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Bußgeldkatalog mit Formfehler: Sind Bußgelder und Fahrverbote nun ungültig?

Verkehrsrecht | Lesezeit: ca. 9 Minuten

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Da die Neuregelung der Straßenverkehrsordnung vom 28.04.2020 einen Formfehler enthielt, erachten viele Bundesländer die neuen Regelungen zu Fahrverboten und Bußgeldern als unwirksam.

Es ist jedoch nicht einheitlich geregelt, dass der alte Bußgeldkatalog nun gilt. Der Verkehrsminister hat die Länder lediglich hierzu aufgefordert. Die konkrete Handhabe obliegt nun den Ländern.

Im Moment haben die folgenden Bundesländer angekündigt, Tempoverstöße wieder nach dem alten Bußgeldkatalog zu sanktionieren:

Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein.

Nach dem neuen Bußgeldkatalog will man hingegen in den folgenden Bundesländern sanktionieren: Thüringen. Die Bearbeitung von Verkehrsverstößen wird aufgeschoben, „bis die Fragen zur Rechtmäßigkeit des Bußgeldkatalog geklärt sind“.

In Bremen gilt bis auf weiteres der Ende April in Kraft getretene Bußgeld-Katalog. Verstöße, die nach neuem Bußgeldkatalog einen Punkt in Flensburg oder ein Fahrverbot zur Folge haben, würden aber solange ausgesetzt, bis über eine bundeseinheitliche Regelung entschieden wurde.

Auswirkungen auf die Verhaltensregeln hat der Formfehler aber nicht.

Der Formfehler lässt sich nicht ohne weiteres beheben, so dass ein neues Gesetzgebungsverfahren notwendig ist.

Welche Verkehrsverstöße sind betroffen?

Die Nachfolgende Übersicht listet alle ggf. betroffenen Verkehrsverstöße mit der nun u.U. anzuwendenden alten Regelung auf.

BKat-Nr. Tatbestand Bußgeld in € Punkt Fahrverbot
2 unzulässig Geh-/Radweg, Grünanlage benutzt 10 - -
  mit Behinderung 15 - -
  Geschwindigkeitsverstöße      
11.3.1 bis 10 km/h innerorts 15 - -
  bis 10 km/h außerorts 10 - -
11.3.2 11-15 km/h innerorts 25 - -
  11-15 km/h außerorts 20 - -
11.3.3 16-20 km/h innerorts 35 - -
  16-20 km/h außerorts 30 - -
11.3.4 21-25 km/h innerorts 80 1 -
  21-25 km/h außerorts 70 1 -
11.3.5 26-30 km/h innerorts 100 1 1
  26-30 km/h außerorts 80 1 -
11.3.6
31-40 km/h außerorts  
120 1 -
39 Abgebogen, ohne Fahrzeug durchfahren zu lassen 20 - -
  mit Gefährdung 70 1 -
41 Beim Abbiegen Fußgänger gefährdet 70 1  
45 Kfz über 3,5 t rechts über Schritttempo abgebogen (neuer Tatbestand) - - -
50 keine Rettungsgasse gebildet 200 2 -
50a unberechtigt Rettungsgasse benutzt (ehem. Unzulässiges Rechtsüberholen) 100 1 -
51 Unzulässig gehalten 10 - -
  mit Behinderung 15 - -
51a Unzulässig in zweiter Reihe gehalten 15 - -
  mit Behinderung 20 - -
51b An Engstelle oder in Kurven geparkt 15 - -
  mit Behinderung/über 1 Stunde 25 - -
52 Unzulässig geparkt 15 - -
  mit Behinderung/über 1 Stunde 25 - -
52a Unzulässig auf Geh-/Radweg geparkt 20 - -
  mit Behinderung/über 1 Stunde 30 - -
53a in Feuerwehrzufahrt geparkt 35 - -
  mit Behinderung eines Rettungsfahrzeugs 65 1 -
54.3 Unzulässig auf Busspur/-haltestelle gehalten 10 - -
  mit Behinderung 15 - -
54.4 Unzulässig auf Busspur/-haltestelle geparkt 15 - -
  mit Behinderung 25 - -
54a Unzulässig auf Radschutzstreifen gehalten 20 - -
  mit Behinderung 30 - -
55 Unberechtigt auf Behindertenparkplatz geparkt 35 - -
55a Unberechtigt auf EMoG-Parkplatz geparkt - - -
55b Unberechtigt auf Carsharing-Parkplatz geparkt - - -
58 Unzulässig in zweiter Reihe geparkt 20 - -
  mit Behinderung 25 - -
  über 15 Minuten 30 - -
60 im Fahrraum von Schienenfahrzeugen geparkt 25 - -
  mit Behinderung 35 - -
63 ohne Parkscheibe/abgelaufene Parkzeit 10 -30 - -
64 Beim Ein-/Aussteigen andere gefährdet 20 - -
117 unnötiger Lärm/vermeidbare Abgase 10 - -
118 unnützes Hin- und Herfahren mit Belästigung 20 - -
142 Verkehrsverbote (Höhe/Breite/Gewicht) missachtet 20 - -
142a entgegen Einbahnstraße gefahren 25 - -
144 in Fußgängerbereich/Verkehrsverbot geparkt 30 - -
  mit Behinderung 35 - -
153 Umweltzone missachtet 80 - -

Wie soll man sich nun verhalten?

Bußgeldbescheide und Verwarnungsgelder werden nunmehr nach der alten Fassung bewertet. Eine Einstellung des jeweiligen Verfahrens erfolgt nicht. Wie konkret zu verfahren ist, hängt von der konkreten Situation ab. Auf die wichtigsten Fallkonstellationen wird nachfolgend eingegangen:

Im Anhörungsbogen kann vermerkt werden, dass der alte Bußgeldkatalog anzuwenden ist, da die Neufassung ab 28.4.2020 wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Grundgesetz nichtig ist.

Ehe gegen einen Bußgeldbescheid oder ein Fahrverbot Einspruch eingelegt wird, ist zu prüfen, ob der neue Bußgeldkatalog angewendet wurde. Sofern sich mit der Neuerung nichts geändert hat, ist der Bescheid nämlich nicht wegen der Nichtigkeit der Änderungen zu beanstanden.

Handelt es sich um einen neuen Tatbestand, der nach der alten Regelung nicht geahndet werden kann, kann der Betroffene die Einstellung des Verfahrens fordern. Andernfalls ist die alte Regelung zugrunde zu legen.

Sofern bereits ein Bußgeldbescheid nach der neuen Regelung erlassen wurde, die Einspruchsfrist aber noch nicht abgelaufen ist, sollte umgehend Einspruch eingelegt und eine Änderung verlangt werden.

Aber auch dann, wenn die Einspruchsfrist bereits abgelaufen ist, kann geprüft werden, ob ein Wiederaufnahmeverfahren möglich ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn eine Geldbuße von mindestens 250 Euro oder ein Fahrverbot verhängt worden ist und neben der Nichtigkeit der BKatV noch weitere Wiederaufnahmegründe vorliegen. Im Zweifel sollte hier anwaltliche Unterstützung hinzugezogen werden.

Kann ein bezahltes Bußgeld oder Verwarnungsgeld zurückgefordert werden?

Nur dann, wenn die Rechtsmittelfrist bei einem Bußgeldbescheid noch nicht abgelaufen ist, kann sich in diesem Fall noch ein Tätigwerden lohnen. Hierbei ist zu beachten, dass die Zahlung nicht automatisch zur Rechtskraft des Bußgeldbescheids führt.

Ein bezahltes Verwarnungsgeld führt hingegen zur Rechtskraft des Verfahrens. Hier kann nicht mehr dagegen  vorgegangen werden.

Fahrverbot – was tun?

Bei einem rechtskräftig verhängten aber noch nicht angetretenen Fahrverbot kann ein Aufschub der Vollstreckung beantragt werden.

Sofern das Fahrverbot bereits vollstreckt wird und sich der Führerschein in amtlicher Verwahrung befindet, kann allenfalls versucht werden, die Aufhebung der der Entscheidung unter Herausgabe des Führerscheins im Wege des Gnadenverfahrens zu beantragen. Dieses dient dazu, Härten und Unbilligkeiten von strafrechtlichen Entscheidungen im Einzelfall auszugleichen oder abzumildern.
Stand: 03.08.2020 (aktualisiert am: 20.05.2025)
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