Die Antragstellerinnen begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Feststellung, dass sie aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung auf dem Schulgelände der von ihnen besuchten Grundschule befreit sind und ihnen der Besuch der Grundschule ohne Mund-Nasen-Bedeckung bzw. das Tragen eines Visiers gestattet wird.
Die sieben (Antragstellerin zu 1)) und neun (Antragstellerin zu 2)) Jahre alten Antragstellerinnen besuchen die Klassenstufen zwei und vier an der Volksschule K.
Am 11. September 2020 ließen sie – vertreten durch ihre Mutter – beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg jeweils beantragen,
eine einstweilige Anordnung zu erlassen, nach der die Antragsgegnerin verpflichtet wird, die Antragstellerin ohne Benachteiligung gegenüber den Mitschülern in der Schule verkehren zu lassen, insbesondere ohne Mund-Nasen-Bedeckung bzw. Visier.
Zur Begründung führt der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen im Wesentlichen aus:
Die Antragstellerinnen könnten aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckungen tragen, was mit ärztlichen Attesten belegt sei. Die Schule sei bereits am 4. September durch den Vater und am 8. September durch die Mutter der Antragstellerinnen hierüber informiert worden. Die Mutter sei dennoch dazu aufgefordert worden, die Antragstellerinnen von der Schule abzuholen. Laut der Schulleitung seien lediglich Kinder mit einer Behinderung vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit, zudem müsse der Schule bekannt sein, aus welchen gesundheitlichen Gründen eine solche nicht getragen werden könne. Seitdem werde den Antragstellerinnen der diskriminierungsfreie Besuch ihrer Schule verwehrt. Am 10. September sei der gesetzlichen Vertreterin der Antragstellerinnen mitgeteilt worden, dass sie „ab Morgen“ wieder zur Schule gehen könnten, da laut Schulamt nun Visiere eingesetzt werden könnten und nunmehr zur Verfügung stünden. Ein solches Visier sei jedoch in der 6. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) nicht vorgeschrieben und es bestehe keine Pflicht ein solches zu tragen. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich aus materiellem Verfassungsrecht, da der Ausschluss der Antragstellerinnen vom Unterricht jedenfalls einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG darstelle, da ihnen der diskriminierungsfreie Besuch der Schule verwehrt werde. Der reflexhaft bedingte Ausschluss der Antragstellerinnen vom Präsenzunterricht stelle außerdem einen Eingriff in das sozial ausgestaltete Grundrecht auf Bildung dar. Diese Grundrechtseingriffe seien nicht gerechtfertigt.
Die Antragstellerinnen treffe keine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedenkung in der Schule, da diese Pflicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 6. BayIfSMV nicht für Personen gelte, die glaubhaft machen könnten, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar sei. Dies sei bei den Antragstellerinnen der Fall, wie sich aus den beigelegten und der Schulleitung zur Einsicht angebotenen ärztlichen Atteste ergebe.
Eine Pflicht zur Vorlage eines Attestes bestehe in Bayern nicht. In ärztlichen Attesten müsse kein Befund zur Glaubhaftmachung enthalten sein. Einen solchen seitens des Antragsgegners zu fordern, sei datenschutzrechtlich unzulässig. Es werde bezweifelt, dass das Schulpersonal (Lehrkräfte wie Hortbetreuung) einem Berufsgeheimnis oder der Geheimhaltungspflicht in Bezug auf persönliche Daten der Kinder unterliegen. Ebenso werde bezweifelt, dass im regulären Schulbetrieb die Einhaltung entsprechender technisch, organisatorischen Maßnahmen gewährleistet sei, um die erforderliche risikobasierte Gefährdungsbeurteilung für diese besondere Kategorie personenbezogener Daten durchzuführen. Darüber hinaus unterlägen die behandelnden Ärzte der Schweigepflicht und ein Verstoß sei gemäß § 203 Abs. 1 StGB strafbewehrt. Eine Offenbarungsbefugnis könne sich allenfalls aus dem Güterabwägungsprinzip ergeben, wenn das Interesse des Patienten geringer sei als das entgegenstehende Rechtsinteresse, was vorliegend nicht der Fall sei. Ein Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass die Antragstellerinnen sehr unter der Ausgrenzung aus der Schule litten und von ihren Schulfreunden und –freundinnen isoliert würden. Durch den Ausschluss aus der Klassengemeinschaft werde bei den Mitschülern der Eindruck erweckt, es sei in Ordnung, die Antragstellerinnen aus gesundheitlichen Gründen schlechter zu behandeln. Dies werde mit zunehmender Dauer des Ausschlusses verstärkt. Das Recht auf Bildung können nicht vollwertig zu Hause wahrgenommen werden und mit einer Entscheidung in einer Hauptsache sei nicht zu rechnen, ehe bereits Lerndefizite und psychischer Leidensdruck ein unerträgliches Ausmaß angenommen hätten. Eine Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sei zur Abwendung dieser Nachteile dringend geboten.
Hierzu führte das Gericht aus:
Bei verständiger Würdigung des gestellten Antrags und des Vorbringens der Antragstellerinnen (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist der Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, die Antragstellerinnen ohne Benachteiligung gegenüber den Mitschülern in der Schule verkehren zu lassen, insbesondere ohne Mund-Nasen-Bedeckung bzw. Visier, sach- und interessengerecht dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerinnen die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zum einen die Feststellung begehren, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Schulgelände der von ihnen besuchten Volksschule K. verpflichtet sind, und zum anderen der Schulbesuch ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bzw. eines Visiers gestattet wird. Der so verstandene Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet, da die Antragstellerinnen keinen Anordnungsanspruch dahingehend glaubhaft gemacht haben.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
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