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Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Außervollzugsetzung des „Streikbrecherverbots“

Arbeitsrecht | Lesezeit: ca. 6 Minuten

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen § 11 Abs. 5 des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG) in der durch Art. 1 Nr. 7b des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21. Februar 2017 (AÜGuaÄndG 2017) geänderten Fassung (BGBl I S. 258).

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei von der angegriffenen Norm unmittelbar und gegenwärtig betroffen, da Arbeitskämpfe zu erwarten seien, für die sie disponieren müsse. Ihr sei kein anderer Rechtsweg eröffnet, um sich zumutbar gegen das Verbot in § 11 Abs. 5 AÜG zur Wehr zu setzen. Die Regelung verletze sie in ihren Grundrechten. Das Verbot, auf Arbeitskampfmaßnahmen mit dem Einsatz von Leiharbeitskräften zu reagieren, schränke sie in der Wahl der Kampfmittel und damit in der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit als Koalition in unverhältnismäßiger Weise ein. Es handele sich um einen Eingriff in die Unternehmerfreiheit, der nicht durch das Allgemeinwohl gerechtfertigt sei.

Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie das sogenannte „Streikbrecherverbot“ in § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 AÜG betrifft, weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Eine Verletzung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit sowie der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Beschwerdeführerin ist jedenfalls nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen. Die Frage, ob sich sogenannte „Außenseiter-Arbeitgeber“ in Tarifauseinandersetzungen um Firmentarifverträge auf die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Freiheit in der Wahl der Arbeitskampfmittel berufen können (hierzu BAG, 14.08.2018 - Az: 1 AZR 287/17), ist verfassungsrechtlich nicht geklärt. Auch die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Regelungen ist umstritten.

Die zur Entscheidung über die einstweilige Anordnung vorzunehmende Folgenabwägung ergab, dass eine vorläufige Aussetzung des Vollzugs der angegriffenen Vorschrift nicht geboten ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, dem Interesse des Gesetzgebers an der Fortgeltung der Norm eindeutig überwiegen.

Es sind keine Nachteile der Beschwerdeführerin von so großem Gewicht erkennbar, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung dennoch rechtfertigen könnten. Es ist nicht dargelegt, dass es nach Beendigung des aktuellen Tarifvertrags mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Arbeitskampf mit Arbeitsniederlegungen kommt. Zudem ist nicht ersichtlich, warum es der Beschwerdeführerin nicht möglich sein sollte, im Falle einer Arbeitsniederlegung den Betrieb ohne den Einsatz von Leiharbeitskräften fortzuführen. Sie hat die Möglichkeit, eigene arbeitswillige Arbeitskräfte oder zu diesem Zweck befristet eingestellte Kräfte oder aber Drittpersonal im Rahmen eines Werkvertrags mit anderen Unternehmen („Outsourcing“) einzusetzen. Selbst wenn dies nicht gelänge, ist nicht erkennbar, dass derart schwere oder gar existenzgefährdende wirtschaftliche Nachteile eintreten würden, die eine Aussetzung eines Gesetzes rechtfertigten. Die Beschwerdeführerin bezieht sich selbst auf unvorhersehbare und nicht zu beziffernde Folgen. Soweit sie vorträgt, die wirtschaftlichen Folgen eines Streiks seien nicht mit dem Mittel der Abwehraussperrung oder der suspendierenden Betriebsstilllegung abzumildern, fehlen konkrete Ausführungen zum Ausmaß und zur Irreversibilität der Nachteile des Einsatzes dieser Instrumente im Arbeitskampf.

Auch die von der Beschwerdeführerin angeführten Nachteile für die betroffenen Leiharbeitskräfte können eine einstweilige Anordnung nicht tragen. Im Fall der Fortgeltung von § 11 Abs. 5 AÜG wären Einsätze als „Streikbrecher“ verboten. Dies wirkt sich jedoch nicht unmittelbar auf das Leiharbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitskraft aus. Es ist auch nicht vorgetragen, dass die angegriffene Regelung Arbeitsplätze in der Leiharbeitsbranche ernsthaft gefährden würde.


BVerfG, 25.02.2019 - Az: 1 BvR 842/17

ECLI:DE:BVerfG:2019:rk20190212.1bvr084217

Nachfolgend: BVerfG, 19.06.2020 - Az: 1 BvR 842/17

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