Aktuell bestehen ausreichende medizinische Erkenntnisse für die Anerkennung eines Post-Covid-Syndroms als Folge einer anerkannten
Berufskrankheit durch die
gesetzliche Unfallversicherung.
Soweit eine Berufsgenossenschaft ausgeführt hat, geltend gemachte Gesundheitsstörungen könnten wegen des derzeit noch nicht vorliegenden medizinischen Erkenntnisstandes grundsätzlich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der anerkannten BK Nr 3101 zugerechnet werden, ist dies jedenfalls zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr haltbar. Schließlich liegt zu den Folgen einer Covid 19 Erkrankung zwischenzeitlich die S1 Leitlinie zu Long/Post-Covid der AWMF (Stand Mai 2024) vor und in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur sind sogar bereits Erfahrungssätze zur MdE-Bewertung beim Vorliegen eines Post-Covid-Syndroms veröffentlicht worden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage 2024, S 813f).
Nach den einschlägigen Erfahrungssätzen, die im Rahmen vom Post-Covid-Syndromen noch in begrenztem Umfang vorliegen, ist eine im Zusammenhang mit dieser Erkrankung auftretende Fatigue-Symptomatik mit einer MdE von 10 % bis 30 % zu bewerten.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der 1963 geborene Kläger war als Krankenpfleger in einem Klinikum tätig. Er erkrankte im Dezember 2020 an Covid 19. Die Unfallkasse Baden-Württemberg erkannte in der Folge das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung an (Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte unter anderem im Gesundheitsdienst tätig war) und zahlte dem Kläger bis Juni 2021 Verletztengeld.
Seit Erkrankungsbeginn befand sich der Kläger aufgrund fortbestehender Beschwerden durchgehend in medizinischer Behandlung und absolvierte von Mitte März bis Mitte April 2021 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, nach der unter anderem ein Post-Covid-19-Syndrom diagnostiziert sowie deutliche Einschränkungen im Bereich der kognitiven Fähigkeiten festgestellt wurden.
Der Kläger begann im Juni 2021 eine berufliche Wiedereingliederung. Ende September 2021 verschlechterten sich die Post-Covid-Symptome und der Kläger war wieder
arbeitsunfähig.
Während einer von März bis September 2022 durchgeführten ambulanten neurologischen Rehabilitationsmaßnahme stellten die Ärzte unter anderem ein Post-Covid-19 Syndrom, schwere kognitive Teilleistungsstörungen, eine Fatigue-Symptomatik sowie eine im Rahmen der Krankheitsbewältigung aufgetretene schwere depressive Episode fest.
Die Unfallkasse lehnte die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der anerkannten BK Nr. 3101 ab, weil bisher kein gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisstand über wesentliche Langzeitfolgen nach stattgehabter Covid-19-Infektion vorlägen.
Die dagegen zum Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage hatte Erfolg.
Das Gericht verurteilte die beklagte Unfallkasse nach Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens zur Gewährung einer Verletztenrente sowie zur Feststellung eines Post-Covid-Syndroms mit Fatigue-Syndrom und einer kognitiven Störung sowie einer reaktiv ausgelösten depressiven Störung als Folgen der anerkannten Berufskrankheit.
Die Ausführungen des Sachverständigen seien überzeugend und entsprächen dem aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft. Das beim Kläger vorliegende Fatigue-Syndrom und die kognitiven Störungen stellten typische häufig bis sehr häufig auftretende Symptome im Rahmen eines Post-Covid-Syndroms dar. Ferner liege zu den Folgen einer Covid-19-Erkrankung zwischenzeitlich die S1 Leitlinie zu Long/Post-Covid der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften) mit einer ausführlichen Zusammenstellung der hierzu vorliegenden Literatur vor.
Bei dieser Sachlage sei die generelle Behauptung der Beklagten zum Nichtvorliegen wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Post-Covid-Syndromen nicht (mehr) nachvollziehbar.