Muss der Arbeitnehmer auf Urlaubsverfall hingewiesen werden?
Der
Arbeitgeber ist verpflichtet, den
Arbeitnehmer nachweislich ausdrücklich und individuell darüber zu informieren, dass ein Verfall von Urlaubstagen droht. Nur dann greift die dreijährige Verjährungsfrist.
Andernfalls hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt, seinen
Urlaubsanspruch wahrzunehmen.
Da der Arbeitnehmer nämlich als die schwächere Partei des
Arbeitsvertrags anzusehen ist, soll die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, nicht vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert werden, während der Arbeitgeber damit eine Möglichkeit erhielte, sich seiner eigenen Pflichten unter Berufung auf einen fehlenden Antrag des Arbeitnehmers auf bezahlten Urlaub zu entziehen.
Daraus folgt, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums nur unter der Voraussetzung verloren gehen kann, dass der betreffende Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch rechtzeitig auszuüben.
Die Gewährleistung der Rechtssicherheit darf jedoch nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben, beruft, um daraus im Rahmen der auf diesen Anspruch gestützten Klage des Arbeitnehmers einen Vorteil zu ziehen, indem er einredeweise die Anspruchsverjährung geltend macht.
Zum einen könnte sich der Arbeitgeber nämlich in einem solchen Fall seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten entziehen. Zum anderen kommt es dem Arbeitgeber zugute, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub verjährt ist.
Es ist zwar richtig, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert werden zu müssen, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden. Dieses Interesse ist indes dann nicht mehr berechtigt, wenn der Arbeitgeber sich dadurch, dass er davon abgesehen hat, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen, selbst in eine Situation gebracht hat, in der er mit solchen Anträgen konfrontiert wird und aus der er zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen könnte.
Es ist Sache des Arbeitgebers, gegen späte Anträge wegen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs dadurch Vorkehrungen zu treffen, dass er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkommt.
Wann beginnt die Anspruchsverjährung?
Gem. § 199 BGB beginnt der Lauf einer Verjährungsfrist mit dem Schluss eines Jahres, in dem Anspruch entstanden ist und in dem der Anspruchsberechtigte „von den den Anspruch begründenden Tatsachen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste“.
Die Frist kann jedoch frühestens zu dem Zeitpunkt beginnen, an dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die Frist hingewiesen hat. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht ausdrücklich und individuell darüber informiert, dass ein Verfall der Urlaubstage droht, bleibt der Anspruch also auch über die drei Jahre hinaus bestehen (EuGH, 22.09.2022 - Az:
C-120/21).
Während der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung und die Person des Schuldners eindeutig sind, können sich sonst Diskussionen ergeben, ob die betroffenen Arbeitnehmer hinreichende Tatsachenkenntnis hatten.
Der Arbeitgeber ist in der Beweislast dahingehend, dass der Arbeitnehmer einen entsprechenden Hinweis erhalten hat. Daher ist es sinnvoll, den entsprechenden Hinweis in die
Personalakte aufzunehmen. Den Empfang des Hinweises sollte sich der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer zudem quittieren lassen.