Fragen zum Arbeitsvertrag? ➠ Wir prüfen den Vertrag für SieIm vorliegenden Fall stritten die Parteien um eine
Arbeitspflicht der
Arbeitnehmerin am Samstag.
Die Arbeitnehmerin ist Mitglied der Evangelischen Freikirche „Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten“. Die Siebenten-Tags-Adventisten anerkennen die Bibel als die alleinige Grundlage ihres Glaubens und sind überzeugt, dass die Heilige Schrift fundamentale Glaubenslehren enthält. Sie teilen mit allen Christen den Glauben an Jesus Christus. Die Siebenten-Tags-Adventisten halten den Samstag (Sabbat) unter Hinweis auf Aussagen der Bibel im Alten und Neuen Testament als religiösen Ruhetag.
Zunächst wurde die Arbeitnehmerin dienstplanmäßig von Montag bis Freitag eingesetzt. Im späteren Verlauf sollte der Einsatz auch an Samstagen und Sonntagen erfolgen. Nachdem dies der Arbeitnehmerin bekannt geworden war, ließ sie über ihren anwaltlichen Bevollmächtigten bitten, von einem Einsatz an Samstagen abzusehen, da sie aus Glaubensgründen keine Samstagsarbeit leisten könne.
Der
Arbeitgeber lehnte diese Bitte ab.
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bot die Arbeitnehmerin an, an Stelle von Samstagen an Sonntagen zu arbeiten und auf anfallende Sonntagszuschläge zu verzichten.
Hierzu führte das Gericht aus:
1. Der Antrag zu 1., gerichtet auf die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, die Klägerin an Samstagen zur Arbeitsleistung einzuteilen, ist unbegründet.
Die Klägerin verfolgt mit dem Antrag zu 1. das Ziel, der Beklagten zu verbieten, sie in einer bestimmten Art und Weise zu beschäftigen. Dieser von der Klägerin geltend gemachte Antrag auf Unterlassung der Zuweisung einer Tätigkeit in einer bestimmten Art und Weise ist selbst dann unbegründet, wenn die Erbringung von Samstagsarbeit nicht zur geschuldeten Arbeitsleistung der Klägerin gehört.
Gemäß
§ 611 BGB muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nur die Arbeitsleistung erbringen, zu der er aufgrund des
Arbeitsvertrags und einer gemäß § 106 GewO i. V. m. § 315 BGB wirksamen
Weisung des Arbeitgebers verpflichtet ist. Die Zuweisung einer nach dem Arbeitsvertrag nicht geschuldeten Arbeit ist gemäß § 106 Satz 1 GewO i. V. m. mit dem Arbeitsvertrag unwirksam.
Der Arbeitnehmer kann also eine dem Arbeitgeber nicht geschuldete Arbeit ohne Weiteres verweigern.
Der Arbeitnehmer hat auf Grundlage des § 242 BGB i. V. m. mit Art. 1, 2 GG einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung, weil die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1, 2 GG über den Persönlichkeitsschutz auch den Schutz des ideellen Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers gebieten.
Der Arbeitgeber muss als Schuldner diesen allgemeinen Beschäftigungsanspruch erfüllen.
Der Arbeitnehmer hat aber als Gläubiger dieses Anspruchs nicht auch noch – als Nebenleistungsanspruch – einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber eine unwirksame Weisung bzw. eine nicht vertragsgemäße Beschäftigung unterlässt. Dies umso weniger, als schon der allgemeine Beschäftigungsanspruch nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine entsprechende Rechtsfortbildung des Dienstvertragsrechts der §§ 611 ff. BGB darstellt.
Die nicht vertragsgemäße Beschäftigung ist nur die Nichterfüllung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine vertraglich nicht geschuldete Arbeit zu, so kann der Arbeitnehmer also einerseits als – vermeintlicher – Schuldner diese Arbeit ohne Weiteres verweigern und eine negative Feststellungsklage in Bezug auf die streitige Arbeitspflicht erheben und andererseits als Gläubiger auf Erfüllung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs durch vertragsgemäße Beschäftigung klagen.
Mit Rücksicht auf diese Rechtslage gibt es weder ein Bedürfnis noch einen Rechtsgrund für einen weiteren selbständigen und klagbaren arbeitsvertraglichen Anspruch auf Unterlassen einer nicht vertragsgemäßen Beschäftigung bzw. Arbeitgeberweisung.
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