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Corona-Verordnung: Gericht ist kein „Ersatz-Verordnungsgeber“!

Corona-Virus | Lesezeit: ca. 7 Minuten

Sowohl der Antrag im Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO, als auch der Normenkontrollantrag müssen hinreichend erkennen lassen, welche Bestimmungen der angegriffenen Norm durch das angerufene Gericht außer Vollzug gesetzt bzw. für unwirksam erklärt werden sollen und - gegebenenfalls - in welchem Umfang. Der Antrag muss das formulieren, was im Tenor der begehrten gerichtlichen Entscheidung ausgesprochen werden soll.

§ 47 Abs. 5 VwGO gibt grundsätzlich keinen Raum für Ergänzungen des Tenors über die Feststellung der Unwirksamkeit hinaus. Das Normenkontrollgericht hat sich auf die Kassation von Rechtsvorschriften zu beschränken und muss sich nicht zu Möglichkeiten einer Fehlerbehebung verhalten.

Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, zum „Ersatz-Verordnungsgeber“ zu werden. Dies verkennt die Stellung des Gerichts im gewaltenteilenden Rechtsstaat und die spezifische Funktion der Normenkontrolle.

Hierzu führte das Gericht aus:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.

Der Antragsteller begehrt zuletzt im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zum einen die vorläufige Außerkraftsetzung der Dritten Thüringer SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung vom 18. April 2020 (GVBl. S. 135; 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. Mai 2020 (GVBl. S. 149), soweit sie über den in § 1 der 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO normierten Mindesttatbestand hinausgeht und ferner die Maßnahmen verlangt, die über Handhygiene hinausgehen, zum anderen die Dritte Thüringer SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung so auszulegen, dass die genannten Maßnahmen der Handhygiene und des Mindestabstands zwingend zu beachten sind sowie darüberhinausgehende Grundrechtsbeeinträchtigungen auf der Grundlage dieser Verordnung nicht durchgesetzt werden dürfen.

Dieser anwaltlich so gestellte Antrag mit seiner weiteren Begründung leidet jedoch an seiner Unbestimmtheit. Sowohl der Antrag im Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO, wie auch der Normenkontrollantrag muss hinreichend erkennen lassen, welche Bestimmungen der angegriffenen Norm durch das angerufene Gericht außer Vollzug gesetzt bzw. für unwirksam erklärt werden sollen und - gegebenenfalls - in welchem Umfang. Der Antrag muss das formulieren, was im Tenor der begehrten gerichtlichen Entscheidung ausgesprochen werden soll.

Eine solche Feststellung ermöglicht die Antragstellung nicht. Zwar könnte der Antrag noch so verstanden werden, dass bis auf § 1 alle weiteren Normen der Verordnung, also §§ 2 bis 17 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO, für unwirksam erklärt werden sollen. Das entspricht jedoch nicht den im Antrag formulierten allgemein gehaltenen Ausnahmen von der gewollten Aufhebung und widerspricht auch den weiteren Ausführungen in der Begründung, nach der einzelne Norminhalte weiterhin Bestand haben sollen. Weder der Antrag noch die weiteren Ausführungen lassen erkennen, auf welche konkrete Urteilstenorierung der Antragsteller abzielt, also insbesondere, welche Regelungen im Detail mit welchen im Einzelnen benannten Einschränkungen aufgehoben werden sollen.

Der Antragsteller belässt es vielmehr dabei, im ungefähren unter Benennung einzelner Beispiele zu skizzieren, in welche Richtung seine Angriffe gehen. Dies kann allerdings keine Grundlage für ein Normenkontrollverfahren sein. Es muss hinreichend klar sein, was und in welchem Umfang der Gegenstand des auf eine objektive Rechtskontrolle ausgerichteten Normenkontrollverfahrens ist. Dies ist auch erforderlich, um im Übrigen überhaupt die Antragsbefugnis des Antragstellers im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bestimmen zu können. Es kann jedenfalls nicht Aufgabe des Gerichts - jedenfalls nicht im Eilverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO - sein, aus einem vom Antragsteller benannten weitgefassten Normenbestand diejenigen Regelungen herauszusuchen, die als tauglicher Angriffsgegenstand in Betracht kommen könnten.

Darüber hinaus muss der Antrag auch daran scheitern, dass er im Kern auf eine dem Gericht nicht mögliche verbindliche Normauslegung bzw. Normergänzung abzielt, dem die Normenkontrolle nach § 47 VwGO nicht offen steht.

§ 47 Abs. 5 VwGO gibt grundsätzlich keinen Raum für Ergänzungen des Tenors über die Feststellung der Unwirksamkeit hinaus (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2011 - 4 BN 8.11 - juris Rdn. 5). Das Normenkontrollgericht hat sich auf die Kassation von Rechtsvorschriften zu beschränken und muss sich nicht zu Möglichkeiten einer Fehlerbehebung verhalten. Es ist dann grundsätzlich Sache des Normgebers, welche Konsequenzen er aus der gerichtlich festgestellten Fehlerhaftigkeit zieht. Das folgt aus der im Gewaltenteilungsgrundsatz angelegten Entscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe.

Dies verkennt der Antragsteller grundlegend, indem er verlangt, über die zunächst zu prüfende Feststellung der Fehlerhaftigkeit hinaus eine gerichtliche Aussage zur Rechtmäßigkeit einer bestimmten Art der Fehlerbehebung zu treffen, nämlich die verschiedenen Normen der Verordnung mit bestimmten Maßgaben weitergelten zu lassen. Es ist gerade nicht Aufgabe des Gerichts, wie der Antragsteller zuletzt selbst formuliert, dass es zum „Ersatz-Verordnungsgeber“ wird. Dies verkennt die Stellung des Gerichts im gewaltenteilenden Rechtsstaat und die spezifische Funktion der Normenkontrolle.


OVG Thüringen, 12.05.2020 - Az: 3 EN 287/20

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