Grobe Fahrlässigkeit iSd § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden, nur weil ein solches häufig damit einherzugehen pflegt. Vielmehr erscheint eine Inanspruchnahme des haftungsprivilegierten Schädigers im Wege des Rückgriffs nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet.
Nicht jeder Verstoß gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften ist schon als ein grob fahrlässiges Verhalten iSd § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII zu werten. Vielmehr ist auch dann, wenn solche Verstöße gegen Sorgfaltsgebote vorliegen, eine Wertung des Verhaltens des Schädigers geboten, in die auch die weiteren Umstände des Einzelfalles einzubeziehen sind. Es kommt darauf an, ob es sich um eine Unfallverhütungsvorschrift handelt, die sich mit Vorrichtungen zum Schutz der Arbeiter vor tödlichen Gefahren befasst und elementare Sicherungspflichten zum Inhalt hat. Daneben spielt insbesondere eine Rolle, ob der Schädiger nur unzureichende Sicherungsmaßnahmen getroffen oder von den vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren. Im letzteren Fall kann der objektive Verstoß gegen elementare Sicherungspflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist.
Der Ausdruck des „Augenblicksversagens“ beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ. Dieser Umstand allein ist kein ausreichender Grund, den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben sind. Es müssen weitere subjektive Umstände hinzukämen, die es im konkreten Einzelfall gerechtfertigt erscheinen ließen, unter Abwägung aller Umstände den Schuldvorwurf geringer als grob fahrlässig zu bewerten. Welche hinzutretenden Gründe letztlich geeignet sein können, den Schuldvorwurf zu mindern, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei spielt auch die Gefährlichkeit der Handlung eine Rolle, denn mit der Größe der möglichen Gefahr wächst auch das Maß der zu erwartenden Sorgfalt.
Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Rückgriffsanspruch nach § 110 Abs. 1 SGB VII um einen selbstständigen, originären Anspruch und nicht um ein von dem Geschädigten abgeleitetes Recht handelt, folgt, dass ein Mitverschulden des Geschädigten die Haftung des Schädigers nicht mindert. Nur ausnahmsweise kann ein ganz überwiegendes Verschulden der geschädigten Person den Verschuldensanteil des Unternehmers oder einer anderen haftungsbeschränkten Person so in den Hintergrund drängen, dass ihre Regresshaftung entfällt.
Ein Mitverschulden des Geschädigten wirkt sich aber dahin aus, dass sich dadurch die Höhe eines (fiktiven) zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nach § 254 BGB mindert, der seinerseits den Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen des Sozialversicherungsträgers der Höhe nach – mittelbar – begrenzt, sodass sich ein Mitverschulden des Geschädigten jedenfalls auf diesem Wege auswirkt.
Wer seine eigene Familie mit Gefahrenbewusstsein schützt, die ihm anvertrauten
Arbeitnehmer jedoch über längere Zeit der Gefahr aussetzt, sodass subjektiv schlechthin eine unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, handelt grob fahrlässig iSd § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Dies kann auch nicht mit einem sog. Augenblicksversagen gerechtfertigt werden.