Mit seinem am 5. Mai 2020 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen einge-gangenen und mit Schriftsatz vom 13. Mai 2020 ergänzten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wendet sich der Antragsteller gegen Regelungen der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 30. April 2020.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die sofortige Aufhebung der § 1 und § 2 SächsCoronaSchVO. Ferner beantragt er, „auf Grund der daraus resultierenden Kausalität“ die §§ 3 bis 9 sowie der §§ 11, 12 Abs. 2 SächsCoronaSchVO auszusetzen, weil die Grundlagen zu deren Rechtfertigung in §§ 1, 2 der Verordnung lägen. Zudem seien die „§§ 10, 12 Abs. 1 und § 13 SächsCoronaSchVO an die zweckmäßige Erfüllung des Infektionsschutzgesetzes an die Sächsische Staatsregierung zurückzuführen“.
Der Antragsteller rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 14, 15 und 16 SächsVerf. Die in den §§ 1, 2 SächsCoronaSchVO enthaltenen „Maßnahmen“ dienten zwar der Vermeidung einer weitläufigen Ansteckung, seien jedoch nicht auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft worden. Durch sie bestehe eine hohe Gefahr für das Leben und die Gesundheit des Antragstellers bzw. der Allgemeinheit. Die Kontaktbeschränkungen, das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes im öffentlichen Raum sowie ein überhöhtes Hygieneangebot hätten einen enormen Anstieg des Infektionsrisikos des Einzelnen zur Konsequenz. Der Antragsteller werde durch die getroffenen Maßnahmen daran gehindert, sein Immunsystem zur Abwehr von Infektionen und Krankheiten effizient zu nutzen. Auch die Verhältnismäßigkeit der massiven Grundrechtseingriffe sei fraglich. Man habe sich nicht einmal im Ansatz bemüht, mildere Mittel in Betracht zu ziehen, um einen menschenwürdigen Schutz der Risikogruppe zu gewährleisten. Die Verhaltensregeln seien rechtlich und medizinisch nicht zielführend und bewirkten eine Entfremdung des Menschen. Bei einer Influenza seien nie permanente Abstandsregeln oder eine Maskenpflicht per Verordnung erlassen worden. Der exponentielle Verlauf der Infektion sei ebenfalls zu bezweifeln. Ein vom Antragsteller am 28. April 2020 beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht eingereichter Normenkontrollantrag im Eilverfahren sei nach einem Hinweisschreiben des Gerichts wohl unzulässig. Nach § 27 Abs. 2 SächsVerfGHG sei die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gleichwohl bereits vor Erschöpfung des Rechtswegs zulässig.
Hierzu führte das Gericht u.a. aus:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den nach § 15 SächsVerfGHG entschieden werden kann, bleibt ohne Erfolg. Er ist unzulässig, weil er den Begründungsanforderungen nicht genügt (§ 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.V.m. §§ 32 und 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
1. Nach § 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.V.m. § 32 Abs. 1 BVerfGG kann der Verfassungsgerichtshof – auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache – einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen haben die Gründe, die der Antragsteller für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, das Begehren in der Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder als offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind im Rahmen einer Folgenabwägung die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde später aber der Erfolg zu versagen wäre.
Dabei gilt jedoch auch im verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gemäß § 27 Abs. 2 SächsVerfGHG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.V.m. § 32 Abs. 1 BVerfGG kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat.
Um den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, die genannten Voraussetzungen zu prüfen, ist der (isolierte) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.V.m. §§ 32 und 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG substantiiert zu begründen. Das Vorbringen des Antragstellers muss die Feststellung ermöglichen, dass sein in der Hauptsache verfolgtes Begehren jedenfalls weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist.
2. Diesen Anforderungen genügt der Antrag nicht. Die Antragsbegründung ermöglicht nicht die Feststellung, dass das von dem Antragsteller in einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde verfolgte Begehren zulässig ist.
Der Antragsteller legt die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht substantiiert dar (Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.V.m. § 27 Abs. 1 und § 28 SächsVerfGHG). Die Antragsbegründung erschöpft sich vielmehr in allgemeinen Ausführungen insbesondere zur Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen und zu der ihnen zugrundeliegenden Risikoeinschätzung. Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag pauschal auch die „Aussetzung“ der §§ 3 bis 9 und §§ 11, 12 Abs. 2 SächsCoronaSchVO begehrt, die u.a. Regelungen zu Versammlungen und Großveranstaltungen, Betriebsuntersagungen, Gastronomiebetrieben, Hotels und Beherbergungsbetrieben, Geschäften und Betrieben sowie Dienstleistungsbetrieben enthalten, hat er überdies schon nicht aufgezeigt, in welcher Weise er von diesen Regelungen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen eigenen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten betroffen sein könnte. Im Hinblick auf die von ihm in Frage gestellte Eignung und Erforderlichkeit der Kontaktbeschränkungen sowie der Regelungen über Mindestabstände und das Tragen einer Mund-Nasenbedeckung im öffentlichem Raum vernachlässigt das Vorbringen, dass dem Verordnungsgeber eine Einschätzungsprärogative zuzubilligen ist. Dass eine solche Einschätzungsprärogative nicht bestehe oder deren Grenzen vorliegend überschritten sein könnten, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht in Bezug auf die Gesamtheit der Schutzmaßnahmen ersichtlich. Die Anforderungen an die substantiierte Darlegung der Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung sind nicht mit Blick auf die breite öffentliche und auch verfassungsrechtliche Diskussion abzusenken, die wegen der vielfältigen Maßnahmen in Reaktion auf den Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 geführt wird. Dass durch die unterschiedlichen Maßnahmen in den Schutzbereich zahlreicher, unterschiedlicher Grundrechte eingegriffen wird, ist offenkundig; es ändert aber nichts an dem Erfordernis darzulegen, dass diese Eingriffe verfassungsrechtlich möglicherweise nicht gerechtfertigt sind, und sich in diesem Zusammenhang hinreichend mit den zu ihrer Stützung herangezogenen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen auseinanderzusetzen.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Entscheidung einstimmig durch Beschluss nach § 15 Satz 1 SächsVerfGHG getroffen.