Eine Fluggesellschaft schuldet als Schadenersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Beförderungsvertrag die Rückerstattung der Kosten des Flugscheins, wenn nach Erwerb des Tickets nur noch wenige Minuten Zeit zum Einchecken besteht, der Fluggast auf diesen Umstand nicht vor Buchung ausdrücklich hingewiesen wird und der Fluggast wegen Verfehlens des rechtzeitigen Eincheckens den Flugschein für den gebuchten Flug nicht nutzen kann.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger erwarb bei der Beklagten unter Nutzung seines Smartphones während eines Aufenthalts im Flughafen Beirut am 08.10.2023 um 12:06 Uhr ein Online-Ticket für den Flug N01 am selben Tag um 13:10 Uhr (alle Zeitangaben in Ortszeit) nach Stockholm zu einem Flugpreis von 499,99 Euro. Die Buchungsbestätigung erhielt der Kläger per E-Mail um 12:09 Uhr. Ein Online-Check-In über die App der Beklagten gelang dem Kläger nachfolgend nicht mehr, weil der Check-In planmäßig um 12:10 Uhr schloss, gemäß AGB der Beklagten eine Stunde vor Abflug. Auch ein Check-In vor Ort am Schalter war wegen Schließung nicht mehr möglich. Der Kläger konnte den gebuchten Flug daher nicht antreten.
Hierzu führte das Gericht aus:
Ein Fall der Beförderungsverweigerung gegen den Willen des Fluggasts nach
Artikel 4 Absatz 3 in Verbindung mit
Artikel 2 Buchstabe j der Fluggastrechte-Verordnung setzt voraus, dass der Fluggast sich rechtzeitig am Flugsteig eingefunden hat, was nicht der Fall war.
Ein Anspruch ergibt sich jedoch aus nationalem Recht gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB und § 249 Abs. 1 BGB. Die Beklagte trifft bei einem Luftbeförderungsvertrag die Nebenpflicht, den Fluggast vor Vertragsschluss darüber aufzuklären, wie viel Zeit noch bis zum Check-In besteht. Eine Information innerhalb von AGB genügt nicht, da bei einer kurzfristigen eiligen Buchung nicht erwartet werden kann, dass der Fluggast sich die Informationen dort heraussucht. Der Fluggast kann von einem Luftfahrtunternehmen erwarten, dass ein Verkauf von Flugscheinen nur solange erfolgt wie es dem Fluggast möglich ist, das Einchecken bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge noch durchführen zu können. Dies ist bei einem Schluss des Online-Check-In eine Minute nach Übersendung der Buchungsbestätigung, die gemäß Anlage K1 die Uhrzeit 11:09 Uhr aufweist, nicht der Fall, da auch für einen Online-Check-In ein Zeitraum von jedenfalls 5 Minuten zugrunde zu legen ist, da zunächst die Buchungsbestätigung per E-Mail abegerufen werden muss und sich mit den Abläufen vertraut gemacht werden muss. Die Beklagte traf daher die Pflicht, den Kläger vor Annahme des Buchungsauftrags darauf aufmerksam zu machen, dass der Check-In um 11:10 Uhr schließt und daher die Gefahr besteht, dass der Kläger den Flug trotz Buchung nicht nutzen kann. Diese Hinweispflicht hat die Beklagte verletzt.
Die Kosten des Flugscheins sind adäquat-kausaler Schaden der Verletzung der Hinweispflicht, denn hätte die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Check-In voraussichtlich nicht mehr erreicht werden kann, hätte der Kläger die Buchung nicht durchgeführt und wäre daher die Verpflichtung zur Zahlung des Flugpreises gegenüber der Beklagten nicht eingegangen. Hinsichtlich der Kausalität bei der Unterlassung notwendiger Informationen gilt die Vermutung beratungsrichtigen Verhaltens. Mangels anderer Anhaltspunkte kann unterstellt werden, dass der Kläger bei ordnungsgemäßer Information den Flug nicht gebucht hätte. Dass der Check-In tatsächlich geschlossen war und es nicht der Kläger war, der den Check-In gar nicht versuchte durchzuführen, ergibt sich aus der Anlage K5, der Chatkommunikation zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau, wonach der Kläger mitteilte, bei Eurowings einen Flug gebucht zu haben, der bereits geschlossen gewesen sei. Es erscheint überdies fernliegend, dass der Kläger aus dem Flughafen heraus ein Ticket für einen rund eine Stunde später stattfindenden Flug bucht, dann aber gar nicht versucht, einen Check-In durchzuführen. Im Rahmen der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB trifft die Beklagte die Verpflichtung, den Kläger so zu stellen wie er stünde, wenn er den Vertrag mit der Beklagten nicht geschlossen hätte, mithin ist der Flugpreis zurückzuerstatten.