Für das Austragen von Zeitungen in Dauernachtarbeit ist ein Ausgleich durch einen Zuschlag in Höhe von 30 % auf das Bruttoarbeitsentgelt regelmäßig angemessen iSv.
§ 6 Abs. 5 ArbZG.
Hierzu führte das Gericht aus:
Bei dem Merkmal „angemessen“ in § 6 Abs. 5 ArbZG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Auslegung die Grundrechte zur Geltung zu bringen sind. Die Grundrechte des Grundgesetzes haben in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten mittelbare Drittwirkung im Sinn einer Ausstrahlungswirkung. Sie entfalten ihre Wirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und strahlen als „Richtlinien“ in das Zivilrecht ein. Kollidierende Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Die Reichweite der mittelbaren Grundrechtswirkung hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.
Nachtarbeit ist schädlich. Sie hat nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen für jeden Menschen negative gesundheitliche Auswirkungen. Durch Arbeit während der Nachtzeit wird die sog. zirkadiane Rhythmik gestört. Zu der sozialen Desynchronisation kommt die physiologische Desynchronisation der Körperfunktionen, die sich typischerweise in Schlafstörungen, Magen-Darm-Beschwerden und kardiovaskulären Beeinträchtigungen äußert. Sekundärstudien deuten darauf hin, dass sich Nachtarbeit auch negativ auf die Psyche auswirkt. Anerkannt ist, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in je größerem Umfang sie geleistet wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat für den Bereich der Nachtarbeit erkannt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, den Schutz der Arbeitnehmer vor den schädlichen Folgen der Nachtarbeit zu regeln. Eine solche Regelung war notwendig, um dem objektiven Gehalt der Grundrechte, insbesondere dem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, zu genügen. Das hohe Gewicht, das der Gesundheit des Einzelnen in der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt, zeigt sich daran, dass sich für dieses Rechtsgut aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Schutzpflichten des Staates ergeben können. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet den Staat, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen.
Die Regelungen in § 6 ArbZG dienen in erster Linie dem Schutz des Arbeitnehmers vor den schädlichen Folgen der Nacht- und Schichtarbeit. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG sollen Nachtarbeitnehmer einen angemessenen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen erhalten, ohne dass der Gesetzgeber Vorgaben zum Umfang des Ausgleichs macht. Soweit § 6 Abs. 5 ArbZG einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich begründet, tritt eine gesundheitsschützende Wirkung jedenfalls in den Fällen ein, in denen sich die Dauer der zu erbringenden Arbeitszeit für den Arbeitnehmer durch den bezahlten Freizeitausgleich insgesamt verringert und er zeitnah gewährt wird. Soweit ein Nachtarbeitszuschlag vorgesehen ist, soll er den Arbeitnehmer in einem gewissen Umfang für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen. Zwischen den Alternativen des Belastungsausgleichs besteht nach der gesetzlichen Regelung kein Rangverhältnis. Der Freizeitausgleich ist nicht vorrangig. Die Angemessenheit des Ausgleichs iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG ist für beide Alternativen nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen. Der Umfang der Ausgleichsverpflichtung hängt nicht davon ab, für welche Art des Ausgleichs sich der Arbeitgeber entscheidet. Vielmehr müssen sich die jeweiligen Leistungen nach ihrem Wert grundsätzlich entsprechen.