtbar.


OVG Thüringen, 08.11.2020 - Az: 3 EN 735/20

Quelle: PM des OVG Thüringen

Wir lösen Ihr Rechtsproblem! AnwaltOnline - empfohlen von DIE ZEIT

Fragen kostet nichts: Schildern Sie uns Ihr Problem – wir erstellen ein individuelles Rechtsberatungsangebot für Sie.
  Anfrage ohne Risiko    vertraulich    schnell 

So bewerten Mandanten unsere Rechtsberatung

Durchschnitt (4,85 von 5,00 - 1.239 Bewertungen) - Bereits 392.387 Beratungsanfragen

Schnelle unkomplizierte Information für ein Testament.

Verifizierter Mandant

Vielen Dank , allein die Unterstützung in meinem Fall wie ich vorgehen muss , finde ich professionell und kompetent
Hussain

Verifizierter Mandant