Der Beschwerdeführer ist parteiloser Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt X. Der Termin für die Wahl ist nach Angaben des Beschwerdeführers Sonntag, der . .2020. Der Beschwerdeführer begehrt die Verlegung des Wahltages auf Sonntag, den . .2020, wobei die Verlegung auch für alle Fristen gelten soll, die im Zusammenhang mit dem Wahlgang bestehen, insbesondere die Frist zur Abgabe der Unterstützerunterschriften bis zum . .2020.
Der Beschwerdeführer hat am 27.05.2020 „Verfassungsklage“ „gegen den Wahltermin“ am . .2020 erhoben.
Zur Begründung führt er an, die im Zusammenhang mit der sog. Corona-Krise verbundenen Maßnahmen und Einschränkungen im Landkreis Y und damit auch in der Kreisstadt X hätten zu einer Verletzung der Rechte auf Informationsfreiheit und adäquater Informationsbeschaffung in Bezug auf das Ansinnen und die Ziele der Oberbürgermeisterkandidaten geführt. Zudem sei die Gleichbehandlung im Kreis X verletzt. Viele Bürger der Stadt seien in der Corona-Krise aus verschiedenen Gründen – z. B. Vorerkrankungen – gezwungen, in ihrer heimischen Umgebung zu verbleiben. Vor allem Menschen mit geringem Zugang zu Informationen hätten damit die Möglichkeit verloren, sich in angemessenem Umfang über die Kandidaten und deren politische Ziele zu informieren. Auch die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme sei eingeschränkt. Hierin liege ein Verstoß gegen Art. 5 des Grundgesetzes, wonach alle Personen in gleichem Maße an Informationen gelangen können müssten.
Hinzu komme, dass insbesondere parteilose Kandidaten während der bestehenden Einschränkungen wenig Möglichkeit hätten, sich dem Wählerpublikum vorzustellen, da geplante Gesprächsrunden und Wählerabende entweder gar nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen hätten durchgeführt werden können. Dies sei insbesondere deshalb von Bedeutung, weil in X viele ältere Menschen ohne Möglichkeit der Information via moderne Kommunikationsmittel lebten. Über zwei Monate sei es nicht möglich gewesen, Unterstützerunterschriften zu sammeln und allumfassend zu informieren.
Im Vergleich zu parteiangehörigen Kandidaten um das Amt des Oberbürgermeisters ergebe sich aus dem geschilderten Sachverhalt eine Ungleichbehandlung, die zur Folge haben müsse, dass der Wahltermin verschoben werde. Die Ungleichbehandlung sei darin begründet, dass parteigebundene Kandidaten auf „bestehende Strukturen und ein breites Wählerpublikum zurückgreifen könnten“, während parteilose Kandidaten im Unterschied dazu auf die persönliche Kontaktaufnahme angewiesen seien. Die Kontaktsperre aus Anlass der Corona-Krise habe parteilose Kandidaten dieser Möglichkeit beraubt. Hinzu komme, dass die Berichterstattung in der lokalen Presse sehr einseitig gestaltet sei und parteilose Bewerber deshalb keine Möglichkeit zur „allumfassenden Präsentation“ hätten.
Die Entscheidungsbefugnis der Kammer folgt aus § 50b Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht – LVerfGG – vom 23.08.1993 (GVBl. LSA S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.06.2018 (GVBl. LSA S. 162).
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
Gemäß Art. 75 Nr. 8 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt – LVerf – vom 16.07.1992 (GVBl. LSA S. 600), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.12.2014 (GVBl. LSA S. 494) (LVerf) in Verbindung mit den § 2 Nr. 7a, § 47 Abs. 1 LVerfGG entscheidet das Landesverfassungsgericht über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt des Landes unmittelbar in seinen Grundrechten, grundrechtsgleichen Rechten oder staatsbürgerlichen Rechten verletzt zu sein.
Gemäß § 47 Abs. 2 LVerfGG kann eine Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung eines gegen die behauptete Verletzung zulässigen Rechtswegs erhoben werden. Diese Vorschrift ist eine besondere Ausprägung des verfassungsprozessualen Grundsatzes der Subsidiarität, wonach ein Beschwerdeführer alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen hat, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen.
Demzufolge sind gegen Rechtsverletzungen bei der Durchführung von Kommunalwahlen vorrangig die Rechtsbehelfe nach dem Kommunalwahlgesetz für das Land Sachsen-Anhalt – KWG LSA – vom 27.02.2004 (GVBl. S. 92), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.02.2020 (GVBl. S. 25, 39), auszuschöpfen. Gemäß § 50 Abs. 4 KWG LSA können „Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, [...] nur mit den in diesem Gesetz vorgesehenen Rechtsbehelfen angefochten werden“. Für die Entscheidung über den Wahltermin regelt das Kommunalwahlgesetz keinen besonderen Rechtsbehelf. Rechtsschutz ist somit im Wege des Wahleinspruchs nach § 50 Abs. 1 KWG LSA gegeben, der gemäß § 50 Abs. 2 KWG LSA binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses erhoben werden kann. Gegen die Entscheidung der Vertretung über den Wahleinspruch nach § 52 KWG LSA ist gemäß § 53 Abs. 2 KWG LSA der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
Vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses sind Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, folglich noch nicht anfechtbar. Die Anordnung einer „Nachwahl“ wegen eines während der Vorbereitung der Wahl festgestellten, offenkundigen, vor der Wahl nicht mehr behebbaren Mangels, aufgrund dessen die Wahl im Fall ihrer Durchführung im Wahlprüfungsverfahren für ungültig erklärt werden müsste, ist nach § 44 Abs. 1a KWG LSA der Kommunalaufsichtsbehörde vorbehalten. Gerichtliche Rechtsbehelfe, die auf ein entsprechendes Handeln der Kommunalaufsichtsbehörde gerichtet werden könnten, sind nicht vorgesehen. Sie werden vielmehr vom Ausschluss weitergehender Rechtsbehelfe nach § 50 Abs. 4 KWG LSA erfasst.
Die Beschränkung des Rechtsschutzes auf die nachträgliche Überprüfung der bereits durchgeführten Wahl ist mit der Landesverfassung vereinbar. Insoweit gilt nichts anderes, als was das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung für die Rechtslage nach dem Grundgesetz vertritt:
„Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, stellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbaren Hoheitsakte dar; dies gilt auch für den Bereich der Kommunalwahlen. Solche Entscheidungen können vielmehr nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden. Dies beruht darauf, daß die Verfolgung der subjektiven Rechte Einzelner gegenüber der Notwendigkeit zurücktreten muß, die Stimmen einer Vielzahl von Bürgern in einer einheitlichen, wirksamen Wahlentscheidung zusammenzufassen, und daß die Wahl sich nur dann gleichzeitig und termingerecht durchführen läßt, wenn die Rechtskontrolle der auf das Wahlverfahren bezogenen Entscheidungen während des Wahlablaufs begrenzt wird und im übrigen einem nach der Wahl durchzuführenden Prüfungsverfahren vorbehalten bleibt.“ (BVerfG, 14.04.1994 – Az: 2 BvR 2686/93, 2 BvR 577/94, 2 BvR 527/94, 2 BvR 528/94)
„Diese Erwägungen treffen auch auf die Festlegung des Wahltags zu. Daß diese von den übrigen Vorbereitungsmaßnahmen im Vorfeld der Wahl zeitlich und ihrem Inhalt nach abgegrenzt sein mag, ändert nichts daran, daß ihre Anfechtung in der Phase der Wahlvorbereitung geeignet ist (und sogar darauf abzielt), die termingerechte Durchführung der Wahl zu verhindern. Auch hier tritt daher das Interesse desjenigen, der sich durch einen bestimmten Wahltermin in seinen Rechten betroffen sieht, mit dem vom Bundesverfassungsgericht als vorrangig bewerteten Interesse der Allgemeinheit an einer fristgerechten Durchführung der Wahl in Widerspruch.“ (BVerfG, 14.04.1994 – Az: 2 BvR 2686/93, 2 BvR 577/94, 2 BvR 527/94, 2 BvR 528/94)
Diese Auslegung des Grundgesetzes ist auf die Landesverfassung übertragbar. Erst nach Ausschöpfung des nachträglichen Wahlprüfungsverfahrens und des daran anschließenden Verwaltungsrechtswegs kann die Verletzung von Grundrechten vor dem Landesverfassungsgericht geltend gemacht werden.
Da die Verfassungsbeschwerde schon deshalb unstatthaft ist, können die übrigen Zulässigkeitsfragen im Hinblick auf Beschwerdegegenstand, Beschwerdebefugnis und Beschwerdefrist offenbleiben.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 50b Abs. 1 S. 3, 6, Abs. 3 LVerfGG ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen, unanfechtbaren Beschluss.